pfingsten (genesis 11, 1-9)
am besten vergessen sie alles was sie bisher gehört haben über die alte geschichte vom „turmbau zu babel“ für ein uraltes märchen hat man sie gehalten versuch einer erklärung der entstehung der verschiedenen sprachen irgendwann in grauer vorzeit
aber in wirklichkeit war alles ganz anders neue archäologische forschungen zeigen kein märchen sondern tatsächlich eine ganz konkrete stadt ein tatsächliches geschichtliches ereignis
der assyrerkönig sargon II. plant viele jahre „tag und nacht“ schreibt er den bau einer stadt dur-scharrukin („haus des sargon“) wollte er sie nennen zur verherrlichung und erinnerung seines eigenen namens
aus allen unterworfenen völkern auch aus dem gerade besiegten nordreich israel werden zwangsarbeiter nach dur-scharrukin transportiert unter unvorstellbaren bedingungen treiben sie den bau voran sargon befiehlt den zwangsarbeitern wie er schreibt „eine rede“ er unterstellt sie einem befehl ausschließlich in der sprache assurs dürfen sie sich verständigen nicht in ihrer muttersprache eine zusätzliche demütigung der unterworfenen.
sargon findet bald darauf den tod in der schlacht zwei jahre nach einweihung seiner neuen stadt sein nachfolger sanherib er fürchtet das als böses omen er läßt die stadt unvollendet die deportierten kehren in die freiheit zurück finden ihre eigene sprache wieder die himmelstürmende stadt dur-scharrukin zerfällt gott jahwe selbst so deuten es die zur zwangsarbeit gepreßten israelischen sklaven war herniedergefahren um seinem volk die freiheit wiederzugeben
so geschehen im jahre 703 vor christus
sprache herrschaftsinstrument zur unterwerfung und ausbeutung von menschen eine uralte erfahrung wo immer der mensch eine unterworfene kultur vernichten will da unterdrückt er als erstes den gebrauch der muttersprache der besiegten da gibt es viele beispiele auch aus unserer zeit aus rußland und kurdistan aus südtirol und dem baskenland aus wales und so vielen anderen mit sprache wird herrschaft ausgeübt der weltweite siegeszug des englischen symbol für den „american way of life“ ist da eine weitere illustration
sprache schafft jeweils auch eine neue wirklichkeit die älteren unter uns erinnern sich im dritten reich wurde mit sprache wirklichkeit geschaffen im sinne der machthaber
menschen werden als „ungeziefer“ benannt das setzt die tötungshemmung herab menschen darf man nicht töten ungeziefer schon.
oder die parole „ein volk, ein reich, ein führer“ die sprache trimmt den menschen auf vereinheitlichung des denkens und des wollens im keim erstickt werden geistige vielfalt und kontroverses argumentieren
das war immer so das wird immer so sein sprache schafft wirklichkeit und die versuchung ist groß sich dies zunutze zu machen und menschen im sinn der eigenen ziele zu manipulieren
einige beispiele aus der gegenwart mögen das belegen
- die müllhalde wird zum „entsorgungspark“. - der arbeiter wird nicht entlassen, er wird „freigesetzt“. - fußballspieler werden „verkauft“. - der krieg im irak war kein krieg sondern eine „chirurgische operation“. - menschen, die an den anforderungen unserer gesellschaft scheitern, sind „wohlstandsmüll“ - und die krebskranke patientin, eine junge mutter von drei kindern vielleicht mit großer angst und verzweifelten fragen, wird im jargon mancher krankenhäuser reduziert auf „den tumor von zimmer 13“ - nach wie vor ist sprache ein indikator der geschlechtergerechtigkeit in einem land
sprache schafft wirklichkeit und sprache ist herrschaft insofern ich habe viel verständnis für alle die hier den finger in die wunde legen die sprache immer wieder befragen auf ihre nationalistischen rassistischen sexistischen komponenten auch wenn dieser sprachliche purismus manchmal durchaus seltsame blüten treiben mag
es ist darum wohl nicht der turm es ist auch nicht die stadt die gott in der biblischen erzählung sorgen bereiten die sind ja obwohl sie doch „bis an den himmel“ reichen sollten so winzig daß er sie offensichtlich von oben gar nicht richtig begutachten kann da muß er „herniederfahren“ da muß er ganz runter und auf die knie gehen vielleicht braucht er sogar eine brille um dieses türmchen sich anzuschauen nein die entscheidende herausforderung der gottheit gottes das ist die „eine sprache“ von der in der biblischen erzählung die rede ist diese anmaßung des menschen neue wirklichkeiten an gott vorbei schaffen zu wollen da wird gottes liebevoller plan für diese welt für eine bunte fröhliche vielgestaltige immer wieder furchtbar pervertiert und auf den kopf gestellt
- wo die große bunte vielfalt des menschlichen lebens, männer und frauen mit hoffnungen und träumen und ängsten und geschichten, in volkswirtschaftlicher diktion reduziert wird auf den begriff „arbeitskräfte“, da werden diese menschen in ihrer ebenbildlichkeit gottes zutiefst entwürdigt. - wo krieg nicht mehr als krieg bezeichnet und als sünde begriffen werden darf, sondern kleingelogen wird zum „konflikt“ oder zur „operation“ (was ja das verständnis von „hei-lung“ nahelegt), da wird die prophetische verheißung vom „shalom“, vom frieden gottes, mit füßen getreten. - wo schließlich, um ein letztes beispiel aus einem schier unerschöpflichen vorrat zu bemühen, das wort „liebe“ mißbraucht wird, um die käufliche sexualität des menschen zu be-schreiben, da wird damit gleichzeitig die liebe als lebenskraft, als göttliches wirken in dieser welt verhöhnt.
es geht auch hier wieder um das selbe uralte lied von allem anfang an
martin luther sagt der mensch kann weil er mensch ist nicht wollen, daß gott gott ist er würde sogar am liebsten wollen, daß er gott ist und daß gott nicht gott ist.“
der mensch wird zum sklaven seiner eigenen überheblichkeit gefangener einer selbst geschaffenen wirklichkeit ohne gott über die folgen dieser wirklichkeit brauchen wir hier nicht zu diskutieren sie sind allgegenwärtig so bleibt nur die verzweifelte frage wer um gottes willen! (buchstäblich!) befreit den menschen aus seiner selbstgeschaffenen sklaverei
die alten israels hatten gott erfahren als den der „herniederfährt“ der seinem volk die freiheit bringt gott kommt herunter auf die ebene des menschen die ganze bibel ist voll von erinnerungen an einen gott der immer wieder „herniederfährt“ um seinem volk nahe zu sein die ganze geschichte des jesus von nazareth es ist die geschichte des „heruntergekommenen“ gottes buchstäblich „das wort ward fleisch und wohnte unter uns“ man kann die geschichte jesu nicht anders erzählen denn als die geschichte gottes der herabkommt an die seite des menschen um diesen menschen aus seiner selbstverschuldeten sklaverei seiner selbst zu erlösen
natürlich das sind alles uralte geschichten niemand von uns hat ihn zu gesicht bekommen den niedergefahrenen gott und jesus ist auch nicht mehr unter uns seine tage auf dieser erde sind auch schon 2000 jahre her
und doch unbestreitbar sein geist ist unter uns lebendig immer noch und immer wieder was sonst denn sollte menschen treiben sich um der liebe und der wahrheit willen mund und finger zu verbrennen was sonst denn sollte mut machen, auch aussichtslose verhältnisse nicht einfach hinzunehmen sondern dem leiden der menschen die stirn zu bieten die unfreiheit und unterdrückung folter und haß nicht zu tolerieren was sonst denn sollte menschen bewegen der gewalt eben nicht mit gewalt zu begegnen und dem haß nicht mit haß
die bibel hat auf ihren ersten seiten die geschichte vom turmbau erzählt und von der diktatur der „einen“ sprache ganz am ende in der apostelgeschichte beschreibt sie eine ganz andere erfahrung wie der geist gottes brausend und feurig „herniederfährt“ und mitten unter das verängstigte häuflein der jünger fährt und wie mit einem mal in jerusalem menschen aus aller herren länder parther und meder und elamiter wir haben es gerade gehört die sprache der liebe gottes verstehen wie sie einander als geschwister begreifen einander neu schenken die vorenthaltene würde und gegenseitige achtung und sich geliebt wissen als kinder des einen befreienden gottes da ist sie die machtvolle gegenbewegung der anbruch einer neuen zeit
wie hatte der prophet sacharja verheißen? „es soll nicht geschehen durch heer oder kraft sondern durch meinen geist spricht der herr.“ ein neuer geist, der dem leben eine bahn öffnet der den menschen aus seiner selbstversklavung erlöst. der mensch findet die sprache wieder in vielstimmigem jubel das lob seines schöpfers zu singen der mensch weiß sich geliebt von gott und er wird so frei auch sich selbst und seinen nächsten zu lieben der mensch weiß sich getragen und geborgen und wird so befähigt voller vertrauen in die zukunft zu gehen
der unfreie mensch begegnet dem leben voller mißtrauen er muß die dinge unter kontrolle halten er muß alles planen er muß alles selber steuern er kann nur einen einzigen weg nämlich seinen eigenen als richtig und wahr zulassen wo aber gottes geist „herniederfährt“ wo seine liebe unter uns gestalt annimmt da können wir uniforme sprache und uniformes denken getrost vergessen da verstehen sich die menschen auch über die schranken ihrer unterschiedlichen traditionen und glaubensvorstellungen hinaus und da können wir dann die türme und mauern menschlicher selbstverherrlichung getrost ei-nem gnädigen verfall überlassen es wird genau sein wie vor urzeiten beim verfall von dur-scharukkin dem hat auch niemand eine träne hinterhergeweint
amen!
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