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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Alles hat seine Zeit (Koh 3,1-8) Moderatoren: Weber
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Alles hat seine Zeit (Koh 3,1-8)  Dieses Thema wurde bisher 2.461 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
28 Dezember 2005, 11:28 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Die Worte aus dem Buch Kohelet gehen uns unter die Haut, in Vielem auch gegen den Strich. Ja, möchten wir sagen, das ist zwar so, aber es sollte nicht so sein. Natürlich wird immer auf der Welt getötet, aber man müsste es verhindern; natürlich sterben Menschen, aber einverstanden sind wir damit meist nicht; und Liebende, die sich umarmen, sollen sich nicht wieder trennen, bis der Tod sie scheidet; und Krieg sollte es nicht geben und Hass unter den Menschen. Doch der Text ordnet die Gegensätze einander zu, als wäre ihre Abfolge das Natürlichste von der Welt. Und der Mensch, obwohl Subjekt, ist nicht der eigentlich Handelnde; er ist gewissermaßen wie das Wasser im Strom der Zeit, berührend die gegenüberliegenden Gestade.

Die Lehre der Weisheit

Die Weisheitslehrer der Bibel haben eigentlich immer die Überzeugung vertreten, dass es einen ganz selbstverständlichen Zusammenhang gibt zwischen dem moralischen Tun des Menschen und seinem Wohlergehen als Folge seiner guten Taten. Denken wir nicht heute noch so? Wenn ich die Gebote halte, ist Gott mir eine gute Zeit schuldig. Und umgekehrt: der Schuft gehört bestraft, und zwar von Gott persönlich, möglichst jetzt, in diesem Leben. Diese Automatik von Tun und Ergehen ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen – es wurde uns ja auch so gelehrt, dass wir ein Kerzchen opfern fürs gute Wetter oder zwei für die Genesung der Oma. Das ist die Weisheit des Alten Testaments: dem Gerechten wird es gut gehen, doch der Frevler wird zuschanden.

Die andere Lebenserfahrung

Nicht erst der aufgeklärte Mensch unserer Tage macht die Erfahrung, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Der Prediger selbst, Kohelet, stellt die Richtigkeit der Weisheitslehre in Frage. Das ist nicht so, sagt er seinen Zeitgenossen, und schildert stattdessen den Menschen als Gefangenen der Zeitabläufe. Nicht der Mensch hat Einfluss auf das Zeitgeschehen, sondern die Zeit und das Geschehen haben ihre eigene Gesetzlichkeit. Und die Automatik von Gutsein und Wohlergehen entspricht nicht der Lebenserfahrung. Kohelet selbst sagt an einer Stelle: „Es gibt Gerechte, die das trifft, was dem Tun der Frevler entspricht, und es gibt Frevler, die das trifft, was dem Tun der Gerechten entspricht“ (8,14). Die ganze herkömmliche sittliche Grundlage gerät aus den Angeln, und es gibt nur hoffnungsloses Chaos. Ein weiteres Zitat: „Ein und dasselbe Geschick trifft alle: den Gerechten und den Frevler, den Reinen und den Unreinen, den, der opfert, und den, der nicht opfert; wie dem Guten, so geht es dem Sünder, wie dem, der schwört, so dem, der den Schwur scheut“ (9,2). Es ist dieselbe Ratlosigkeit, die heute jemand, dem schweres Leid zustößt, mit der Frage ausdrückt: „Womit habe ich das verdient?“ Gott gibt keine Antwort auf die großen Rätsel unseres Daseins. Im Verlauf des Buches Kohelet kommt es denn auch zu keiner Lösung des Problems, der Verfasser bleibt skeptisch, pessimistisch. Die Welt hat ihre Ordnung verloren, und Gott selber trägt dafür die Verantwortung.  -  Es ist erstaunlich, dass dieses überaus kritische Buch im biblischen Kanon seinen Platz gefunden hat; denn es bringt Unordnung in die Harmonie der geltenden Lehren über Gott.

Das persönliche Vertrauen

Und worin liegt der Wert dieses Textes und des ganzen Buches Kohelet? Es verbietet alles leichtfertige Reden von Gott; denn es wird so schnell zum frommen Geschwätz. Gott ist das große Geheimnis, das kein Theologe, kein Weisheitslehrer und keine Religion lüftet. Gott Gott sein zu lassen, wäre ein wichtiger Schritt, der uns helfen könnte, mit den Widersprüchen leben zu lernen, die sich zwischen unseren Lebenserfahrungen und unseren selbstgemachten oder ererbten Gottesbildern auftun. Entscheidend wir sein, dass wir darauf vertrauen, dass das Geheimnis, das wir Gott nennen, uns wohl will. Aus diesem Vertrauen wächst die Kraft zu leben.

Ich wünsche Ihnen für das kommende Jahr diese Kraft zu leben – von Gott.
Amen.
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