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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Pfingsten  ›  Der Geist weht, wo er will (Pfingsten) Moderatoren: Weber
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Der Geist weht, wo er will (Pfingsten)  Dieses Thema wurde bisher 2.837 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
22 Mai 2006, 19:41 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Wir feiern Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, jenes Geistes, dessen Wirken die Bibel hundertfach bezeugt und dessen Anwesenheit auch für unsere Zeit verheißen ist. Die Kirche beansprucht, Mittlerin dieses Geistes zu sein, Dass sie es oft gewesen ist, hat sie in den 2000 Jahren ihres Bestehens bewiesen, dass sie es jedoch nicht immer war, ist ebenso eine Erkenntnis dieser langen Kirchengeschichte. Das ist nicht verwunderlich, denn Jesus selber hat im Gespräch mit Nikodemus den Geist mit dem Wind verglichen. „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ In Wahrheit gibt es keinen Anspruch, alleiniger Windkanal des Heiligen Geistes zu sein. Er lässt sich nicht kanalisieren, will sagen: er lässt sich nicht institutionalisieren, lässt sich nicht von einzelnen Menschen, Ämtern oder Institutionen vereinnahmen. – Was heißt das für die Kirche? Sie muss sich mehr als bisher dem Heiligen Geist öffnen, und zwar in dreifacher Hinsicht.

1.     Öffnung für den Geist der Zeit
Der Zeitgeist hat einen schlechten Ruf, gilt er doch als Modetrend, der einfach das Alte in Frage stellt und Neues zur Norm macht. Insofern ist der Zeitgeist ein Störenfried in allen eingefahrenen Systemen. Der Zeitgeist macht auch die Kirche verrückt. Und darum ist es eigentlich üblich, in Predigten über den Heiligen Geist zuerst vor dem Zeitgeist zu warnen und ihn dann als dem Heiligen Geist entgegengesetzt zu entlarven. Das aber tue ich nicht. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Heilige Geist sich in jeder Zeit zeit-spezifisch bemerkbar macht. Ein solcher Geist stört immer den gewohnten Betriebsablauf, weshalb die auf Kontinuität bedachten Kirchenmänner von ihm nichts wissen wollen.

Konkret: In unserer Zeit braucht die Kirche zeitgemäße Strukturen. Tatsächlich wird derzeit in allen deutschen Diözesen fleißig am Umbau der Strukturen gebastelt. Allerdings geht es den Bastlern nur darum, mit den weniger werdenden finanziellen Mitteln in Zukunft auszukommen. Andere Reformen, die das theologische Denken betreffen, haben noch keine Chancen. Dabei wären hier ein Umdenken und eine Neuinterpretation des Glaubens  genau so dringlich. Denn was früher vielleicht richtig war, reicht heute nicht mehr aus, um den Aufgaben gerecht zu werden. So ist die hierarchische Struktur der Kirche z.B. nicht von Gott für alle Zeiten vorgegeben. Sie ist veränderbar, wenn die Zeit es erfordert. Oder der Ausschluss der Frauen von allen kirchlichen Ämtern ist entgegen päpstlichen Behauptungen nicht göttlichen Rechts und könnte jederzeit aufgehoben werden. Dann hätten wir nicht nur den Priestermangel behoben, sondern auch ein Stück Menschenrechtsverletzung in der Kirche beseitigt. Der Priesterzölibat ist kein göttliches Gebot und daher grundsätzlich änderbar, wenn die seelsorgliche Situation es erfordert. Der Heilige Geist redet nicht zu allen Zeiten mit gleicher Zunge, sondern er sagt, was die jeweilige Zeit braucht. Daher ist die Öffnung für den Geist der Zeit eine unumgängliche Gehorsamspflicht kirchlicher Verantwortungsträger.

2.     Öffnung für die Charismen der Laien
Die Unterscheidung der Gläubigen in Kleriker und Laien ist schon verhängnisvoll. Das, was alle vor Gott als Christen ausweist, ist ihr gemeinsamer Glaube. Und das grundlegende Sakrament, das das gemeinsame Priestertum aller begründet, ist die Taufe. Taufe und Firmung sind Ausdruck der Vermittlung des Heiligen Geistes. Es ist nicht richtig, dass Papst und Bischöfe grundsätzlich mehr Heiligen Geist empfangen hätten als die sogenannten Laien. Der Geist weht ohnehin, wo er will. Er privilegiert die Amtsträger nicht. (Sonst müsste man das doch merken.)

Das bedeutet für die Kirche, dass sie sich den Charismen (Geistesgaben) der Laien öffnen muss. Ihre Aufgaben erschöpfen sich nicht nur im Weltdienst. Es gibt Begabungen und Fähigkeiten, die segensreich z.B. für die Verkündigung sein könnten. Wenn Laien sich mit der Bibel beschäftigen, dann muss das gar nicht laienhaft zugehen. So erlebt vor Jahren mit Erstkommunionkatechetinnen, die sich auf einer Tagung mit einem Evangelientext beschäftigten und dabei zu ganz erstaunlichen Einsichten kamen. Nicht jede Predigt eines dazu Geweihten und Beauftragten hat so viel Theologie-Gehalt, wie da zu Tage gefördert wurde. Die Beispiele kann man beliebig ausdehnen. Funktionen, die dem Klerus vorbehalten sind, könnten von Laien, ergänzt, bereichert, verbessert werden -  wäre da nicht die klerikale Überheblichkeit, die alles besser machen zu können glaubt.

3.     Öffnung für den guten Geist anderer Religionen
Der Heilige Geist weht, wo er will. Diese Einsicht, die ja eine biblische ist, schließt ein, dass auch in anderen Konfessionen, Religionen und sogar in Menschen, die nichts mit Religion zu tun haben, der Heilige Geist am Werk sein kann. Eine solche Erkenntnis mag im Einzelfall bitter sein; aber wenn es der Kirche nicht nur um Prestige und eigenes Ansehen geht, sondern um wirkliche Wahrheit und um das Wohl der Menschen, dann müsste es eine über alle Grenzen hinausgehende Zusammenarbeit geben aller Menschen guten Willens. Pfingsten ist ein geeignetes Datum, an all diese Dinge zu erinnern und die Öffnung für den Geist einzufordern. Der Heilige Geist lässt sich sicher nicht zwingen, aber man könnte ihm ja schon mal die Tür öffnen.
Amen.
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