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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Für wen haltet ihr mich?“   Moderatoren: Weber
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„Für wen haltet ihr mich?“    Dieses Thema wurde bisher 2.316 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
16 Juli 2006, 16:05 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Für wen haltet ihr mich?“  -  Das Gebet des Menschensohnes

Das Gebet des Herrn?

Jesus wurde von seinen Jüngern zu Lebzeiten einfach Meister, Rabbi genannt. Das hat er sich gefallen lassen, denn das war die nüchterne Beschreibung seiner Sendung. Rabbi hieß zwar wörtlich „mein Herr“, war aber lediglich die ehrfurchtsvolle Anrede eines Meisters, dem man folgte, um seine Weisheit und Lebensführung anzunehmen, nicht um sich seiner Herrschaft zu unterwerfen. Jesus selber verstand seine Rolle zweifellos als Dienen. Zum göttlichen Herrn wurde er für die Jünger erst, als sie ihn „im Himmel“ glaubten. Er selber hat sogar die Anrede „Guter Meister“ heftig zurückgewiesen, denn für ihn war „niemand gut außer Gott, dem Einen“ (Mk 10,17f)!

Welche Autorität steht nun hinter diesem Text, der in den Grundgedanken, wenn auch nicht in jeder Formulierung, höchstwahrscheinlich auf Jesus zurückgeht? - Dieser Jesus wurde schon zu Lebzeiten aufgefordert seine Autorität zu begründen. Das Evangelium des Markus erzählt, wie einige Menschen empört waren, als sie sahen, dass er etwas tat, was nach ihrer Überzeugung nicht erlaubt war. Und es überliefert auch die Rechtfertigung Jesu: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat“. Er begründete also seine Autorität damit, dass er als „Menschensohn“ berechtigt ist sogar über Vorschriften zu befinden, die als Befehle Gottes galten, denn diese Vorschriften sind für die Menschen da!

Der Menschensohn

Was konnte Jesus mit dem Ausdruck „Sohn des Menschen“ meinen? - Ausschlaggebend ist dabei nur, wie seine Zuhörer ihn verstehen konnten, denn er wollte sich ihnen verständlich machen. Sie kannten ihre Psalmen, in denen immer wieder eine Aussage gleich mit anderen Worten wiederholt wurde (Parallelismus), etwa: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, - des Menschen Sohn, dass du seiner annimmst?“ (Ps 8,5; 90,3). Nach dem semitischen Sprachgebrauch war „Menschensohn“ gleichbedeutend mit „Mensch“. Jesus hat also, nach seiner Vollmacht gefragt, schlicht erklärt, dass die religiösen Vorschriften für den Menschen gemacht sind, - und bezeichnete sich sogleich als den Menschen, der hier und jetzt diese Vorschriften richtig versteht und berechtigt ist, sich nach der eigenen Einsicht zu richten!

Natürlich war es klar, dass nicht einfach jeder Mensch über Vorschriften hinweggehen durfte, die als Gebote Gottes galten, denn so hätten diese Vorschriften keinen Sinn gehabt. Woher nahm Jesus seine innere Gewissheit, dass er befugt war, solche Dinge klarzustellen. - Die Antwort kann ich hier nur andeuten: Die älteste Tradition zeigt ihn als einen nüchternen, bescheidenen und belastungsfähigen, also psychisch durchaus gesunden Menschen, der auch über die Tragweite seiner Äußerungen wusste. Wenn er mit Autorität auftrat, musste seine Überzeugung begründet gewesen sein!

In der Tat finden wir in der knappen Beschreibung der Taufe Jesu bei Markus einen Hinweis, der sein Selbstbewusstsein erklären kann: „Als er aus dem Wasser stieg, sah er, wie die Himmel sich öffneten und der Geist ... in ihn hineinkam. Und eine Stimme aus den Himmeln: Du bist mein Sohn, Geliebter! Du gefällst mir.“ (Mk 1,9-11). Diese Worte weisen auf eine Vision, auf eine überwältigende innere Erfahrung hin, aus der die ganze Energie der Wirksamkeit Jesu kommen konnte. Ich stelle mir vor, dass diese Worte auf eine kurze Mitteilung Jesu selber zurückgehen, der später einmal von seinen engsten Freunden - vielleicht von Petrus - nach dem Grund seiner Sicherheit gefragt wurde. Einer solchen Frage konnte er natürlich nicht ausweichen, aber seine unaussprechliche Gotteserfahrung konnte er auch nicht mit vielen Worten ausbreiten. Deshalb ist diese Beschreibung bei Markus so knapp gehalten. (Die anderen Evangelisten haben aus dieser knappen Mitteilung einer Vision schon eine sichtbare Szenerie gemacht: Lk 3,21f; Mt 3,16f.)

Die Worte „Du bist mein Sohn, Geliebter!“ deuten an, dass Jesus hier in einer unbeschreiblichen Weise die Anwesenheit Gottes erlebt hat. Deshalb konnte er sie auch nicht direkt auf sich beziehen, sondern verstand sie als Offenbarung über Gott: „Gott ist da - wie ein Vater - seinem Sohn ganz zugewandt!“ Dieses Erlebnis hat sein Leben völlig verändert. Von jetzt an hatte er nur ein Ziel, den so nahe erlebten Gott auch den anderen „begreifbar“ zu machen. In dieser Gotteserfahrung war sein Selbstbewusstsein begründet.

Jesus selbst hat sich keine andere Autorität, als die eines „Menschensohnes“ zugeschrieben. Dabei kann man als sicher annehmen, dass er das Buch Ezechiel kannte, in dem dieser Prophet von Gott immer wieder als „Menschensohn“ angeredet wurde. In der Selbstbezeichnung Jesu als „Menschensohn“ klingt für mich deshalb ein Doppeltes an: Er bekannte sich als einen Menschen, der von Gott angesprochen wurde und eine prophetische Aufgabe erhielt. Das war der Inhalt seines unvergleichlichen Selbstbewusstseins und Sendungsbewusstseins.

Möglichkeiten eines Menschen

Es müsste uns eigentlich den Atem verschlagen, mit welcher Selbstverständlichkeit Jesus mit dem Namen „Menschensohn“ sein Menschsein als Begründung eines sehr hohen Anspruches verwendet hat! Leider haben wir uns das Staunen über diesen Menschen längst abgewöhnt. Seit die Christen in ihm Gott sahen, entfiel der Reiz, ihn als wirklichen Menschen zu sehen. - In diesen Betrachtungen will ich deshalb versuchen Jesus als Menschen ganz ernst zu nehmen. Dabei lasse ich das „Geheimnis“ vorerst auf sich beruhen, das die Christen als Menschwerdung Gottes bezeichnen.

Was Jesus als Menschensohn sagte, waren Worte eines Menschen, - aber eines Menschen, der durch eine einmalige Erfahrung Gottes legitimiert war, über diesen Gott zu sprechen. Auch wenn er das Höchste verwirklichte, was einem Menschen möglich war, blieb er ein echter Mensch, unser Bruder. In ihm sehen wir, welche Möglichkeiten in uns wie in jedem Menschen stecken.

Wenn wir seine Autorität anerkennen, müssen wir folgerichtig von den Menschen, und ganz konkret auch von uns selber, „groß genug“ denken! - Das ist nicht von einem Schwärmer erdacht! Jesus sah sehr nüchtern, was in den Menschen alles verkehrt war, - und trotzdem versicherte er, dass Gott selber sogar nach dem verlorensten Menschen sucht, „bis er ihn findet“ (Lk 15,4)! Seine Überzeugung war, dass vor Gott jeder Mensch einen einmaligen Wert hat.

Wir haben deshalb einen guten Grund, auch uns selbst ganz wichtig zu nehmen, noch bevor wir im Gebet vor diesen Gott treten. Was ich an mir ernst nehmen soll, ist freilich nicht mein ängstliches und alltägliches „kleines Ich“, das nur auf die eigene Sicherung bedacht ist. Von unseren alltäglichen Sorgen sagte Jesus klar, dass nur das Wichtige wichtig zu nehmen ist: „Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung, und der Leib wichtiger als die Kleidung?“ (Mt 6,25-34)! Was er dabei in seiner konkreten Ausdrucksweise mit „Leben“ meinte, war der ganzheitlich gedachte Mensch. Heute könnten wir dafür sagen, dass die Verwirklichung unseres „innersten Wesens“ viel wichtiger ist als alle materiellen Belange! - In welcher Richtung Jesus unsere menschliche Verwirklichung suchte, werden wir aus den Anliegen seines Gebetes sehen.

Nach Lukas hat Jesus sein Gebet mit diesen Worten eingeführt: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater im Himmel!“ - Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass er dabei das Wort „ihr“ betonen und sich als einzigen Sohn Gottes aus dem Kreis der Betenden herausnehmen wollte. Auch wenn er sich selbst als „geliebten Sohn“ Gottes erfahren hat, wusste er sich als „Menschensohn“ mit seinen Schwestern und Brüdern verbunden und setzte sich ganz dafür ein, dass auch sie sich als Töchter und Söhne des gleichen Vaters erfahren (Mt 5,45)! Dazu wollte er ihnen aus seiner Erfahrung etwas mitteilen.

Von ihm selber sagen die Evangelien öfter, dass er sich ausführlich Zeit nahm für etwas, was kaum mitteilbar ist: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten“ (Mk 1,35). Es ist kaum vorstellbar, dass er dabei fertige Gebetsformeln gebraucht hätte. Viel eher verweilte er - im Bewusstsein seiner Verbindung mit Gott - im Nachdenken über alles, was er erlebt und was er zu tun hatte. In allen diesen Dingen suchte er den „Willen des Vaters“ zu erkennen. So hat er in seinen einsamen Betrachtungen bestimmt auch überlegt, wie seine Jünger dorthin gelangen könnten, wo er selber war. Dabei musste er sich nicht auf Spekulationen verlassen, denn er hat selber etwas Grundlegendes erlebt und auch seine Mitmenschen waren ihm keine fremde Welt.

Aus diesem Grund ist unser Ziel nicht zu hoch gesteckt, wenn wir in seinem Gebet die Spuren seiner Spiritualität entdecken und uns aneignen wollen, damit wir ihm, dem exemplarischen „Menschensohn“ immer ähnlicher werden!

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