Forum Einloggportal
Loginname: Einen Zugang registrieren
Passwort:     Passwort vergessen?

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Unser Vater im Himmel!“   Moderatoren: Weber
Mitglied(er) im Forum
Keine Mitglieder und 1 Gäste

„Unser Vater im Himmel!“    Dieses Thema wurde bisher 3.406 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Sardy
16 Juli 2006, 16:06 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Unser Vater im Himmel!“  -  Der Nahe und der Ferne

Gott - der Vertraute

„Vater!“ - Mit dieser Anrede lässt uns Jesus jemanden ansprechen. Es ist nicht gut, mit unseren Gedanken, Sorgen und Belastungen allein zu bleiben. Wer allein ist, kann sich in seinen Gedanken verstricken, kann verzweifeln oder von Angst gelähmt werden. Wir brauchen ein Du, mit dem wir auch über innerste Anliegen oder Ängste sprechen können.

Unser Verhältnis zu diesem Vater beschrieb Jesus kurz so: „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um!“. Dieser kurze Spruch bringt uns eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute Nachricht (eu-angelion): Gott ist uns so nahe, dass wir ihn direkt, und sogar mit einem vertraulichen Wort (Abba, Papa) erreichen können. - Was darauf folgt, hat Jesus zwar nicht „schlechte Nachricht“ genannt, aber wir könnten es so verstehen, denn es verlangt von uns etwas Unerhörtes: „Kehrt um!“

Wer ist denn dieses „Du“, den wir so unbekümmert als Vater anreden sollen? - Sah Jesus nicht aus den Vorschriften seiner Religion, wie vorsichtig ein Mensch sich dem mächtigen Gott zu nähern hatte? Kannte er nicht die Sühnopfer und alle anderen Opfer, die Menschen aufzubringen hatten, damit ihre Unwürdigkeit nicht Gottes Zorn erregt? - Auch die Jünger Jesu konnten nicht anders denken, sobald ihr Meister nicht mehr unter ihnen war. Obwohl er von den traditionellen Opfern nichts gehalten hat, mussten die Jünger wenigstens Jesu Lebenshingabe nachher als „Erlösungsopfer“ deuten, das ihnen erst den Zutritt zur Liebe des göttlichen Vaters ermöglicht hat. Noch später meinten die Christen, auch die Fürsprache der „Mutter Gottes“ und anderer Heiligen zu brauchen, um einen Gott gnädig zu stimmen, vor dem sie sich hoffnungslos klein gefühlt haben. - Ihr Kleinmut müsste vor der einfachen Sprache Jesu verblassen: „Wenn ihr betet, sagt einfach: Vater!“, denn Gott wartet schon auf euch.

Wie dachte Jesus von diesem Vater? Er lehrte die Menschen „wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22), für die Gott der absolute Herr war und durch Befolgung vieler Vorschriften geehrt werden musste. Er sprach von diesem „Herrn“ auch nicht wie sein Lehrer Johannes der Täufer, für den Gott der drohende Richter war, der die Sünder mit schlimmen Katastrophen straft. Jesus beschrieb Gott ganz anders. Für ihn war Gott der liebende Vater aller Wesen. Es klingt etwas sehr Zartes in seinen Worten, wenn er darüber spricht, wie Gott die Raben füttert und die Feldblumen kleidet (Lk 12,22-31). Dabei hat er weder eine sentimentale Religiosität noch eine falsche Naturkunde verbreitet, denn er vergaß nicht zu bemerken, dass Vögel auch tödlich getroffen werden und die Feldblumen vertrocknen. Aber - und das betonte er - dies alles geschieht nicht ohne den „Vater“, der sogar die Haare eines Menschen gezählt hat. Mit solchen Bildern beschrieb Jesus eine unfassbare Liebe Gottes, die allem Leben gilt. Diese Liebe umfasst freilich Werden und Vergehen, - so dass sie uns oft unverständlich bleibt. Jesus ließ sich aber von den grausamen Seiten des Lebens nicht irritieren. Er rief entschieden zum Vertrauen zu einem Gott, dessen Liebe an allem Übel der Welt nicht scheitert: „Euer Vater weiß ja“, was ihr alles braucht und was euch bedroht, und er will, dass euer Leben am Ende - trotz aller Gefahr - über alles Lebensfeindliche siegt!

Jesus betonte immer wieder diese behütende Sorge Gottes um alles Leben. Wenn wir bei ihm das Beten lernen, stehen wir vor diesem Gott. Ihn reden wir mit „Vater“ an. Dieser Gott „hängt an uns“, wie ein guter Vater an seinen Kindern. Von ihm haben wir nichts zu befürchten, vor ihm haben wir das Geheimste nicht zu verstecken. - Er betrachtet uns freilich nicht wie niedliche und ohnmächtige Babys, die ihn nur lieb anzuschauen hätten. Es ist ein Missverständnis zu meinen, der Glaube Jesu mache die Menschen zu unmündigen Kindern. So oft Jesus unsere Beziehung zu Gott mit dem Bild von Vater und Kind beschrieben hat, betonte er damit niemals die Abhängigkeit, sondern immer die vertrauende Offenheit des Kindes, das sich von jemandem beschenken lässt.

„Gottes Kind Sein“ - Auszeichnung und Forderung

In der Anrede „Vater“ wenden wir uns also an einen Gott, der uns ganz nahe ist. Diese Nähe hat einen ganz wichtigen Aspekt, den Jesus so beschrieb, dass Gott zwar ohne Einschränkung unser Vater ist, aber wir müssen seine Söhne und Töchter erst werden, indem wir lernen wie er, das heißt ohne jede Einschränkung zu lieben: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“, er wendet ja - wie die Sonne - sein Wohlwollen ohne Unterschied allen Wesen zu! So sollt ihr sogar eure Feinde lieben, „damit ihr Söhne eures Vaters werdet!“ (Lk 6,36; Mt 5,43-4. Eine solche Aufforderung setzt natürlich Erwachsene voraus, die für ihr Leben und ihre Taten voll verantwortlich sind. Jesus wollte uns also den väterlichen Gott nicht deshalb nahe bringen, damit wir seine Liebe - wie ein Sonnenbad - nur genießen. Wir sollten vielmehr selber kleine Sonnen werden, um die Wärme der großen Sonne gleichsam weiterzugeben. Die ganze Frohe Botschaft Jesu zielte darauf, die Menschen zu dieser neuen Art der Gottesbeziehung zu führen.

Wenn wir Gott als unseren Vater ansprechen, sagen wir auch über uns selber etwas. Wir bezeichnen uns als seine Töchter und Söhne. Jesus forderte uns freilich nicht auf, unsere Augen vor der Wirklichkeit zuzumachen. Wir können uns doch nicht auf etwas berufen, was für uns erst eine Möglichkeit und Aufgabe ist! Aber seine Worte geben uns Anlass, über diese Möglichkeit und Aufgabe nachzudenken. Eine Raupe ist natürlich kein Schmetterling; - und trotzdem ist sie schon ein Schmetterling, denn in jeder ihrer Zellen hat sie das Erbgut, das „Wesen“ des Schmetterlings. Was ihr noch fehlt, ist nur die letzte Verwandlung. - Genau so sind auch wir bereits Töchter und Söhne Gottes, nur sind wir uns dessen noch nicht bewusst. Wenn Gott wirklich unser Vater ist, dann ist unser innerstes Wesen schon von dieser göttlichen Verwandtschaft geprägt! Dann kann uns auch nichts wichtiger sein, als dieses Wesen zu verwirklichen! Zugleich mit der Bewusstwerdung unserer Gotteskindschaft sollen wir uns verwandeln, damit wir unserem Bruder Jesus ähnlich und damit wirklich „Töchter und Söhne“ werden.

Das Gebet Jesu wird uns die Richtung zeigen, in der wir zu gehen haben. Wenn wir seine einzelnen Gedanken verinnerlichen, werden wir auch der erwünschten Verwandlung näher kommen, die natürlich auch stufenweise geschehen kann. - Es ist nur wichtig, dass wir beim Beten unseren eigenen Wert nicht vergessen, - und nicht etwa das Negative verinnerlichen, indem wir uns unser „Wurmsein“ einreden. Das Kindesverhältnis zu Gott ist in uns schon angelegt. Es ist keine äußere Forderung und erst recht keine Überforderung, es ist unser innerstes „Wesen“. Wir haben ein Anrecht darauf, dass es zum Durchbruch kommt. Dieses Bewusstsein sollten wir einüben, sooft wir „Vater unser“ sagen! So beten wir mit Jesus, so kann sein Geist auch uns erreichen.

Gott – der Unnahbare

Seinen Geist haben wir nötig, um auch die zweite, die „schlechte Nachricht“ Jesu richtig aufzunehmen. Sie heißt: Gott ist uns nahe, aber wir können - so wie wir sind - auf sein Angebot nicht eingehen. Deshalb sagte Jesus: „Kehrt um! Ändert euer Denken!“ - Umkehren muss natürlich, wer in die falsche Richtung rennt. Wenn wir bedenken, womit wir beschäftigt sind, werden wir finden, dass wir mehr oder weniger ständig um unser eigenes Ich kreisen. Wir suchen meistens nur, was uns nützt, was uns Spaß macht, oder wie wir Nachteile vermeiden können und gut weiterkommen. Wir spannen uns für notwendige oder selbst gestellte Aufgaben ein und haben immer neue Wünsche. Natürlich wollen wir glücklich sein, - aber wo ist das bleibende Glück? Wofür lohnt es sich zu leben? Haben wir nicht ständig Angst, etwas zu versäumen und im Leben zu kurz zu kommen? Beunruhigt uns nicht heimlich auch der Gedanke an den Tod, der uns alles, was uns lieb ist, plötzlich aus der Hand nehmen kann? In diesem Getriebe fällt uns alles andere leichter als an eine Verbindung zu Gott zu denken. - Jesus rechnete mit dieser Realität. Wie er sich unser Umdenken, d. h. unsere Umkehr gedacht hat, wird sich mit jedem Gedanken zeigen, den wir in seinem Gebet noch entdecken.

Auch wenn Jesus sein Gebet wahrscheinlich, wie es Lukas schreibt, mit der einfachen Anrede „Abba“ (Vater) angefangen hat, wollte er uns damit keineswegs zu einer trügerischen Vertraulichkeit verleiten. Deshalb gibt unsere Anrede „Vater im Himmel“, die wir Matthäus verdanken, durchaus seine Gedanken wieder. - Rücken wir damit den uns so nahen Vater doch wieder in die Ferne? - Ich verstehe dieses Wort als eine bewusste Betonung der Transzendenz Gottes, denn es ist hier bestimmt nicht ein Ort gemeint, wo Gott sich aufhält! Den „Himmel“ dachte man natürlich auch damals „oben“, aber im Zusammenhang mit Gott war er nur eine Chiffre dafür, dass er für unser Denken immer der Ganz-Andere bleibt. Jesus war zwar überzeugt, dass dieser Gott uns nahe ist, hat aber nicht behauptet, dass wir ihn erreichen oder durchschauen könnten. Daran ändert sich auch nichts, wenn wir uns als seine Töchter und Söhne wissen. Wir dürfen ihn nicht dadurch vereinnahmen, dass wir etwa unsere Wünsche oder Ängste auf ihn projizieren. Unsere Emotionen müssen wir unbedingt bei uns behalten, denn unser Vater ist „im Himmel“. Er übersteigt unser Denken, und wir können nicht so tun, als ob unsere Vorstellungen über „gut“ oder „schlecht“ auch für ihn gelten müssten!

Die Anrede „Vater im Himmel“ verbindet die intime Nähe zum Vater mit einem unüberwindlichen Abstand zum Schöpfer. Damit bleibt uns jede Vertraulichkeit versagt, die uns eines mächtigen Gegenübers berauben würde: Gott bleibt für uns der Vater im Himmel, das heißt der Liebende, aber zugleich der Unbekannte und Überlegene. Er bleibt das Absolute und der Mensch bliebe - von ihm getrennt und ihm gegenübergestellt - ein Nichts, ein Hauch, der vergeht. Dadurch wird aber unsere Gotteskindschaft nicht etwa entwertet, sondern eher aufgewertet. Unsere Zuversicht ist ja darin begründet, dass dieser ewig unzugängliche und überlegene Gott für uns wie ein Vater ist. Unsere Schwachheit bleibt zwar eine Tatsache, aber wichtiger ist, dass wir von einem solchen Vater geliebt und angenommen sind.

Liebe ohne Grenzen

Wenn wir Gott mit „Vater im Himmel“ als den Nahen und Fernen ansprechen, rückt damit zugleich alles Ferne der Welt in unsere Nähe. Auch das fernste Geschöpf hat ja den gleichen Vater wie wir. Die gleiche Liebe, die ihn mit uns verbindet, verbindet ihn mit allen seinen Geschöpfen. Unser „Vater im Himmel“ lehrt uns die kosmische Liebe. Wir können diesem Gott nur dadurch ähnlich werden, dass wir alle Wesen in unsere Liebe einschließen. Bevorzugt werden wir dabei freilich an die „Nächsten“ denken, denn nur hier kann unsere Liebe konkret werden. Die Nächstenliebe bleibt sogar der einzige Weg, Gott wirklich zu lieben, denn die absolute „Transzendenz“ kann für keinen Menschen zum Objekt werden, nicht einmal zum Objekt der Liebe! Wir können unsere Liebe zum Schöpfer nur dadurch zeigen, dass wir seine Werke lieben, und zwar mit einer „universalen Liebe“, die nicht durch unsere Wünsche und Bedürfnisse gelenkt und damit eingeschränkt wird!

Liebe meint ja immer ein „Transzendieren“, ein Überschreiten der Grenzen unseres Ichs. - „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ bedeutet dann, dass der Liebende die Grenze zwischen Ich und Du nicht mehr beachtet. Denn Liebe ist Eins-Sein, genauer gesagt Nicht-Mehr-Zwei-Sein.

Eine solche Liebe haben viele Mystiker beschrieben. In diesem vollkommenen Zustand ist Gottesliebe nicht mehr von der universalen Liebe zu allem Sein unterschieden. - Konkret wird diese Liebe freilich nur beim Nächsten greifbar, wo sie auch wirksam wird. - Die „allumfassende“ Liebe ist also nicht an wunderbaren Gefühlen erkennbar, die jemanden „in die Wolken schweben“ lassen! Sie ist nur echt im konkreten Mitfühlen, also im Einsatz für leidendes und bedrohtes Leben unserer „Geschwister“, damit Gottes Liebe durch uns auch sie erreicht. - Für Menschen ist es leider normal, dass sie - durch ihre Ängste befangen und für ihre wahre Bestimmung blind gemacht - die Stimme ihres innersten Wesens der Gotteskindschaft leicht überhören. Es bleibt für uns eine beachtliche Aufgabe, unsere Liebe über alle unsere Begrenzungen hinaus und ganz konkret wirksam werden zu lassen. Wenn wir Gott mit „Vater im Himmel“ ansprechen, öffnen wir uns dem Geist Jesu, der uns diese Grenzen überwinden hilft.
geloggt Offline
E-Mail E-Mail PrivatnachrichtPrivatnachricht
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Thema ausdrucken Thema ausdrucken

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Unser Vater im Himmel!“  

Thema Bewertung
Für dieses Thema existiert derzeit keine Wertung