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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Moderatoren: Weber
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„Unser tägliches Brot gib uns heute!“  Dieses Thema wurde bisher 2.961 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
16 Juli 2006, 16:10 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Unser tägliches Brot gib uns heute!“  -  Die Sorgen der Menschen

Mit den ersten Bitten des Vaterunsers haben wir uns in einen großen Zusammenhang eingefügt. Es wurde uns dabei bewusst, dass Gott uns überall mit seiner Liebe umgibt. Erst nachher, in dieser Bitte, kommt auch der Sprechende selber in den Blick. Er soll aber auch hier in der Gemeinschaft mit anderen bleiben und „wir“ sagen, denn im Angesicht des VATERS kann er seine Verbindung mit den „Schwestern und Brüdern“ nicht vergessen.

„Gib uns das tägliche Brot!“ - Auf den ersten Blick wundert man sich, warum Jesus diese Bitte überhaupt aussprechen ließ. Wollte er nicht alle bewegen, von materiellen Sorgen nichts zu halten? - Hören wir nicht seine Stimme: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Speicher und keine Scheune; denn Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel! - Seht euch die Lilien an: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, wie viel mehr denn euch, ihr Kleingläubigen! Darum fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! Euer Vater weiß, dass ihr das braucht. Euch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben.“ (Lk 12,22-31)

Realisten könnten natürlich über diese Schönfärberei den Kopf schütteln und auf Hungersnöte und Naturkatastrophen hinweisen. Da Jesus aber kein Träumer war, lohnt es sich doch, genauer hinzuschauen! - Warum hat er so unbekümmert über Gott geredet? Er hat sich auf jeden Fall darauf verlassen können, dass seine jüdischen Hörer Gott sich nicht wie einen Menschen vorstellen werden, der Vögel füttert. Es war ihnen nichts Fremdes, wenn Jesus in seinen Reden hinter natürlichen Vorgängen immer wieder göttliches Wirken sah. So konnte jeder verstehen, was er mit diesen Bildern sagen wollte.

Heute würde Jesus - unserer Vorstellungswelt entsprechend - vielleicht sagen: „Die Raben haben ihren Platz in Gottes Schöpfung, und deshalb sind sie imstande, ihre Nahrung selber zu finden! Auch die Lilien sind genetisch dazu bestimmt, im Dienst der Fortpflanzung für eine kurze Zeit so schön zu sein. An diesen Beispielen seht ihr, wie der liebende Schöpfer für alles gesorgt hat! Das gilt aber nicht nur für Pflanzen und Tiere. Die Natur hat auch die Menschen instand gesetzt, ihre Nahrung selber zu sichern. Sie sind mehr wert als Vögel und Pflanzen, und entsprechend haben sie auch viel differenziertere Möglichkeiten, ihr Leben zu sichern.“

Jesus hat in den Naturkräften des Lebens das Wirken des guten Schöpfers gesehen. Das ist der Kern dessen, was seine Anhänger später als „göttliche Vorsehung“ bezeichnet haben. Paulus formulierte es einmal so: „Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten“ (Röm 8,2. Um das Gemeinte richtig zu verstehen, möchte ich zwei Aspekte dieses Vorsehungsglaubens unterscheiden. Der erste ist die grundlegende Seinserfahrung Jesu: Gott ist für uns der liebende Vater, er ist der feste Grund unseres Vertrauens. Der zweite Aspekt ist unsere spirituelle Erfahrung: Wir können unseren Weg gehen, wenn wir darauf vertrauen, dass er kein Weg ins Ungewisse ist. Wir brauchen nur die richtige Spiritualität („Gott lieben“), und alles gereicht uns zum Guten, mag unser Weg auch durch manches Schwere und Schreckliche führen.

Jesus hat niemals behauptet, dass die Vorsehung uns auf wunderbare Weise aus dem Naturzusammenhang herausnehmen könnte! Für ihn war nur selbstverständlich, dass Gott da ist und in allem wirkt. Sein Wirken sah er z. B. nicht nur darin, dass die Menschen in der umgebenden Natur das zum Leben nötige finden, sondern auch darin, dass sie durch ihr Wissen und ihre Arbeit für sich sorgen können. Durch ihren „Glauben“ (=Vertrauen) haben sie sogar Zugang zu den guten, schöpferischen Kräften ihres Unbewussten, die ihnen unerwartete Eingebungen, an Wunder grenzende Zufälle und sogar Heilungen bescheren können. Hinter allen uns fördernden Möglichkeiten sah Jesus den Vater, der allen Lebewesen „Nahrung gibt“!

Es ist also geradezu Gottes Wille, dass die Menschen schon von Natur „auf Sorgen“ programmiert sind. Wir sind unentwegt damit beschäftigt, dass wir genug zu essen haben, uns kleiden können und auch alles andere finden, was uns nötig zu sein scheint. Das ist der Grund, weshalb wir diese Sorgen unbedingt in unser Gebet aufnehmen sollen. Wenn Jesus hier nur die Bitte um Brot ausspricht, steht dieses Wort selbstverständlich auch für alles andere, was wir zum Leben brauchen. Wir können dabei also ruhig an unsere leibliche und seelische Gesundheit denken, an gute Beziehungen und an die Liebe, an den sicheren Arbeitsplatz, sogar an persönlichen Erfolg im Beruf oder Studium. Und weil unser Leben letztlich mit der ganzen übrigen Welt verflochten ist, werden in unserem Gebet auch der Friede und das Wohl aller Menschen und der ganzen Natur nicht fehlen.

Wesentlicher Hintergrund aller Bitten bleibt freilich die nüchterne Einschätzung der Wirklichkeit: Gott bietet uns durch seine Schöpfung alles Nötige als Möglichkeit an, die wir durch unseren Einsatz erst verwirklichen müssen. Wenn jemand für seine Gesundheit, für den armen Nachbarn, für den Frieden usw. nur betet und nicht selber tut, was ihm möglich ist, hat er seine Zeit nutzlos vertan, denn Gott „wollte“ möglicherweise gerade durch ihn etwas für seine Gesundheit, für seinen Nachbarn oder für den Frieden „tun“! - Ich brauche also nicht nur das feste Vertrauen, dass mein Gebet erhört wird. Mein Gebet ist nur richtig, wenn ich die Erfüllung nicht nur von Gott erwarte, sondern auch bereit bin, für das Erhoffte selber zu tun, was ich nur tun kann. So sind eben die Rahmenbedingungen, die uns durch die Schöpfungswirklichkeit gesetzt sind. Ohne unseren ganzen Einsatz läuft wenig, aber trotzdem müssen wir oft genug spüren, dass wir zum Erfolg unbedingt den Segen „von oben“ brauchen. Deshalb sollen wir um diesen Segen bitten, auch wenn Gott schon weiß, was wir brauchen.

Natürlich brauchen wir Brot und vieles andere zum Leben, aber Jesus wies uns an, nur um das tägliche Brot zu bitten. Er wollte damit erreichen, dass wir unsere ganze Sorge beim Vater abgeben, denn die Sorge um die Zukunft könnte uns das Wichtigste rauben, die Sorge um das „Reich Gottes“. Eine solche Sorglosigkeit konnte er uns wortwörtlich vorleben, weil er als wandernder Prophet weder Vorräte noch eine Kreditkarte brauchte.

Da heute ein solches Leben „von der Hand in den Mund“ praktisch nicht möglich ist, wird in unserer Situation das Gleiche nicht mehr wörtlich gelten. Jesus hat ja selber nicht jede Vorsorge zurückgewiesen, da er davon lebte, dass die Menschen auch damals von Ernte zu Ernte eine Vorratshaltung betrieben. Eine vernünftige Vorsorge für die Zukunft, für die Gesundheit, für das Alter und gegen verschiedene Risiken in der heute üblichen Form gehört einfach dazu, was der Mensch selber zu tun hat. Gott schenkt ja alles durch natürliche Kräfte und nicht durch Wunder.

Aber die Jagd nach größtmöglichem Profit und Rendite ist lebensfeindlich, deshalb auch eine Sünde gegen die Natur, gegen die Mitmenschen, und sogar gegen das eigene Glück: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon!“ (Mt 6,24). Mit diesen Worten warnte Jesus davor, unsere Lebensenergie in den Dienst des Geldes zu stellen. Wer diesem „Mammon“ dient, meint damit die Risiken der Zukunft in den Griff zu bekommen, aber seine Rechnung vergisst das Wesentliche. Jesus will dagegen, dass wir nicht einmal die notwendigen Aufgaben des Lebensunterhalts mit unseren Sorgen beladen: „Sorgt euch nicht um morgen, denn der morgige Tag wird für sich sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage“ (Mt 6,34). Diese Haltung ist auch in unserer Zeit möglich. Das ängstliche Denken daran, ob uns auch morgen und später alles „klappt“, würde uns dagegen lähmen und erdrücken!
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