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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Führe uns nicht in Versuchung!“ Moderatoren: Weber
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„Führe uns nicht in Versuchung!“  Dieses Thema wurde bisher 2.810 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
16 Juli 2006, 16:13 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Führe uns nicht in Versuchung!“  -  Vertrauen in den Prüfungen

Sind diese Worte von Jesus formuliert?

Manche ernsthaften Christen sprechen diese Worte mit Unbehagen aus, denn sie mögen nicht an einen Gott denken, der ihnen eine Falle stellen könnte und vielleicht sogar missgünstig auf ihr Versagen wartet. Andere gehen gar nicht über das mechanische Hersagen dieser Worte hinaus, um lieber nicht daran zu denken, was sie da gesagt haben. Diese Worte scheinen so wenig zur Botschaft Jesu vom mütterlich liebenden Gott zu passen, dass der Zweifel begründet ist, ob sie überhaupt von ihm stammen. Viel eher könnte der Jakobusbrief echte Gedanken Jesu wiedergeben: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in die Versuchung kommen, Böses zu tun, und er führt auch selbst niemand in Versuchung. Jeder wird von seiner eigenen Begierde, die ihn lockt und fängt, in Versuchung geführt“ (Jak 1,13-14.17).

Wir dürfen hier freilich nicht vergessen, dass der heute bekannte Wortlaut unseres Gebetes nur die griechische Übersetzung von etwas ist, was Jesus in seiner aramäischen Sprache gesprochen hat. Könnte vielleicht der Übersetzer etwas missverstanden haben?

Der jüdische Gelehrte, Pinchas Lapide, hat darauf hingewiesen, dass eine Rückübersetzung dieses Satzes ins Hebräische das Problem ganz einfach klärt. Das entsprechende hebräische Wort kann nicht nur „bringen“ bzw. „führen“, sondern auch „kommen lassen“ bedeuten. So wird es bis heute in den Synagogen verwendet, etwa im Abendgebet, wo es heißt: „Lass mich nicht kommen in die Gewalt der Sünde, noch in die Gewalt der Schuld, noch in die Macht der Versuchung.“ - Wenn Jesus das entsprechende Wort benützt hat, konnte er nur gemeint haben: „Lass uns nicht der Versuchung erliegen!“ Der heutige Wortlaut „Führe uns nicht in Versuchung“ könnte demnach so entstanden sein, dass der Übersetzer ins Griechische, der mit den Anliegen Jesu nicht mehr ganz vertraut war, das betreffende Wort einfach mit seiner gängigsten Bedeutung wiedergegeben hat.

Was war für Jesus eine Versuchung?

Wir kommen dem Anliegen Jesu näher, wenn wir überlegen, in welchem Zusammenhang er von Versuchungen Gesprochen hat. Wenn Markus nach der kurzen Mitteilung über die Gotteserfahrung Jesu nach seiner Taufe vermerkt, dass Jesus in der Wüste „vom Satan versucht“ wurde, dann war der Gegenstand dieser Versuchung keine Sünde im geläufigen Sinn, sondern eine Verunsicherung seines Vertrauens in den Gott, der sich ihm als Vater gezeigt hat. Vor einer solchen Verunsicherung wollte er später auch die Jünger schützen, als er ihnen vor seiner Verhaftung sagte: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ (Mk 14,3. Das gleiche meinte er auch, als er zu Petrus sagte: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube (Vertrauen) nicht erlischt“ (Lk 22,31).

In allen diesen Fällen war die Versuchung etwas, was das Vertrauen in die Liebe Gottes auf die Probe stellte. Wenn wir auch noch bedenken, dass bei den Evangelisten das Wort „versuchen“ oft einfach „auf die Probe stellen“ bedeutet (Mk 8,11 u. öfter), wird es klar, wie wir diese Bitte zu verstehen haben: „Stelle unser Vertrauen nicht auf die Probe!“

Jesus wusste natürlich, dass das Leben unser Gottvertrauen vielfach auf die Probe stellt. Aus eigener Erfahrung des Hasses seiner Gegner und am Beispiel der Propheten erkannte er, dass auch sein Schicksal „Menschenhänden übergeben“ war (Mk 9,31). Auch er hatte, wie jeder Mensch, Angst vor drohenden Gefahren für Leib und Leben. Vor seiner Verhaftung hatte er diese Angst den Jüngern auch offen gezeigt und in seinem Gebet vor Gott gebracht. Seine Anrede war dabei: „Vater!“. Damit sprach er sein Vertrauen aus, um der eigenen Angst Herr zu werden. Dass sein Vater die drohende Katastrophe selber angeordnet haben könnte, das kam ihm gewiss nicht in den Sinn! Es steht doch in der Verantwortung der Menschen, was durch ihre Hände geschieht.

Der Glaubende weiß mit Jesus, dass Gott ihn in allen Ereignissen des Lebens begleitet. Dass diesem Gott kein Leid der Menschen entgeht, sagte Jesus mit dem Bild, dass ihnen sogar „die Haare auf dem Kopf gezählt“ sind (Mt 9,29-31). - Warum müssen sie trotzdem so viel Schreckliches erleben? Auf diese Frage wusste Jesus keine Antwort, da er auch keine bekommen hat. Aber er hat darauf vertraut, dass Gottes Liebe trotz allem Leid das letzte Wort behalten wird.

Unsere „Versuchungen“

Mit der Bitte „Stelle uns nicht auf die Probe“ lehrt uns Jesus, alles, was uns bedroht und beängstigt, als "Proben" des Lebens anzusehen und in unser Gebet aufzunehmen. Seine Worte sagen also nicht, dass Gott jemanden auch zur Sünde verführen könnte! Zur Sünde versucht uns nur die eigene Begehrlichkeit. Dass die eigene Begehrlichkeit den Menschen oft nicht bewusst war und deshalb wie eine fremde Stimme eingeschätzt wurde, lässt sich psychologisch erklären. Mag eine solche Stimme uns noch so stark bedrängen, kommt sie nicht von Gott, und nicht einmal vom bösen „Teufel“, der uns von außen bedrängen könnte.

Bei der noch folgenden letzten „Bitte“ werden wir zeigen, dass Jesus keinen bösen Geist kannte, der die Macht hätte, den rettenden Willen seines Vaters zu durchkreuzen. Für ihn stand fest, dass die Menschen – wenn es sich um Versuchungen handelt – weder von Gott noch von einem Teufel Angst zu haben brauchen. Besser als Angst ist es, Zuflucht beim himmlischen Vater zu suchen, der uns nicht fern ist: „Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so dass ihr sie bestehen könnt." (1Kor 10,13).

Diese Bitte zielt einzig auf den betenden Menschen, der Angst hat. – Sagen wir es gerade heraus: Ich habe Angst vor manchen schrecklichen Möglichkeiten, an die ich denke. Was könnte mir nicht alles zustoßen, was mein Vertrauen zum guten Gott bis zum Äußersten auf die Probe stellen würde? – Da Jesus diese Angst selber kannte, konnte er uns glaubwürdig zeigen, wie wir unsere gegenwärtige Not und alle Ängste vor der Zukunft vertrauensvoll in die Hände des „Vaters“ legen können. Er war ja überzeugt, dass alles von einem liebenden Gott erschaffen wurde, ohne den überhaupt nichts geschehen kann.

In diesem Punkt zeigt sich, ob ich wirklich „glaube“, das heißt meinem Schöpfer zutraue, dass er mit seiner Liebe alles („Gerechte und Ungerechte“!) erreicht und auch bei mir nicht abseits steht. Ich kann nichts Besseres tun, als in jeder Not an seiner Liebe festzuhalten und ihn um einen Ausweg zu bitten. – Wie aber dieser Ausweg zu sein hat, dafür ist meine Sorge nicht zuständig! Meine Angst würde mir leicht den Blick für das Richtige trüben, – und mein Festhalten an einer bestimmten Art der Gebetserhörung könnte mich sogar unfähig machen, eine andere Art Rettung anzunehmen, die vielleicht schon bereit steht. Gott erhört den, der sich ihm vertrauensvoll überlässt.

Wer in der Welt umschaut, kann freilich mit Recht fragen, ob es einen guten „Vater im Himmel“ überhaupt gibt, der einfach zuschaut, wenn mit seinen Kindern so viel Schlimmes geschieht? Diese schreckliche Frage bedroht nicht nur unser Vertrauen, sie bedroht auch das Gottesbild Jesu. Auf diese Bedrohung (Theodizeeproblem) möchte ich dieser Website (Themenstichwort: Glauben) bald noch zurückkommen. Hier will ich nur ganz nüchtern bemerken, dass kein Gottesbild das Absolute (den Urgrund des Seins) verstehbar machen kann. Wenn wir aber für das Unfassbare keine Begriffe haben können, erhalten wir doch die Möglichkeit, in einer tieferen Schicht unserer Seele zu erleben, dass das SEIN einfach GUT ist. Eine solche innere Erfahrung ist der Kern unseres Glaubens. Ohne sie könnte uns die gute Nachricht Jesu überhaupt nicht ansprechen, denn sie ist die Entfaltung einer solchen Grunderfahrung der alles umfassenden Liebe Gottes.
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Hadig
08 Dezember 2009, 12:02 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 7
Zitat: "Wir dürfen hier freilich nicht vergessen, dass der heute bekannte Wortlaut unseres Gebetes nur die griechische Übersetzung von etwas ist, was Jesus in seiner aramäischen Sprache gesprochen hat. Könnte vielleicht der Übersetzer etwas missverstanden haben?"


Ja. ich denke auch, dass der Übersetzer etwas falsch verstanden hat, denn niemals würde uns GOTT in Versuchung führen.

Aber wenn dem so ist, dann ist doch die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass diese Übersetzungsfehler noch sehr zahlreich in der Bibel vertreten sind, oder?
geloggt Offline
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