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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Brotvermehrung ( zu Joh 6,1-15) Moderatoren: Weber
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Brotvermehrung ( zu Joh 6,1-15)  Dieses Thema wurde bisher 1.863 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
28 Juli 2006, 18:46 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind, sagt man. Selbst heute im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt bedarf es noch der Wunder, wenn jemand selig- oder heiliggesprochen wird. Dabei wissen auch heidnische Religionen von Wundern zu berichten. Das Wunder ist also keineswegs ein typisch christliches Phänomen. Es ist auch gar nicht die Frage, ob es Wunder gibt, sondern eher wozu Wundergeschichten erzählt werden. Hier geht es also um die Erzählung der wunderbaren Brotvermehrung nach dem Johannesevangelium.

Alttestamentliche Vorlagen von Speisungswundern

Bereits im Alten Testament gibt es Speisungswunder. Von Mose wird z.B. berichtet, dass er die Israeliten auf dem Wüstenzug mit Manna (Ex 16) und Wachteln (Nm 11) speist. Und vom Profeten Elischa wird eine Brotvermehrung berichtet (2 Kg 4,42-44), die ganz deutlich in den neutestamentlichen Brotvermehrungen wiederzuerkennen ist. Die Brotwunder des Neuen Testaments sollen zeigen, dass Jesus noch größer ist als Mose und Elischa. Denn Elischa hatte mit 20 Broten 100 Leute gespeist, während Jesus mit 5 Broten 5000 Männer speist. Damit überbietet er die größten Gottesmänner des Alten Testaments – ein anschaulicher Beweis, dass Jesus der Größte ist.

Der heutige Evangelientext ist der Anfang der großen Brotrede (Kap 6) des Johannesevangeliums, in der Jesus selber sein Tun interpretiert und sich selber als das Brot des Lebens offenbart. So stellt es jedenfalls der Verfasser dar. Fünf Sonntage hintereinander wird nun in der Messe aus dieser Brotrede vorgelesen.

Johannes: nicht Historiker, sondern Theologe

Johannes, aus dessen Evangelium wir die Brotvermehrung gehört haben, hat Jesus aber gar nicht persönlich gekannt. Wie man seit langem weiß, hat er sein Evangelium erst 70 Jahre nach Jesu Tod verfasst. Es ist also völlig unklar, woher Johannes die Selbstoffenbarungen Jesu weiß, die er ja als wörtliche Rede niederschreibt. Es müssen Visionen oder ähnliches gewesen sein, die ihm die Erkenntnis gebracht haben, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Johannes ist wohl Zeuge einer bestimmten Glaubensrichtung oder theologischen Schule um die Jahrhundertwende. Deren Anliegen war es, Jesus als Sohn Gottes auf den Sockel der Verehrung zu heben. Auf diese Weise ist ein ganz neues Jesusbild entstanden.

Markus dagegen denkt anders von Jesus: da ist er der Freund der Armen und Kranken; er hat Mitleid, fühlt mit den Menschen, ist wie ein Bruder für alle. Von Jesu Gottessohnschaft weiß er nichts.

Allerdings hat die frühe Kirche das johanneische Jesusbild auf den ersten Konzilien legitimiert, hat ihm eine Berechtigung gegeben. Damit hat sie aber zugleich auch zugestanden, dass es nicht verkehrt ist, dieses oder jenes Jesusbild zu haben.

Toleranz im Neuen Testament

Ist das alles nur theoretischer Kram von Schriftgelehrsamkeit? Nein. Ich finde es großartig, dass im Neuen Testament Jesus- und Gottesbilder, die sich gegenseitig fast ausschließen, gleichberechtigt nebeneinander stehen. Gut, es hat damals noch keine römische Glaubenskongregation gegeben, sonst wäre das Markusevangelium wahrscheinlich aus dem Kanon der heiligen Schriften herausgeflogen. Das Johannesevangelium, das erst sehr spät und auf ziemlich obskure Weise entstanden ist und ein völlig anderes Jesusbild als das bis dahin gültige zeichnet, wird schon bald für alle verbindlich.

In der Entstehung des Neuen Testaments ist eigentlich sehr viel Toleranz für Glaubensvielfalt grundgelegt. Erst im Laufe der Kirchengeschichte wurde das Jesusbild einseitig festgezurrt und verbindlich gemacht. Und jeder, der etwas anderes sagte, wurde mit dem Bann belegt. Würde man heute die Toleranz, die im Neuen Testament selbst zu finden ist, wirklich leben, dann wären fast alle ökumenischen Probleme gelöst – zumindest käme man einen ganzen Schritt weiter. Wir betrachten die Bibel zu sehr als eine Theologie aus einem Guss. Das ist falsch. Sie ist eine Sammlung von Glaubenszeugnissen der unterschiedlichsten Art, und alle sind für wert befunden worden, an die Nachwelt überliefert zu werden. Theologie und Glaube im Gleichschritt, das geht nicht und das braucht nicht. Die Wahrnehmungen Gottes sind in jedem Menschen anders, und keiner kann darauf verpflichtet werden, wie er gefälligst über Gott zu denken hat oder wie er an Gott glauben muss.

Amen
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