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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Glaube  ›  „Ich glaube an den allmächtigen Vater“ Moderatoren: Weber
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„Ich glaube an den allmächtigen Vater“  Dieses Thema wurde bisher 1.912 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
23 August 2006, 18:09 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30
Wir haben bereits überlegt, was für uns das Wort „ich glaube“ (Credo) eigentlich bedeutet, nämlich dass ein Mensch sich gänzlich auf Gott verlässt. Dies möchten wir nicht aus dem Auge verlieren, wenn wir jetzt nach dem göttlichen Gegenüber dieses Vertrauens fragen wollen. Wenn wir also jetzt anfangen, oft gehörte Aussagen über Gott zu bedenken, möchten wir uns bewusst darauf konzentrieren, was diese Sätze für die Menschen bedeuten. Unsere Haltung steht hier in einem gewissen Gegensatz zum Apostolischen Glaubensbekenntnis, dessen Worte einen feierlichen Klang haben und über Gott etwas zu verkünden scheinen. Von uns Menschen ausgesagt klingt der erste Satz des Glaubensbekenntnisses dann etwas bescheidener: „Ich vertraue Gott, dem Vater“.

Gott der Vater

In den patriarchalen Gesellschaften des Altertums betonte das Wort „Vater“ nicht so sehr die biologische Rolle eines Mannes, sondern seine Stellung innerhalb der Familie, wo er nicht nur von den eigenen Kindern, sondern auch von der Frau und von den übrigen Mitgliedern der Hausgemeinschaft „Vater“ genannt werden konnte. Es bedeutete gleichzeitig „Herr“, was nicht nur ein schmückender Titel war, sondern eine echte Machtstellung bezeichnete. Wenn in der Antike Gott „Vater“ genannt wurde, dachte jeder sofort auch an seine allumfassende Machtstellung. Die Völker des Orients waren es gewohnt, die Macht ihrer Könige auf Götter zurückzuführen, aber andererseits auch ihre Erfahrungen mit den irdischen Herren wieder auf ihre Götter zu projizieren. Von solchen Projektionen blieb auch der Gott Israels nicht frei und wurde durchaus mit den Eigenschaften orientalischer Herrscher geschildert.

Das Auffallende in der Verkündigung Jesu war aber gerade seine völlig neue Akzentuierung des Gottesprädikats „Vater“. Der Gott, von dem er sprach, war kein „Vater-Herr“, sondern schlicht der „Abba“. Als „Abba“ wurde der Mann nur von den eigenen Kindern angesprochen, und das Wort klang familiär zärtlich, liebevoll, vertrauensvoll, wie bei uns etwa „Papa“. Mit der Bezeichnung als „Abba“ sprach Jesus also nicht die Machtstellung Gottes an, sondern seine natürliche und positive Beziehung zu den Menschen, die so vertrauensvoll vor ihrem Gott stehen können wie ein kleines Kind vor seinem „Papa“ (Dieses Gottesbild Jesu ist ausgeführt in: Peter Sardy, Jesus oder Paulus. s. Buchbesprechungen). In den Evangelien finden sich zwar als „Jesusworte“ auch einzelne Aussagen, die eine Willkürherrschaft Gottes andeuten, aber sie widersprechen offensichtlich dem Kern der Botschaft Jesu und erweisen sich damit als Produkte der späteren Gemeinde. Der Vater – wie Jesus ihn darstellt – ist zwar Herr seiner Schöpfung, gegen dessen Willen nichts geschieht, aber er hat freie Menschen geschaffen und die Welt in ihre Hände gelegt. Die Willkür ist jetzt die Eigenschaft dieser kleinen „Herren“, die damit viel Leid verursachen, während Gott, der einzige wirkliche Herr, völlig gewaltfrei bleibt. Er hat die Gesinnung eines Vaters, die nur auf das Wohl aller seiner Kinder zielt.

Gott und die Kirche

Jesus hielt allerdings an einem wichtigen Zug des patriarchalen Gottesbildes fest, und zwar an der einzig maßgeblichen Stellung des Vaters. Er ließ für die innersten (spirituellen) Angelegenheiten der Menschen nur eine einzige Autorität gelten: Gott. Nach ihm durfte ein Mensch auf diesem Gebiet  nicht einmal den Anschein erwecken, als hätte er eine Autorität. Auch wenn er seiner Sendung ganz sicher war, hat er den beginnenden Personenkult um die eigene Person unerwartet radikal abgewiesen. Als ein junger Mann ihn mit „Guter Meister!“ anredete, wies er ihn schroff zurecht: „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen!“. Deshalb besteht für mich auch kein Zweifel, dass auch folgendes Wort auf Jesus zurückgeht: „Ihr sollt auch niemand auf Erden euren Vater nennen, denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mk 10,18; Mt 23,9). In diesen Stellungnahmen Jesu sehe ich das Entscheidende, das am Anfang der Lehre über eine Kirche, die sich auf ihn beruft, stehen müsste. In der wirklichen, sich immer mehr patriarchal festigenden Kirche konnte diese klare Haltung Jesu nicht ernst genommen werden und wurde bald völlig in den Hintergrund gedrängt.

Gott die Mutter

Ähnlich in den Hintergrund treten musste auch, dass der „Abba“ Jesu ein durch und durch „mütterlicher Vater“ war. Da die religiösen Vorstellungen Israels stark von einem einseitig männlichen Gottesbild geprägt waren, haben die Jünger Jesu (allesamt Juden) diesen mütterlichen Zügen Gottes einfach keine Beachtung schenken können. Wie wichtig und notwendig aber diese jesuanische Korrektur des weiterhin hochgehaltenen patriarchalen Gottesbildes war, zeigte die Tatsache, dass die beliebten Muttergottheiten der verschiedenen antiken Völker mit der Ausbreitung des Christentums nicht einfach verschwanden, sondern lediglich durch den christlichen Kult der „Gottesmutter“ ersetzt wurden.

Erst heute sind wir imstande darüber zu reflektieren, dass jedes Gottesbild seine Grenzen hat, und zwar dort, wo es beginnt, in der menschlichen Seele lebensfeindliche Wirkungen hervorzurufen. Solche krankmachenden Wirkungen des gängigen Gottesbildes werden heute von Psychologen wie von Theologen beschrieben. Es würde auch nicht viel helfen, zum Ausgleich jetzt mehr über Gott als Mutter zu predigen, denn das Bild einer Mutter hat auch seine eigenen negativen Aspekte, etwa das Festhalten der Kinder und das Verhindern ihrer Emanzipation. Es ist notwendig, uns hier daran zu erinnern, dass die transzendente Gottheit mit keinem Bild zu erfassen ist und deshalb kein Gottesbild eine absolute Geltung beanspruchen kann.

Tatsache bleibt, dass die Menschen – zu ihrer seelischen Entfaltung – Gottesbilder benötigen; aber wie ein Mensch Gott „sieht“, das kann und muss sich im Laufe seines Lebens verändern. Das „bildlose Bild“ des transzendenten EINEN bleibt zwar zweifellos die geeignetste Chiffre der Gottheit für Menschen, die eine hohe Stufe der Reflexion oder mystische Einsichten erreicht haben, aber im Alltag denken wir auch nicht ständig an die Relativitätstheorie. Menschen müssen sich bei ihrem Fragen nach Gott  menschlichen Gefühlen, Vorstellungen und Begriffen anvertrauen – was sie dann auch ohne Preisgabe der Ehrlichkeit tun dürfen!

Gott und Menschenbild

Bei allen Überlegungen über die Gottesbilder sollte man nicht vergessen, dass sie, wenn sie das „Wesen“ der Gottheit auch nicht erfassen können, immerhin einzelne Aspekte unserer Beziehung zur Transzendenz ansprechen. Ihr Ertrag ist auf jeden Fall, dass wir von ihnen jeweils neue Ausblicke auf die Menschen gewinnen können. Wenn Jesus Gott „Vater“ nennt, sagt er damit konsequent auch etwas über die Menschen, denn die Vater-Kind-Beziehung setzt eine enge Verwandtschaft voraus. Den Menschen ist demnach ein hoher Wert und eine besondere Würde eigen. Sie sind keineswegs nur – wie unser naturwissenschaftliches Weltbild es nahe legt – Produkte des reinen Zufalls, wie der Sand am Meer. Sie sind auch nicht – wie die Berichterstattung mancher Medien es glauben machen könnte – eine „massa damnata“, ein Haufen von rücksichtslosen Egoisten, von denen nichts Gutes zu erwarten ist. In den Menschen ist – trotz des wenig schmeichelhaften Anscheins – etwas Großartiges, was sie der Gottheit ähnlich macht. Dieses „Göttliche“ sieht man ihnen nicht an; es ist ein „Geheimnis“, also etwas, was in den vier Dimensionen der naturwissenschaftlichen Welterklärung nicht erfassbar, aber für uns trotzdem eine grundlegende Realität ist. Ohne die Voraussetzung einer solchen „Würde“ wäre ein menschenwürdiges Leben gar nicht realisierbar, weil die Naturwissenschaften, die nur Beobachtungen sammeln und ordnen, damit überhaupt keine Möglichkeit haben, Werte zu begründen.

Aber wo lässt sich dieses Göttliche in den Menschen wenigstens erahnen? Meines Erachtens in ihrer geistigen Potenz und in ihrer Freiheit, insbesondere in ihrer „Freiheit zum Guten“. In diesem Punkt zeigt sich wieder einmal die tiefe Einsicht Jesu darin, dass er die Vater-Kind-Beziehung zwischen Gott und den Menschen nicht symmetrisch darstellt: Gott ist zwar ohne Bedingung der gute Vater, aber die Menschen sind nicht ohne Bedingung schon seine Kinder („Söhne“), sondern sie müssen sich als solche erst erweisen. Sie sind zwar an und für sich „böse“, aber sie können doch zu ihren Kindern gut sein und damit ein brauchbares Bild des „himmlischen Vaters“ abgeben. Sie neigen zwar zu Hass und Gewalt, aber sie haben trotzdem die Fähigkeit, sogar ihre „Feinde zu lieben“ (Mt 5,44-45; 7,11). Jesus wusste dabei nichts von einem Fluch („Erbsünde“), von dem die Menschen erst erlöst werden müssten, damit sie Gott ähnlich werden können; die Gotteskindschaft war für ihn einfach in der Reichweite menschlichen Strebens. Das christliche Denken müsste sich wieder viel mehr an diesem positiv-realistischen Menschenbild Jesu orientieren als an der unsäglichen Doktrin von der Erbsünde, die die sowieso bedrohlichen Gefährdungen der Menschen zu einem lähmenden Fluch erklärt.

Gott der Allmächtige

„Für Gott ist nichts unmöglich“ – so können wir es in der Bibel lesen. Dabei müssen wir bedenken, dass im Altertum der Begriff von Naturgesetzen noch nicht bekannt war; ein solcher Satz konnte also nicht mehr, als auf Ereignisse hinweisen, mit denen menschlich nicht zu rechnen war, etwa dass eine alte Frau noch schwanger wurde, oder „dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“. Jesus betonte seine Überzeugung, dass das Vertrauen zu Gott sogar das völlig Unerwartete erreichen kann, wenn es nicht durch menschliche Bedenken ausgebremst wird. Er betonte dies sogar mit einem völlig unrealistischen Bild: „Wenn jemand zu diesem Berg sagt: Hebe dich empor und stürze dich ins Meer!, und wenn er in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen“ (Mk 10,27; 11,23).

Wie er über die Allmacht Gottes wirklich gedacht hat, lässt sich aus den Evangelien nicht entscheiden. Der Evangelist Markus formuliert sein Gebet: "Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir!", aber bei Matthäus klingt das Gleiche schon viel zurückhaltender: "Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber", was voraussetzt, dass auch Gott nicht alles beliebig „machen“ kann (Mk 14,36; Mt 26,39). Ich sehe in beiden Versionen nur literarische Versuche, Jesu Vertrauen zu Gott und seinen inneren Kampf mit der Angst zu beschreiben. Er selber stand wohl nicht mit seiner ganzen Persönlichkeit hinter einer solchen Bitte, denn er hätte sich in der Dunkelheit unschwer einer Festnahme entziehen können. Er hat aber einen solchen Versuch nicht einmal ernsthaft überlegt, denn es war in ihm eine andere Stimme mächtiger, die trotz seiner Angst konsequent bleiben wollte, um noch einmal vor den Autoritäten seines Volkes zu seiner Botschaft zu stehen.

Das christliche Bekenntnis zum „allmächtigen Vater“ war im Anfang auch keine philosophische Aussage, sondern eine Selbstvergewisserung der Gläubigen. Die Betonung lag und liegt darauf, dass „unser“ Gott ohne Konkurrenz ist, dass seine Macht keine Grenzen kennt, dass wir deshalb unter seinem Schutz keinen Feind zu fürchten haben. Die theoretische Frage, was Gott „für sich“ kann bzw. nicht kann, stellen wir jetzt noch zurück, bis wir uns den Problemen des Leidens und des Bösen zuwenden werden. Dort wird sich zeigen, dass uns Tatsachen zwingen, von der Vorstellung der Allmacht Gottes Abschied zu nehmen.
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