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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Glaube  ›  Ist Gott der Schöpfer auch des Leids? Moderatoren: Weber
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Ist Gott der Schöpfer auch des Leids?  Dieses Thema wurde bisher 2.592 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
23 August 2006, 18:11 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30
Die Erfahrungen menschlichen Leids (z. B. in Krankheiten und Naturkatastrophen) berühren uns so stark, dass viele Menschen in dieser Welt keine gelungene Schöpfung sehen können. Wenn sie dann auch noch die christliche Botschaft von einem liebenden und allmächtigen Vater hören, empfinden sie die Diskrepanz zwischen dem verlangten „Glauben“ und der erlebten Wirklichkeit beinahe unerträglich. Wie kann denn ein guter Gott all dieses Leid wollen oder überhaupt nur ertragen, wenn er es doch mit seiner Allmacht auch leicht verhindern könnte? Diese schwere Frage (als „Theodizeeproblem“ bekannt) bleibt eine große Belastung des Gottesbildes und eine unbewältigte Herausforderung des christlichen Weltbildes. Zu dieser Frage habe ich in meinem Buch „Jesus oder Paulus“ (s. Buchbesprechungen) bereits einige Gedanken dargelegt, die ich hier nicht wiederholen will.

Es ist in der Tat so, dass wir eine menschliche Person, die so viel Leid bewusst herbeiführen würde, in keiner Weise rechtfertigen könnten. Ich hörte neulich einen Freund sagen: „Wenn ich den Schöpfer vor mir hätte, würde ich ihm sagen: Mein Lieber, das hast du aber schlecht gemacht!“ Ich habe dazu nur bemerkt, dass es sinnlos ist, einen „Gott“ auf diese Weise zur Rechenschaft ziehen zu wollen, denn einen solchen „Gott“ gibt es nicht! Wer so etwas sagt, müsste erst bedenken, dass er den wirklichen Gott gar nicht kennt.

Wenn wir mit dem menschlichen Leid ein Problem haben, dürfen wir die Suche nach Lösungen nicht bei Gott anfangen, den wir nicht verlässlich in unsere Gedanken „einbauen“ können. Wenn wir ehrlich vorgehen wollen, müssen wir zuerst solche Gesichtspunkte prüfen, die uns einigermaßen zugänglich sind – und das sind unsere eigenen Gedanken und Gefühle. Sie bilden ja die Voraussetzung auch für jemanden, der meint, dem „Schöpfer“ wegen mangelhafter Qualität seines Werkes Vorwürfe machen zu müssen. Wenn wir dann unser Denken und die ihm zugrunde liegenden Informationen analysieren, wird es uns zwar noch nicht die erwünschte Klarheit bringen, aber wir können entdecken, dass wir unsere Begriffe nicht einfach mit der Wirklichkeit gleichsetzen dürfen.

Wir fragen hier also nicht nach einer „wahrheitsgemäßen“ Beschreibung Gottes, sondern bescheidener nach unserem spirituellen Weg, mit dem Problem des Leides fertig zu werden. Wir fangen dabei mit der Frage an: Was können wir auf realistische Weise zur Klärung des Problems voraussetzen? – In unserer Zeit können wir nur von einem wissenschaftlich begründeten Weltbild ausgehen, das durch den Begriff der Evolution gekennzeichnet ist. In der biologischen Evolution – wie wir sie kennen – hat das Leid eine wesentliche Rolle und erscheint in mehreren Zusammenhängen:

Ohne Leid kein Leben

a) Wir können beobachten, wie einzelne Individuen und ganze Biotope auf äußere Einflüsse reagieren: Überfluss und Mangel wirken überall als regelnde Faktoren der Lebensprozesse. Bei höher organisierten Lebewesen (wie auch beim Menschen) geschieht diese Steuerung durch „Lust und Unlust“; d. h. sie werden – bildlich gesprochen – durch „Zuckerbrot und Peitsche“ zur Sicherung ihres Lebens getrieben. Schmerz und Leid erweisen sich dabei als wesentliche Teile eines „Programms“, denn sie liefern die reaktionsauslösenden Reize, die die Lebewesen dazu veranlassen, Gefährdungen ihres Lebens möglichst zu vermeiden. Diese Tatsache erweist Schmerz und Leid einfach als unentbehrlich zur Erhaltung des Lebens der Individuen.

b) Die Begrenztheit des Lebensraumes und der Nahrung führt unweigerlich zu Konkurrenzkämpfen, zum bereits sprichwörtlich bekannten „Kampf ums Dasein“. Dieser Kampf sichert das Weiterleben der jeweils besser geeigneten Individuen und führt – zusammen mit den zufällig auftretenden Veränderungen des Erbgutes (Mutationen) – zu immer differenzierteren und höher entwickelteren Arten. Auch dieser Kampf bringt unausweichlich viel Leid mit sich. Das Leid erweist sich damit wieder als unentbehrlich, diesmal für jede erfolgreiche Differenzierung, für jede Höherentwicklung des Lebens.

c) Eine weitere Quelle des Leids sind die Naturkatastrophen. Die Erdgeschichte zeigt, dass die Evolution bis zum Menschen keineswegs ohne Katastrophen  verlief. Man darf sogar vermuten, dass wiederholte Katastrophen sozusagen zum Drehbuch der Evolution der Biosphäre gehörten (z. B. beim Aussterben der Saurier), bis es am Ende – durch eine Reihe unwahrscheinlicher Zufälle – zum Erscheinen des Menschen kommen konnte. Und nichts deutet darauf hin, dass diese Geschichte schon zu Ende gekommen wäre.

Zusammenfassend  können wir sagen: Die nüchterne Beobachtung zeigt, dass das uns bekannte Leben ohne Leid und Tod genau so wenig denkbar sind, wie menschliche Freiheit ohne Irrtum und Fehler – was eine weitere große Quelle menschlichen Leids ist, die bisher nicht erwähnt wurde. Leid beherrscht überall die Szene, wo wir auch hinschauen. Wir sollten aber nicht die Augen davor verschließen, dass dies genau so wenig das Wesentliche des Weltgeschehens ist, wie die dreckigen Windeln das Wesentliche im Kinderwagen. Leid und Tod sind nur Begleiterscheinungen, bzw. ein notwendiger Preis des großen Wunders, das man Leben nennt. Den Wert dieses Lebens kann das Leid genau so wenig in Frage stellen, wie menschlicher Irrtum und Bosheit den Wert menschlicher Freiheit.

Revision des Gottesbildes

„Aber warum ist dieser schreckliche Umweg nötig, um zu den beachtlichen Ergebnissen der Evolution zu kommen?“ – könnte man hier einwenden. Müsste nicht ein liebender Gott auch andere Möglichkeiten finden und sie mit seiner Allmacht auch verwirklichen können?

Nun, wir können bestimmt nicht alle Zusammenhänge des Weltprozesses überblicken. Wir haben zunächst bescheiden unsere Erfahrung zur Kenntnis zu nehmen: „Die Welt ist so, wie sie ist“. Wenn wir die Tatsachen mit unserem Gottesbild nicht vereinbaren können, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder täuscht uns unsere Wahrnehmung und das darauf gebaute Weltbild, oder es stimmt etwas mit unserem Gottesbild nicht. Da unsere Wahrnehmung aber (nachdem wir sie kritisch geprüft haben!) das Erste ist, das wir ernst zu nehmen haben, müssen wir logischer und ehrlicher Weise zugeben, dass das geläufige Gottesbild den Test durch die Erfahrung nicht bestanden hat, dass wir also keine Ahnung haben, wie der „wirkliche Gott“ gedacht werden könnte. Die Ehrlichkeit verlangt von uns deshalb, Korrekturen an unserem Gottesbild vorzunehmen, und wenn seine Widersprüche überhaupt nicht zu vermeiden wären, sogar jede Vorstellung von einem Gott aufzugeben.

Mittelalterliche Philosophen haben Gott als die letzte Ursache dieser Welt definiert, der – selber unbewegt – alle Geschöpfe in Bewegung bringt. Diese „letzte Ursache“ sollte ein absolut vollkommenes Wesen sein, das in sich ruhend und für sich völlig genug ist. Ein solcher „Gott der Philosophen“ könnte allerdings keine Erklärung für unsere Welt bieten, denn mit der Erschaffung der Welt hätte er sich nur eine vollkommen unnötige Spielerei geleistet, wozu er natürlich keinen Anlass gehabt hätte. Die Erfahrung der Welt legt uns in keiner Weise nahe, auf die Existenz eines solchen – am Weltgeschehen völlig unbeteiligten – „vollkommenen Wesens“ zu schließen! Andererseits ist die Welt aber auch nicht so beschaffen, dass ihre Existenz aus sich heraus schon verständlich, d. h. als selbstverständlich und notwendig erscheinen könnte. Ihr Dasein verlangt nach einer Erklärung, die unser Verstand auch als einleuchtend anerkennen kann. Als Begründung für die Existenz der Welt könnte mir am ehesten eine zunächst unvorstellbare Wesenheit („Gottheit“)  einleuchten, die im Weltprozess sich irgendwie selbst verwirklicht, also aus sich heraus etwas entfaltet („ausdrückt“), was zu seinem Wesen gehört: die wirkliche Gottheit müsste also irgendwie „innig“ mit seiner Schöpfung verbunden sein und müsste auch wesentlich etwas mit den für uns unverständlichen Aspekten dieser Welt zu tun haben.

Was ist denn vor allem bemerkenswert unverständlich am ganzen Leid und an der von Menschen beklagten „Ungerechtigkeit“ in der Schöpfung? Vor der Kulisse der Evolutionsgeschichte (d. h. „wissenschaftlich“) betrachtet, ist doch alles begründet und selbstverständlich. Richtig auffallend ist allein die menschliche Auflehnung gegen die Herrschaft eines solchen „Schicksals“! Diese Auflehnung ist nicht nur ein Protest des betroffenen Opfers gegen den Schmerz, sondern wir sind auch innerlich überzeugt, dass hier ein Unrecht geschieht, dass so etwas in einer „richtigen“, in einer „gerechten“ Welt nichts zu suchen hat! Woher denn diese Vorstellung einer „gerechten“ Welt? Sie setzt einen Anspruch voraus, der gleichsam „natürlich“ besteht und deshalb keiner Begründung bedarf. Wer gibt uns denn die Sicherheit eines solchen „Glaubens“?

Der Apostel Paulus, der zweifellos auch mystische Erfahrungen hatte, sprach anschaulich von einer inneren Einsicht, projizierte sie zugleich nach außen und gab ihr eine theologische Deutung. Er schrieb, dass „die  gesamte Schöpfung seufzt und in Geburtswehen liegt“, d. h. unter seinem jetzigen Zustand leidet, aber dabei auf etwas Besseres ausgerichtet ist, nämlich auf eine Befreiung „zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,18-25). Eine solche Sehnsucht und Hoffnung auf einen möglichen oder sogar versprochenen Zustand der „Einheit“ („Paradies“, „Himmel“, „Nirwana“ u. a.) ist ein sehr wirksames Motiv vieler Religionen. Dieses Motiv zeigt, worauf es ankommt, um das unvermeidliche Leiden zu bewältigen: es ist die Hoffnung und die innere Überzeugung, dass alles Negative nur ein Übergang ist. Größte und vertrauenswürdigste Persönlichkeiten der Menschheit (Jesus, Buddha) haben mit ihrem Leben gezeigt, welche Tragkraft ein solcher Glaube hat.

Erfahrung des tragenden Grundes

Schauen wir nur auf Jesus: Für ihn war das Leid in der Welt nicht etwas, was vor allem zu erklären, sondern was schlicht zu überwinden war. Er fragte nicht „Wie kann Gott ...?“, er forschte also nicht nach Eigenschaften Gottes, die erklären könnten, was in der Welt für uns unerträglich erscheint. Er verließ sich auf seine große Erfahrung des Transzendenten, dessen „Zuwendung“ ihn „getroffen“ hat. Die einzige aussprechbare Mitteilung dessen, was er bei seiner „Taufe“ erlebt hat, war sein Sprechen von „Abba“, von unserem „ VATER im Himmel“, den man nur lieben – nicht aber durchschauen konnte! Er betonte einzig das Vertrauen zu Gott, auf den seine „Kinder“ sich verlassen können, den sie lieben können – auch wenn er der Unfassbare bleibt.

Das glaubende Vertrauen Jesu hat diese zwei Vorzüge: Wer sich – wie er – auf diesen VATER verlassen kann, bewahrt (intellektuell) die Transzendenz Gottes und glaubt zugleich (emotional) die Güte des unerklärlichen „Grundes“ seines Lebens. Ein solcher Glaube ist nichts anderes als die freie Entscheidung eines Menschen, den Sinn seines Lebens zu bejahen. Diese Entscheidung ist nur jemandem möglich, der in seiner tiefsten Seele – viel tiefer, als rationale Erwägungen reichen – sich auf einen liebenden Grund verlassen kann. Jesus forderte dazu auf und versicherte uns, dass ein solches Vertrauen möglich ist. Jemandem, der meint, er sei dazu nicht imstande, würde er einfach sagen, dass gerade er deshalb um dieses Vertrauen bitten soll: „Bittet, dann wird euch gegeben; klopft an, dann wird euch geöffnet!“ Jesus nennt allerdings auch eine Bedingung dazu: „Kehrt um!“, ändert euer Denken radikal, hört auf, weiter um euer „Ich“, um eure Selbstbehauptung, um eure Angst, um eure Interessen zu kreisen; öffnet euch für den Unberechenbaren, der euch liebt!

Wo finden wir den Punkt, von dem aus wir mit einem solchen „Glauben“ – wie mit einem Gleitschirm – von unserem Ich abspringen können? Auch wenn wir auf Vieles in der Welt mit Unverständnis oder sogar mit Empörung reagieren, finden wir doch Hinweise auf ganz andere Dimensionen. Es kann die Begegnung mit einem einmaligen Menschen sein, der Anblick des Sternenhimmels, einer Bergwiese oder von Kinderaugen, was jemanden so „berührt“, dass er eine große und tiefe WIRKLICHKEIT erahnt. Man kann nachdenklich werden, wenn man die Einfachheit der Naturgesetze zugleich mit der erstaunlichen Komplexität des Weltprozesses betrachtet. Auf mich persönlich machte die Erfahrung des „Geistes“ den größten Eindruck: Ich erlebte im eigenen Denken nicht selten eine „Macht“, die offensichtlich nicht auf rein materielle, biologische oder soziologische Faktoren zurückzuführen war.

Es wäre müßig, von mir hier den Beweis der Existenz von der Materie unabhängiger „Geister“ zu verlangen. Ich wage nicht einmal, für „Geist“ eine einwandfreie Definition zu liefern, außer der negativen, dass die von mir genannten Erscheinungen aus den Gesetzmäßigkeiten der „normalen“ Physik und Chemie nicht zu erklären sind. Ich weiß selbstverständlich auch von den beachtlichen Erfolgen der modernen Hirnforschung, die den Zusammenhang zwischen unserem Bewusstsein und Aktivitäten des Gehirns immer besser erhellen. Angesichts dessen, was ich „Geist“ nenne, erscheinen sie mir aber eher wie die Erfolge eines Kindes, das an meinem PC gerade entdeckt, wie das Drücken einer Taste mit dem Erscheinen eines Zeichens einhergeht. Wenn die Hirnforschung so weiter macht, wird sie noch mehr erklären können. Aber wie Menschen dazu kommen, solche Geräte zu erfinden, und erst recht, wie sie dazu kommen, etwa nach einer letzten Begründung der von ihnen erfahrenen Wirklichkeit zu suchen, das ergründen zu hoffen halte ich für eine kindliche Anmaßung von „ernsten“ Wissenschaftlern. Es bleibt aber eine unbestreitbare Tatsache: Es ist geradezu ein Kennzeichen der Menschen, dass sie Solches tun können! Sie erschaffen sich eine Kultur, die auch Philosophie und Musik produziert. Unter ihnen erscheinen „Geister“ wie Sokrates, Buddha und Jesus – oder auch Albert Einstein – und sie werden hoch geschätzt.

Ist eine Erkenntnis Gottes möglich?

Wir kamen zu diesen Gedanken auf dem Weg der Suche nach einer Korrektur des Gottesbildes, die die Erfahrung unserer leidvollen Lebenswirklichkeit möglicherweise von uns erzwingt. Wir sind soeben der Tatsache bewusst geworden, dass das Phänomen des GEISTES – zwar nicht aus der Materie erklärbar – aber genau so elementar zur Wirklichkeit gehört wie das Phänomen der Materie. Dann muss aber der für uns unerreichbare transzendente URGRUND dieser ganzen Wirklichkeit sowohl mit der erfahrbaren Materie wie mit dem erfahrbaren Geist tief und innig verbunden sein. Wenn ein Streiter für traditionelles Christentum dagegen protestiert, weil diese Vorstellung ja nach dem von ihm verpönten Pantheismus riecht, dann möchte ich bescheiden darauf hinweisen, dass unsere biblischen Vorfahren zu einer Zeit, da die ersten Feldzüge mit großen Schlachten die Menschen beeindruckten, ihre Gottheit als den „Herrn der Heerscharen“ bezeichneten. Wenn uns heute der GEIST beeindruckt, dessen Manifestation wir im Menschen – wie auch im Makro- und im Mikrokosmos – bewundern, kann es heute nicht anrüchiger sein, ihn als eine das All durchdringende geistige Macht (Potenz) sich vorzustellen.

Wenn wir diese – mehr erahnte als gekannte – Gottheit nicht nur „Urgrund allen Seins“, sondern auch „Weltgeist“ nennen, bleibt es uns dabei doch bewusst, dass wir damit keine greifbare Eigenschaft genannt und keine Definition geliefert haben. Dieser „Urgrund“, dieser „Geist“ ist einfach in allem da, was wir erfahren oder auch nur denken können. IHM können wir nicht ausweichen, auch wenn wir ihn nirgendwo unbezweifelbar als Tatsache „festhalten“ können. Mit unserer Neigung, möglichst alles zu untersuchen, möchten wir natürlich mehr über ihn wissen, denn davon könnten wir auch erhoffen, mit den Begrenzungen und Bedrohungen unseres Lebens besser fertig zu werden. – Können wir hoffen, dieses durch weitere Bemühungen erreichen zu können? – Meine Überzeugung ist, dass dazu spekulative Überlegungen allein nicht ausreichen. Die Welt als Ganzes, ihr möglicher Sinn, und erst recht die letzte Wirklichkeit, bleiben für unsere begriffliche (d. h. naturwissenschaftliche und philosophische) Analyse unzugänglich. Um die Zusammenhänge der Ganzheit  der Wirklichkeit zu erfahren, müssen wir uns schon tieferen Schichten unseres Selbst anvertrauen, denn der „Geist“ in uns beschränkt sich nicht auf das Bewusstsein.

Wir wissen von einzelnen, dafür besonders begabten Menschen (Mystikern), die behaupten, diese tiefste Wirklichkeit erlebt zu haben. Solche Menschen scheinen vom Leid nicht mehr so betroffen zu sein wie früher. Ihre Erfahrungen könnten wir nur zu leicht mit der kritischen Bemerkung beiseite schieben, dass ihre mystischen Erfahrungen ja nicht wiederholbar, also im wissenschaftlichen Sinn nicht verifizierbar sind. Aber müssen sie deshalb auch belanglos für uns sein? Müssen oder dürfen sie deshalb als Träumereien von Einzelnen entwertet werden? Sie könnten sich eines Tages (und vielleicht bald) als ein unentbehrlicher Schatz für unser Überleben und für die weitere Entfaltung der Menschheit erweisen. Auf jeden Fall sind sie Belege dafür, dass es neben der messbaren und berechenbaren „Wirklichkeit“ noch eine andere Dimension gibt, in der statt Leid schaffender Gegensätze die beglückende EINHEIT erfahren werden kann! Nur in dieser Dimension ist die entscheidende Erkenntnis – eine so genannte „Erleuchtung“ – zu gewinnen. Sie lässt sich nur nicht durch planmäßige Vorarbeit „erzeugen“. Das Entscheidende scheint immer als überraschendes Geschenk aufzutreten. Es lässt sich aber immerhin vorbereiten. In der Mystik erfahrene Menschen weisen auf verschiedene Wege hin, auf denen man sich mit seiner ganzer Kraft einzusetzen hat, um am Ende erst einmal meistens enttäuscht zu erleben, dass man das gesteckte Ziel aus eigener Kraft doch nicht schaffen konnte. Damit ist der Mensch aber nicht gescheitert, sondern schon bereit, ein unverdientes Geschenk anzunehmen. Eine Garantie hat er dafür allerdings nicht, wie auch schon über Mose berichtet wird, dass er – als er Gottes Herrlichkeit „sehen“ wollte – diese Antwort erhielt: „Ich gewähre Gnade, wem ich will!“ (Ex 33,19).
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