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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Lebe dein Leben!(Lk 7, 11-17) Moderatoren: Weber
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Lebe dein Leben!(Lk 7, 11-17)  Dieses Thema wurde bisher 1.177 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
02 Juni 2007, 17:14 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Das Wunder von der Auferweckung des Sohnes einer Witwe in Nain: Muss man das glauben? Kann man das überhaupt glauben? Wir tun uns oft schwer, die biblische Redeweise zu verstehen. Bemerkenswert ist, dass nur Lukas dieses Wunder erzählt. Verdächtig ist, dass seine Erzählung viele Ähnlichkeiten aufweist mit den beiden Toten-Erweckungen in den Königsbüchern des Alten Testaments. Die Propheten Elija und Elischa erwecken in ganz ähnlicher Weise junge Männer wieder zum Leben. Hat Lukas da etwa abgeschrieben oder alttestamentliche Vorlagen ins Leben Jesu hinein kopiert? – Lassen Sie mich etwas weiter ausholen.

Von der biblischen Sprache.
Jeder Mensch, der an Gott glaubt und von ihm begeistert ist, schwärmt auch von ihm – und zwar nicht nur im Herzen, sondern auch in seiner Sprache. Er sieht in allem Schönen und Guten Gottes Wirken. Und selbst im Elend dieser Welt weiß der Gläubige, dass Gott rettet. Wer von diesem Gott erzählt, tut das, indem er Geschichten von ihm erzählt. Da kommt es nicht auf Historie an, da arbeitet die Phantasie für Gott.

Ein Beispiel:  Die beiden Schöpfungsgeschichten am Anfang der Bibel sind aus der Sicht der Schreiben ein einziger Lobpreis auf Gottes gute Schöpfung. Dass Gott die Welt gemacht hat, ist für die biblischen Schriftsteller eine Binsenwahrheit; wie er sie gemacht hat, hat ihre Phantasie dazu gedichtet. Übrigens gehört die Bibel zu den größten dichterischen Leistungen der Weltgeschichte.

Natürlich wissen wir heute von den Naturwissenschaften, dass die Welt nicht so entstanden ist, wie in der Bibel beschrieben. Sogar in Rom weiß man das. (Nur noch nicht überall in Amerika, wo der biblische Fundamentalismus  im sog. Kreationismus fröhliche Urständ feiert. Amerika hat nicht nur auf diesem Gebiet Nachholbedarf.) Man spricht heute von Evolution und sieht darin keinen Widerspruch mehr zur biblischen Darstellung einer Schöpfung in sieben Tagen.

So ähnlich möchte ich auch das Wunder der Toten-Erweckung von Nain interpretieren. Der Evangelist Lukas ist fest davon überzeugt, dass Jesus einen Gott verkündet, der ein Gott des Lebens ist. Und darum erzählt Lukas eine Geschichte nach alttestamentlichem Vorbild, wo Jesus diesen Gott in seiner Eigenschaft als Gott des Lebens vorstellt. Die Sprache ist schwärmerisch, sie ist im wahrsten Sinne des Wortes wunderbar.  –
Wie trocken, unverbindlich und leblos ist dagegen die Sprache der Dogmatik – etwa im Glaubensbekenntnis. Da gibt es keine Geschichte, die gefangen nimmt, begeistert oder wenigstens zum Nachdenken anregt. Dogmatik ist der Tod des Glaubens.

Von der eigentlichen Botschaft.
Die eigentliche Botschaft der Geschichte von der Auferweckung des Jünglings von Nain ist ganz einfach. Lukas will sagen: Jesus zeigt euch, wie Leben gelingt; denn offensichtlich war das Leben beider, der Mutter wie des Sohnes, nicht gelungen.

Was sich so einfach anhört, ist in Wirklichkeit viel komplizierter. Zur Mutter sagt Jesus: Weine nicht! Er hat Mitleid mit ihr. Als Witwe hat sie ihren Sohn vielleicht mit zu viel Liebe und Fürsorge umgeben, dass diesem die Luft zum Leben ausgegangen ist. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn kann manchmal so eng und erdrückend sein, dass der Sohn das Leben verpasst: er ist für das Leben tot, bevor er gelebt hat. Und die Mutter, die alles so gut gemeint hat, hat in ihrer Liebe und Fürsorge ein gehöriges Maß an Eigenliebe und Egoismus versteckt. Vielleicht meint Lukas mit dem Mitleid, das Jesus zeigt, den Eigenanteil, den die Mutter am Tod ihres Sohnes hat. Es hätte nicht so zu kommen brauchen. –
Und dem toten Jüngling befiehlt (!) Jesus: Steh auf! Und das könnte heißen: Nimm endlich dein Leben selber in die Hand! Lebe dein eigenes Leben – ohne schlechtes Gewissen der Mutter gegenüber! Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn war letztlich für beide lebensfeindlich. Jesus entflechtet durch sein Tun diese buchstäblich tödliche Beziehung .Er gibt der Mutter den Sohn zurück, damit sie nun beide ihr Leben neu definieren und gestalten mögen. – Was Lukas in dieser Geschichte an Lebenswissen mitteilt, kann heutige Psychologie in Begriffen  und Gesetzmäßigkeiten ziemlich genau darstellen.

Von der Botschaft für mich.
Keine Botschaft der Bibel steht abstrakt im Raum, sondern ist immer Botschaft für mich und für dich. Und diese Botschaft lautet: Lebe dein eigenes Leben! Du darfst dich aus den Fesseln der Erwartungen und Ansprüche anderer an dich befreien. Du hast ein Recht auf dein eigenes Leben. – Und auf der anderen Seite gilt aber auch: Du darfst keinen daran hindern, dass er sein eigenes Leben lebt. Es gibt eine Liebe, die den anderen beherrschen will. Es ist nicht die Liebe, die Jesus vorgelebt hat.

Was mich immer wieder erstaunt, wenn ich solche biblischen Texte meditiere, ist das Menschenbild, das hinter solchen Geschichten steht. Da gibt es keine Über- oder Unterordnung, keine Herrschaftsstrukturen, die von Jesus gerechtfertigt würden, keine Hierarchie und keine Unterdrückung im Namen Gottes. Liebe und Freiheit, das ist es, was wir aus alledem lernen können.

Amen.          
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