Forum Einloggportal
Loginname: Einen Zugang registrieren
Passwort:     Passwort vergessen?

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Lasst euch nicht bevormunden! (Gal 5,1.13-18) Moderatoren: Weber
Mitglied(er) im Forum
Keine Mitglieder und 1 Gäste

Lasst euch nicht bevormunden! (Gal 5,1.13-18)  Dieses Thema wurde bisher 5.796 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Weber
21 Juni 2007, 18:26 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
Board Moderator
Beiträge: 210
Liebe Christen!

Der Brief an die Galater gehört zu den bedeutendsten des heiligen Paulus. Nach seinem Weggang aus Galatien versuchen dort nämlich judenchristliche Prediger einer extremen Richtung, auch den Heidenchristen wieder die alten jüdischen Gesetzesforderungen aufzuerlegen wie z. B. die Beschneidung. Als Paulus davon erfährt, schreibt er diesen leidenschaftlichen Brief und macht den Galatern unmissverständlich klar, zu welcher Freiheit sie berufen sind. Es ist gewissermaßen die Proklamation der Freiheit des Christenmenschen –
ein Text, der in der ganzen Kirchengeschichte, vor allem in der Reformation, Furore gemacht hat.

Dieser Text, den wir vorhin gehört haben, enthält drei Kernbergriffe, über die ich jetzt sprechen möchte. Es sind die Begriffe: Freiheit, Liebe und Geist. Sie hängen untrennbar miteinander zusammen. Sie gliedern zugleich meine Predigt.

Freiheit.
Paulus sagt sinngemäß: Lasst euch nicht bevormunden! Diese Entlassung in die Freiheit ist eigentlich eine Ungeheuerlichkeit. Denn damit widerspricht Paulus jenen Missionaren, die mit ihrer Gesetzesfrömmigkeit eine rückwärts gerichtete Theologie predigen. Es ist ein Richtungsstreit, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird. Paulus argumentiert, dass das Gesetz eine Knechtschaft darstellt, gewissermaßen eine Fremdbestimmung, der unbedingt zu widerstehen ist. Zur Freiheit, zur Selbstbestimmung seid ihr berufen. Dass Freiheit auch missverstanden werden kann im Sinne des Fleisches, d.h. der Sünde, das erwähnt Paulus im Nebensatz, aber das ist kein Argument gegen die Freiheit als solche, die ein hohes christliches Gut ist.

Übrigens ist diese Thematik heute genau so aktuell wie damals. Denn es gibt in der Religion immer die Tendenz, sich mit gut gemeinten Gründen zu versklaven, sich Regeln und Gesetzen zu unterwerfen in der Meinung, darin das Heil zu finden. Zwei Beispiele: Um Mitglied in der Heilsgemeinschaft Kirche zu sein, muss man Kirchensteuern zahlen. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, gilt als Ausgestoßener, als Ungläubiger, als Apostat. Als ob man durch Zahlung von Kirchensteuern das ewige Heil erkaufen könne! Oder: Liturgische Vorschriften schreiben den Ablauf des Gottesdienstes so penibel fest, dass – würde man alles beachten – die Messe steif, langweilig und unlebendig wäre. Die ursprünglich freudige Zusammenkunft zum Lob Gottes und gemeinsamen Mahl steht heute unter Gesetzesvorschriften, die sogar den Teilnehmerkreis begrenzen. Wir sind heute in unserer Kirche weit davon entfernt, die Freiheit, die Paulus verkündet, zu leben. Wir vermissen sie nicht einmal.

Liebe.
Paulus sagt: „Dient einander in Liebe! Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammen gefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (V. 13c.14). Die Liebe kommt aus dem Herzen, ist Ausdruck absoluter Selbstbestimmung, sie weiß, was jetzt und in diesem Augenblick für den Nächsten gut und richtig ist. Das aber kann kein Gesetz voraus wissen oder vor-schreiben. Das entscheidet allein das Herz, das liebt, und zwar ganz spontan. So wie Jesus aus Mitleid ganz spontan geheilt, Brot vermehrt, Sünden vergeben oder den Meeressturm beruhigt hat. Die Liebesethik steht im Gegensatz zur Gesetzesethik.

Viele Probleme gibt es heute in der Kirche, weil wir uns selbst versklavt haben: versklavt an die Tradition (was immer war, dürfen wir nicht ändern), versklavt an ein allzu wörtliches Bibelverständnis (in der Bibel aber steht geschrieben), versklavt an ein zu enges, weil zeitbedingtes Menschenbild. Die selbst angelegten Fesseln hindern die Kirche daran, dem Menschen heute gerecht zu werden. Darum kehren viele Gläubige ihr den Rücken. Sie sind deshalb nicht ungläubig. Sie sehen in der Kirche eher einen Verein der Traditionspflege, und manchmal schauen sie sich so ein Traditionsspektakel (Fronleichnamsprozession, Papstbesuch usw) gerne mal an, aber lebensgestaltende Impulse erwarten sie von ihr nicht mehr.

Geist.
Der dritte Kernbegriff in diesem Kapitel ist der Geist. Paulus sagt: „Lasst euch vom Geist Gottes leiten!“ (V. 16). „Wenn ihr euch von Geist Gottes führen lasst, dann steht ihr nicht unter dem Gesetz“ (V. 1. Der Geist Gottes bzw. der Heilige Geist ist sicher nichts Aufgesetztes, im Gegenteil: er bedient sich durchaus der menschlichen Vernunft. Was nach menschlichem Ermessen vernünftig ist, ist wohl auch nicht gegen den Geist Gottes. Also dürfen wir uns der menschlichen Vernunft bedienen, um die Probleme, die die Kirche heute ins gesellschaftliche Abseits gedrängt haben, zu lösen. Fragen wir doch ruhig mal: Welches Argument spricht eigentlich dagegen, dem Priestermangel zu begegnen durch die Zulassung von Verheirateten und Frauen zur Priesterweihe? Wir haben uns an Bedingungen versklavt, die der Gesetzesfrömmigkeit zuzuordnen sind. Welche Argumente hindern uns, in der Ökumene einen mutigen Schritt aufeinander zu zu gehen? Der evangelische Kirchentag in Köln hat gezeigt, dass in der ökumenischen Frage auf katholischer Seite absoluter Stillstand herrscht. Und auf evangelischer Seite wird darüber nicht einmal Unmut geäußert. Man respektiert sich eben gegenseitig. Allerdings klingt der Respekt eher nach Resignation. Wir haben uns an ein Eucharistie- und Amtsverständnis versklavt, das keinen Ausweg zulässt. Dagegen sagt Paulus ausdrücklich: Ihr seid zur Freiheit berufen, in Liebe das zu tun, was der Geist Gottes euch über eure Vernunft eingibt. Danach ist eigentlich alles möglich.

Das 5. Kapitel des Galaterbriefes, aus dem wir heute einige Verse gehört und meditiert haben, gehört zu den ermutigenden Texten, die aus der heutigen Kirchenkrise heraushelfen könnten. Das Problem sind nicht die böse Welt, nicht die ungläubigen Gläubigen, sondern die Angst vor der Freiheit. Schade. Die Freiheit ist ein Geschenk Gottes, das wir nur anzunehmen brauchen.

Amen.
geloggt Offline
PrivatnachrichtPrivatnachricht
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Thema ausdrucken Thema ausdrucken

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Lasst euch nicht bevormunden! (Gal 5,1.13-18)

Thema Bewertung
Für dieses Thema existiert derzeit keine Wertung