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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Sende Arbeiter in deine Ernte! (Lk 10,1-2) Moderatoren: Weber
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Sende Arbeiter in deine Ernte! (Lk 10,1-2)  Dieses Thema wurde bisher 1.207 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
30 Juni 2007, 21:40 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (10,2). Das Bild weckt Vorstellungen an polnische Spargelstecher, Tomaten- und Erdbeerpflücker oder an polnische oder rumänische Kranken- und Altenpflegerinnen, die zu Dumpingpreisen demenzkranke Alte rundum versorgen. Natürlich ist das nicht gemeint. Gemeint ist mit diesem Bildwort vielmehr die Arbeit, Jesus und das von ihm gepredigte Reich Gottes bekannt zu machen. Die Menschen warten darauf, wie die Erntefrüchte darauf warten, geerntet zu werden. Die Kirchen beanspruchen dieses Werben für das Reich Gottes als ihre ureigenste Aufgabe. Die Erntehelfer sind dann die Priester, von denen es viel zu wenige gibt. Darum „bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“. Und so beten die Gläubigen in Gebetskreisen, ganze Gemeinden und Klöster um Priesternachwuchs – doch mit wenig Erfolg. Der Priestermangel wird immer größer. Und auch das mit den Menschen, die darauf warten, als Ernte ins Reich Gottes eingebracht zu werden, scheint heute nicht mehr zu stimmen; eher das Gegenteil ist der Fall. Was läuft eigentlich verkehrt? – Drei Einschätzungen zu diesem sehr komplexen Thema:

1.     Der Priestermangel und der Mangel an Gläubigen bedingen sich gegenseitig.

Vor Jahren, als der Priestermangel deutlich spürbar wurde, war die Diagnose der Bischöfe eindeutig: die Familien sind schuld. Sie beten zu wenig, sie vermitteln den Glauben nicht mehr an ihre Kinder, sie sind selber ungläubig, kommen nicht mehr in die Kirche, sind zu materiell eingestellt und sind nur auf Vergnügen aus. Eine ganze Palette von Vorwürfen, die zugleich verhindern, über den kirchlichen Eigenanteil dieser Entwicklung nachzudenken. Denn dass die Familien geworden sind, wie sie sind, das hat bei noch relativ hohem Personalbestand in den Kirchengemeinden stattgefunden. Dass vielleicht auch Seelsorger oder seelsorgliche Konzepte diese Entwicklung begünstigt haben, darüber wurde nie geredet – zumindest nicht laut.

Inzwischen gehen der Kirche nicht nur die Seelsorger, sondern auch das Geld aus. Und jetzt wird gespart, was das Zeug hält. Die kleinen Gemeinden haben schon lange keinen Priester mehr, die großen werden auf Sparflamme versorgt. Kirche ist dabei, gesellschaftlich immer unbedeutender zu werden. Und wo keine Sendboten mehr ausgeschickt werden, kann auch keine Ernte eingebracht werden. Die Konzepte der Vergangenheit sind gescheitert: die ausschließlich männliche Klerikerkirche, die sich selbst feiert und den Laien nur zur Erhöhung der Feierlichkeit braucht, ist praktisch am Ende. Es ist an der Zeit, eine ehrliche und kritische Bestandsaufnahme zu machen, wo keiner verteufelt, aber auch nichts beschönigt wird. Zwar ist in letzter Zeit oft von einer neu erwachenden Religiosität gesprochen worden, doch ist bisher nicht erkennbar, dass die Kirche das neue Bedürfnis nach Religion an sich binden kann.

2.     Das Reich Gottes hat im 3. Jahrtausend ein anderes Gesicht als im 1. Jahrtausend.
Kirche kann keine starre Größe sein, die durch alle Jahrhunderte und Jahrtausende gleich bleibt. Kirche muss immer sein: Kirche für die betreffende Zeit. Und deshalb darf und muss sie sich mitprägen lassen von gesellschaftlichen Entwicklungen und auch vom wissenschaftlichen Fortschritt. Sie kann die Augen nicht verschließen vor Wandlungen des Menschenbildes, vor der Gleichberechtigung von Mann und Frau, vor den freiheitlich demokratischen Entwicklungen bei den Völkern dieser Erde. Es hat Zeiten gegeben, da hat die Kirche diese Entwicklungen sogar maßgeblich mitgestaltet, vor allem die Anfänge der Naturwissenschaften. Doch dann gab es Konflikte, und die Kirche isolierte sich vom Zeitgeschehen und konservierte sich selbst: ihre Strukturen, ihre Lehren, ihre Sicht der Welt und des Menschen. Das aber ist nicht gut, wenn sie die Menschen, die nun mal den Fortschritt vorantreiben, auf Dauer begleiten will. Was zum Beispiel in den ersten Jahrhunderten in der Kirche an Strukturen gewachsen ist, das kann zu Beginn des 3. Jahrtausends nicht tabu sein. Dasselbe gilt für die Sprache unseres Glaubens, die Dogmatik. Sie muss den heutigen Menschen im Blick haben mit seinen Fragen, mit seinem naturwissenschaftlichen Vorverständnis, mit seinen spezifischen Problemen. Der heutige Mensch hat seine Antennen anders ausgerichtet als die vor 2000 Jahren, und auf diesen Frequenzen muss Verkündigung heute gesendet werden, wenn sie ankommen soll. Wir kennen in profanen Gesellschaften die Gewaltenteilung und halten das für richtig, damit Gemeinwesen menschlich funktioniert. Doch das ist an der Kirche vorbeigegangen. In der Gesellschaft wird Macht auf Zeit vergeben und muss immer neu legitimiert werden, vor allem muss sie kontrolliert werden. Alles das ist der Kirche fremd. Doch die Menschen haben heute für solche archaischen Gesellschaftsstrukturen kein Verständnis. Die Strukturen sollen helfen, dass die eigentliche Botschaft von Jesus und dem Reich Gottes ankommen. Strukturen sind nie Selbstzweck.

3.     Die Bewältigung der Krise verlangt ein radikales Umdenken.

Wenn man sich mal von der Fessel der Unveränderbarkeit der Kirche frei macht, dann ist natürlich alles möglich. Dann ist eine Kirchenstruktur denkbar, wo die Führungsämter nicht nach dem Geschlecht, also männlich oder weiblich, vergeben werden, auch nicht nach dem Stand, also verheiratet oder unverheiratet, sondern allein nach Kriterien der Qualifikation. Das täte der Kirche gut. Dann wäre es auch denkbar, dass Jugend eine größere Rolle spielt als bisher. Bisher ist Jugendarbeit weitgehend Betreuung auf der Spielwiese – wenn die Spielwiese nicht ohnehin wegen Personalmangels geschlossen ist, also gar nicht stattfindet.  Viele Jugendliche sind heute so aufgeschlossen, begeisterungsfähig und begabt, dass sie gut und gerne Impulse in „ihre“ Kirche der Zukunft einbringen könnten. Es wäre auch denkbar, dass Laien in der Kirche an Entscheidungsprozessen gleichberechtigt teilnehmen und auch im Gemeindeleben viel mehr Verantwortung übertragen bekommen. Weiter könnte ich mir vorstellen, dass die Liturgie lebensnäher gestaltet würde, dass antiquierte Vorstellungen aufgegeben würden, dafür heutige Erfahrungsbilder eingebracht und die Sprache grundlegend neu überdacht würde. Liturgie muss allen Spaß machen und nicht nur denen, die auch sonst gern ins Museum gehen. Was ich auch für unverzichtbar halte, ist, dass die christlichen Konfessionen nun endlich ihre gegenseitigen Abgrenzungen aufgeben und gemeinsam Zeugnis ablegen für das, was ihnen wichtig ist. Als wenn Jesus auch nur im Entferntesten die Spitzfindigkeiten gutheißen würde, an denen die Kirchen heute ihre Trennung festmachen. – Ich will es bei diesen Beispielen belassen.

Der Priestermangel ist keine Erscheinung, die man isoliert betrachten kann, er ist Teil eines mangelhaften Erscheinungsbildes unserer heutigen Kirche. Das II. Vatikanische Konzil, von Papst Johannes XXIII. einberufen, hatte Impulse gegeben, um die Kirche fit für die Zukunft zu machen. Diese Impulse sind nicht wirklich aufgenommen worden. Das II. Vatikanum hat Weichen gestellt, die nachher nicht befahren worden sind. Heute droht die Zeit über uns hinweg zu gehen und die Kirche zu einer bedeutungslosen Sekte werden zu lassen – wenn nicht bald ein radikales Umdenken erfolgt.

Amen.  
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