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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Wege zum Vater (Jo 14, 1-6) Moderatoren: Weber
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Wege zum Vater (Jo 14, 1-6)  Dieses Thema wurde bisher 1.547 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
06 April 2008, 16:07 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Was wir soeben gehört haben, ist ein Abschnitt aus dem Johannesevangelium gewesen. Für die meisten Kirchenbesucher ist das Johannesevangelium einfach eines von den insgesamt vier Evangelien, ohne dessen besondere Eigenart zu kennen. Und so möchte ich Ihre Aufmerksamkeit für kurze Zeit mal lenken auf den grundlegenden Unterschied zwischen dem Johannesevangelium einerseits und den anderen drei Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) andererseits, den sog. Synoptikern.

1.     Der Unterschied zwischen dem Jesus des Johannesevangeliums und dem der synoptischen Evangelien
Das Johannesevangelium ist erst rund 80 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu geschrieben worden. Dazwischen liegen also mindestens zwei oder mehr Generationen. Da kann sich Vieles ändern im Denken und Reden über Jesus. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass das Johannesevangelium den Jesusglauben der griechisch sprechenden Christen in Jerusalem zur Sprache bringt, der sog. Hellenisten, das sind die Christen, die vorher Heiden waren. Und die denken anders als die Judenchristen.

Markus, Matthäus und Lukas sind Judenchristen. Sie stellen in ihren Evangelien Jesus als den im Alten Testament angekündigten und erwarteten Messias dar. Der steht also in der Tradition der jüdischen Heilsgeschichte. Danach hat Jesus in besonderer Weise den Geist Gottes empfangen, und zwar in der Taufe, bei Lukas sogar schon seit der Empfängnis. Dieser Geist Gottes begründet und bewirkt die Sendung Jesu. Er predigt, er heilt, wirkt Wunder, hat Mitleid mit den Menschen und sammelt Freunde um sich. Er spricht vom nahen Reich Gottes und meint damit die unendliche Liebe Gottes, die uns näher ist als wir uns selber. Damit macht er sich jedoch unbeliebt bei denen, die auf die Einhaltung des Gesetzes pochen; denn die Menschen sollen sich erst mal das Wohlwollen Gottes verdienen. Es kommt zum Konflikt, der Jesus ans Kreuz bringt. Doch der Vater rettet seinen Sohn aus dem Tod und erhöht und verherrlicht ihn zu seiner Rechten. Jesus: ein wirklicher Menschensohn.

Wie anders ist dagegen das Jesusbild des Johannesevangeliums. Da ist bereits im Prolog Jesus der Christus „der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht. Er hat Kunde gebracht“ (1,18). Es ist ein Jesusbild, das – aus der Perspektive Gottes – sich selber erklärt: „Ich bin das Licht der Welt.“ „Ich bin das Brot des Lebens.“ „Ich bin die Tür.“ „Ich bin der Weinstock.“ „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ Sicherlich sind das alles keine Originalzitate aus dem Munde Jesu, sondern es handelt sich um ein kreatives Jesusbild philosophisch-spekulativ denkender Hellenisten.

2.     Einheit in der Unterschiedenheit
Es gibt also bereits innerhalb des Neuen Testaments zwei ganz unterschiedliche Jesusbilder, geformt aus unterschiedlichen Denktraditionen und dem Verstehenshorizont einer nicht-jüdischen Menschengruppe angepasst. Die frühe Kirche sieht darin keine Bedrohung der Einheit, sondern eine Bereicherung des Zeugnisses. Beide Traditionen werden gleichermaßen wertgeschätzt, indem sie beide in den Kanon der heiligen Schriften verbindlich für alle Zeiten aufgenommen werden. Auf diese Weise wird deutlich, dass das Christentum keine jüdische Sekte werden oder bleiben wird, sondern die Kraft hat, sich in kulturellem Neuland auszudrücken und zu bewähren. Die zentrale Rolle auf dem Weg zum Vater bleibt in jedem Fall Jesus vorbehalten. Das haben die jüdische und die hellenistische Sichtweisen gemeinsam.

Im heutigen Evangelium geht es ja ganz einfach um den Abschied Jesu aus dieser Welt. Jesus geht zum Vater und will uns am Ende eben dorthin bringen. Für diesen einfachen Vorgang gibt es unterschiedliche Bilder – im jüdisch-christlichen Denken wie in den hellenistischen Vorstellungen. Und das ist berechtigt.

3.     Bleibende Aufgabe
Was im Neuen Testament zu beobachten und m. E. vorbildlich gelungen ist, nämlich die Neudefinition des Glaubens in einer anderen als der jüdischen Kultur, das muss immer wieder versucht werden: in jeder Zeit neu, in jeder Kultur neu, in jeder Ortskirche neu. Kirche darf sich nicht abschotten und mit dem Argument der Reinerhaltung des Glaubens Blockaden aufbauen, die den Zugang zu Gott durch Jesus erschweren. Die Menschen haben ein Recht darauf, ihr eigenes Denken, ihr Lebensgefühl, ihre spezifischen Sorgen und Lebensprobleme, ihre veränderten Denkansätze und Lebensbedürfnisse in den Glauben einzubringen. Die Religion ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir noch eine ökumenische Anmerkung. Die Vielzahl der christlichen Kirchen kann nicht nur Ärgernis sein, sondern darf auch positiv gesehen werden als Versuch, auf vielerlei Weise Menschen an Jesus heran zu führen. Ein Ärgernis ist das Gerangel um Macht und Einfluss und Herrschaft, was dem Geist Jesu widerspricht. In der Ökumene – will sie nicht weiter auf der Stelle treten wie seit Jahren – sind jetzt endlich mutige Schritte nötig. Dass sie möglich sind, dafür haben viele Theologen seit langem die Vorarbeit geleistet. Jetzt ist das kirchliche Amt gefordert, die geebneten Wege nun endlich zu beschreiten.

Amen.

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