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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Zweideutiges Zeugnis (Mt 16, 13-20) Moderatoren: Weber
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Zweideutiges Zeugnis (Mt 16, 13-20)  Dieses Thema wurde bisher 1.592 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
25 August 2008, 20:31 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Die ersten drei Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) erzählen weitgehend dasselbe. Das Markusevangelium ist das älteste und kürzer als alle anderen. Matthäus und Lukas haben, als sie ihre Evangelien schrieben, den Text des Markusevangeliums offensichtlich gekannt, vielleicht sogar vieles abgeschrieben. Es ist nun interessant, die drei Evangelien miteinander zu vergleichen. Da sind die Übereinstimmungen bedeutsam, aber noch bedeutsamer sind die Unterschiede. Am Beispiel des heutigen Evangelientextes nach Matthäus möchte ich mal die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede darstellen und deuten.

Alle drei Evangelisten berichten, wie Jesus seine Jünger fragt: „Für wen halten mich die Leute?“ Dann folgen die Antworten fast übereinstimmend: „für Johannes den Täufer, für Elias oder einen anderen Propheten.“ Dann fragt Jesus: „Für wen haltet ihr mich?“ Da antwortet Petrus: „Du bist der Messias.“ Wir halten das für eine gute Antwort. Um so erstaunlicher ist die Reaktion Jesu: „Dann verbot er den Jüngern streng, irgend jemand zu sagen, dass er der Messias sei.“ Mit anderen Worten: Presst mich nicht in dieses Klischee, denn es ist falsch. In der Tat erwarteten die Juden damals als Messias einen politischen und militärischen Supermann, der die römischen Besatzer vertreiben und das alte Reich wiederherstellen würde. Damit aber wollte Jesus nicht gleichgesetzt werden. Wie gesagt: alle drei Evangelien berichten fast gleich lautend diesen Hergang. Einzig Matthäus schiebt nach dem Bekenntnis des Petrus, dass Jesus der Messias sei, ein großes Lob und die große Verheißung ein: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.“ Nach diesen starken Worten ist es schier unverständlich, wenn es im nächsten Satz heißt: „Dann befahl Jesus den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Messias sei.“ Der ursprüngliche Zusammenhang ist gesprengt. Die Bibelwissenschaftler sprechen von einem späteren Einschub. Es stehen sich hier zwei unterschiedliche Messias-Bilder gegenüber: eines, mit dem Jesus nicht identifiziert werden will, weshalb er dessen Verbreitung verbietet, und ein zweites, an das Jesus die große Verheißung anfügt. Offensichtlich hatte Petrus in der Gemeinde des Matthäus eine besondere Bedeutung, und die sollte herausgehoben werden. Allerdings ist die Einpassung des Einschubs nicht sehr gelungen.

Diese starke Verheißung an Petrus an dieser Stelle des Evangeliums ist auch schon deshalb wenig glücklich, weil im selben Evangelium – nur drei Verse weiter (wir hören es am nächsten Sonntag) – Jesus zu Petrus sagt: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Das stimmt übrigens wieder haargenau mit der Vorlage des Markus überein. Es ging da um den Einwand des Petrus auf Jesu Leidensvorhersage. So etwas dürfe nicht eintreten, hatte Jesus gemeint.

Wir sehen: das Zeugnis des Petrus über Jesus ist im Matthäusevangelium  ausgesprochen doppeldeutig. Bis heute weiß keiner, warum dieser Einschub mit der großen Verheißung an Petrus ins Matthäusevangelium gemacht wurde und wo sein eigentlicher Ursprung liegt. Es sind nur drei Verse, die allerdings Geschichte gemacht haben. Sie – und nur sie – wurden zur biblischen Grundlage einer sich im Laufe der Zeit immer mehr aufblähenden Papst-Idee (um nicht zu sagen: Papst-Ideologie). Aus diesen drei Versen wurden alle Vorzüge des Petrus bzw. des späteren Petrus-Amtes hergeleitet – angefangen vom Primat bis zur Unfehlbarkeit. Kein Wunder, dass evangelische Christen, die sich ja nicht minder der Bibel verpflichtet fühlen, im Papsttum der katholischen Kirche eine Überinterpretation der Verheißung an Petrus sehen. Und so bleibt das Papsttum eines der größten Hindernisse in den ökumenischen Bemühungen.

Um in der Ökumene weiter zu kommen, bedarf es der Klärung noch vieler Fragen, die sich aus dem heutigen Evangelientext ergeben. Ich will einige nennen:
1.     Wie sieht das Messias-Bild aus, zu dem Petrus sich bekennt und das mit der großen Verheißung belohnt wird? Es ist offenbar nicht das Messias-Bild, von dem Jesus sich distanziert. Das herauszuarbeiten wäre ein überkonfessionelle Aufgabe der Bibeltheologie.
2.     Die Verheißung Jesu gründet sich auf das persönliche Glaubensbekenntnis des Petrus. Ist damit schon die Gründung eines Petrus-Amtes für alle Zeit gegeben, die Gründung einer Institution, der ohne Bindung an einen persönlichen Glauben alle Verheißungen gelten? Um diese Klärung werden sich die Dogmatiker bemühen müssen; denn die Bibel gibt da keine Anhaltspunkte.
3.     Hat Jesus mit der Verheißung „die Mächte der Unterwelt werden die Kirche nicht überwältigen“ wirklich die Unfehlbarkeit eines institutionalisierten Papst-Amtes gemeint? Das lässt sich biblisch nicht klären. Da müssten schon die Kirchenhistoriker den Nachweis erbringen, dass päpstliche Entscheidungen in der Geschichte der Kirche tatsächlich immer unfehlbar waren. Und das wird schwer nachzuweisen sein.
Es wird in der Ökumene keinen entscheidenden Durchbruch geben, wenn sich die katholische Kirche in dieser Frage nicht bewegt. Ob sie sich bewegt, hängt auch von der Großwetterlage ab, wie viel Forschungsfreiheit und Lösungsideen in der Kirche zugelassen werden. Unter Papst Johanns XXIII. war die Großwetterlage günstig, heute ist sie es weniger. Aber das kann sich schnell ändern – so schnell wie Sonne auf Regen und der Frühling auf den Winter folgen.

Amen.

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