Forum Einloggportal
Loginname: Einen Zugang registrieren
Passwort:     Passwort vergessen?

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Schafe ohne Hirt (Mk 6,34) Moderatoren: Weber
Mitglied(er) im Forum
Keine Mitglieder und 2 Gäste

Schafe ohne Hirt (Mk 6,34)  Dieses Thema wurde bisher 2.912 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Weber
10 Juli 2009, 18:35 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
Board Moderator
Beiträge: 210
Liebe Christen!

Der letzte Satz des Evangeliums hat sich in meinen Gedanken fest gekrallt: „Als Jesus ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Drei Gedanken möchte ich an diesen Vers anschließen – kritische Gedanken gegen das Schönreden der gegenwärtigen Kirchenkrise.

1.     Zur Problematik des Bildes von Hirt und Herde
Wir wissen, was gemeint ist, wenn Jesus von Hirt und Herde spricht. Er greift ein alttestamentliches Bild aus der Viehzüchter-Kultur auf, um die liebevolle Sorge Gottes für sein Volk auszudrücken. Längst haben wir uns daran gewöhnt, Jesus als den guten Hirten zu sehen (er selbst hat sich ja so bezeichnet), der die seinen kennt oder sein Leben für sie hingibt. Und in einem abgeleiteten Sinn ist der Priester der Hirt seiner Gemeinde – deshalb nennt man ihn ja auch Pastor, d.h. Hirte.

Das Bild genießt heute jedoch nicht mehr die eindeutig positive Zustimmung der Gläubigen wie zur Zeit Jesu. Es ist ein patriarchalisches Bild, wo einer der Sorgende ist und alle Anderen die Versorgten sind. So hat man früher in der Religion und im Gemeinwesen gedacht. Heute sind wir uns in Kirche und Gesellschaft bewusst, dass ein jeder Sorgerechte und Sorgepflichten hat und damit nicht nur Versorgungsempfänger ist – es sei denn im Alter. Trotzdem ist das Bild von Hirt und Herde immer noch positiv besetzt. Aber man muss es weiterentwickeln, wie sich die gesellschaftlichen Strukturen ja auch weiter entwickelt haben. Und auch die Theologie darf da nicht unbeweglich am Alten festhalten, sondern muss die Verantwortung, die früher der Eine (Pastor z.B.) hatte, heute auf viele ausdehnen. Konkret heißt das etwa: die Kirchengemeinde mit dem Pastor an der Spitze muss sich wandeln von der versorgten zur mitsorgenden Gemeinde. Die Gläubigen in den Kirchengemeinden haben das längst begriffen und praktizieren ja auch diese Mitverantwortung in den zugestandenen Grenzen. Wer das noch nicht begriffen hat, sind die Bischöfe. Sie billigen den sog. Laien nicht zu, dass sie in der Seelsorge und Gemeindeleitung wirklich verantwortlich mitentscheiden. Für die Kirchenleitungen sind die Laien immer noch dumme Schafe.

2.     Gemeinden  ohne Hirten
„Sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ So stellen sich heute im gesamten europäischen Raum die Kirchengemeinden dar. Der Priestermangel ist enorm, und er wird sich in den nächsten Jahren rasant verstärken. Dabei ist der Mangel ein hausgemachtes Problem. Verstehen Sie, warum ein verheirateter Mann für das Priesteramt ungeeignet sein soll? Jesus hat solche Forderungen nicht gestellt. Petrus, nach unserem Verständnis der erste Papst, war verheiratet, als Jesus ihn berief. Jesus hat nämlich seine Schwiegermutter geheilt – wie die Bibel berichtet. Oder warum sollten Frauen, nur weil sie Frauen sind, für das Priesteramt disqualifiziert sein? Solange unsere Kirche unfähig ist, ihre eigenen Strukturen weiter zu entwickeln, wird es mit ihr bergab gehen. „Als Jesus ….die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Hätten doch auch unsere Bischöfe Mitleid mit den Gemeinden, die keinen Pastor mehr haben!

Das Ziel ist nicht, die Kleriker-zentrierte Kirche, wie sie vor fünfzig Jahren war, wieder herzustellen. Ziel muss sein, die Laien mit voller Verantwortung mit einzubinden. Trotzdem brauchen wir mehr Priester, um den Beruf attraktiv zu erhalten. Denn was einem Pfarrer heute aufgebürdet wird, ist abschreckend für junge Leute, die vielleicht Freude daran hätten, wirklich Seelsorger zu sein. Und den Priestermangel als Willen Gottes schön zu reden, wie es mittlerweile üblich ist, halte ich für gotteslästerlich.

3.     Gemeinden ohne Schafe
Es heißt im Evangelium: „Die Leute liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin (wo Jesus und die Zwölf mit dem Schiff hinfuhren) und kamen noch vor ihnen an.“ Das ist nicht mehr unsere Situation. Die Leute rennen nicht mehr in diesen Scharen zur Kirche, sondern eher das Gegenteil ist der Fall: sie laufen der Kirche davon. Warum? Das hat viele Gründe, die ich hier gar nicht in der Kürze einer Predigt aufzeigen kann. Aber eines ist klar: wir brauchen heute eine nachgehende Seelsorge; eine Seelsorge, die dem Einzelnen nachgeht, um ihn ins Boot zurück zu holen. Das ist nicht einfach. Denn wer einmal gegangen ist, hat sich mit dem Thema Glauben und Kirche mehr auseinander gesetzt als der Pastor oder Gemeindeleiter mit der Frage, warum da wohl einer gegangen ist.

Keine bequemen Gedanken habe ich da geäußert. Ist auch nicht meine Art. Eine Predigt, die man vergessen hat, wenn man die Kirche verlässt, hätte man sich auch sparen können. Jesus war radikaler. Das machte seine Glaubwürdigkeit aus.

Amen.

geloggt Offline
PrivatnachrichtPrivatnachricht
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Thema ausdrucken Thema ausdrucken

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Schafe ohne Hirt (Mk 6,34)

Thema Bewertung
Für dieses Thema existiert derzeit keine Wertung