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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Dienen, nicht herrschen! (Mk 10, 35-45) Moderatoren: Weber
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Dienen, nicht herrschen! (Mk 10, 35-45)  Dieses Thema wurde bisher 2.578 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
26 September 2009, 18:42 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Der Evangelist Markus hat in dem Text, den wir soeben gehört haben, ein für die Kirche sehr sensibles Thema angesprochen: nämlich das Thema vom Herrschen und vom Dienen. Worum geht es?

1.     Das Zeugnis der Bibel
Die Zebedäus-Söhne bitten Jesus um die besten Plätze im Himmel. Der eine will zur Rechten, der andere zur Linken Jesu sitzen. Sie möchten gewissermaßen an Jesu Herrschaft im Himmel teilhaben. Auch im Matthäusevangelium wird diese Szene überliefert. Doch da sind es nicht die Brüder selber, die Jesus bitten, sondern ihre Mutter, die Jesus für ihre Söhne um dieses Privileg angeht. Die Antwort Jesu ist in beiden Fällen gleich. „Wer unter euch der Größte sein will, soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, soll der Knecht aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen…“ Im Lukas-Evangelium sind es nicht namentlich die Zebedäus-Söhne, die sich um die besten Plätze balgen, sondern alle streiten sich, wer wohl der Größte von ihnen sei. Jesus darauf: „Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende. Welcher von beiden ist größer: der bei Tische sitzt oder der bedient? Natürlich der, der bei Tische sitzt. Ich aber bin bei euch wie der, der bedient“ (Lk 22, 25-27). Noch eindrucksvoller behandelt der Evangelist Johannes das Thema vom Dienen, indem er Jesus das gemeinsame Mahl unterbrechen lässt, damit dieser den Jüngern die Füße wäscht (Jo 13, 1-11). Und dann sagt er: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch getan habe“ (13,15). „Dienen, nicht herrschen“ ist die eindeutige Botschaft Jesu durch alle vier Evangelien. Das heißt umgekehrt: Keine Form von Machtausübung kann sich auf Jesus berufen: weder in weltlichen Systemen noch in der Kirche noch irgendwo anders wie etwa in Familie, Schule oder Arbeitswelt.

2.     Das Gottesbild Jesu
Jesus verkündigt in Wort und Tat sein Gottesbild; und das ist nicht das Bild eines allmächtigen Gottes und Herrschers, sondern das eines barmherzigen Vaters. Dieser Vater geht dem Verlorenen nach, bis er es findet. Die Gleichnisse vom guten Hirten bezeugen das eindrücklich. Damit stellt Jesus die üblichen Gottesbilder der Macht auf den Kopf und erweist sie als falsch. Gott steht auf Seiten der Menschen, gerade auch der Armen, der Unterdrückten und Gescheiterten oder – theologisch ausgedrückt – der Sünder. Und Gottes Botschaft, die Jesus selber in seiner Person ist, lautet: ich bin bei euch alle Tage wie einer, der dient und nicht wie einer, der herrscht oder Macht ausübt oder euch unter Druck setzt. Darum ist die Anrede Gottes als „allmächtiger Gott“– wie in den meisten liturgischen Gebeten üblich – religionsgeschichtlich antiquiert und nach christlichem Glaubensverständnis schlichtweg falsch. Trotzdem tun wir es – gedankenlos; vielleicht aber auch bewusst in der perfiden Absicht, uns selber als Gottesmänner mit dieser Herrscherfolie zu bekleiden. Die Anrede Gottes als „allmächtiger Vater“, die es auch in der Liturgie gibt, ist ein Widerspruch in sich. „Macht“, „Allmacht“, „Herrscher“, „Allmächtiger“ sind keine positiven Schlüsselbegriffe der christlichen Religion, und es ist höchste Zeit, dass wir sie durch eine liturgische Revision aus den Gebetstexten der Kirche entfernen.

3. Die Wirklichkeit in der Kirche
Wie sieht es mit den Machtphantasien in der Kirche aus? Wie bereits angedeutet: die liturgische Sprache verrät uns. Aber auch die Struktur der Ämter ist ein Machtgefüge, „heilige Macht“ nennt man sie: Hierarchie. Der Papst nennt sich zwar „Servus Servorum Die“, d.h. „Diener der Diener Gottes“, aber ich glaube, das ist nicht so ernst gemeint. Wenn man die kirchliche Praxis einmal unter die Lupe nimmt, dann stellt man (leider) fest, dass Macht – ähnlich wie in der Politik – eine buchstäblich „gewaltige“ Rolle spielt. In der Politik gibt es wohl Machtkontrollen und Begrenzungen der Macht, nicht aber in der Kirche. Im Kleinen Katechismus, den Kardinal Ratzinger 2005 herausgegeben hat, lesen wir wörtlich über die Sendung des Papstes: „Er ist der Stellvertreter Christi, das Haupt des Bischofskollegiums und der Hirte der Gesamtkirche. Aufgrund göttlicher Einsetzung hat er über die ganze Kirche die höchste, volle, unmittelbare und allgemeine Vollmacht“ (Nr. 182). Wie unterscheidet sich diese Sprache von der Sprache Jesu: „Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende“ (Lk 22,25f.)!

In diesem Zusammenhang muss ich an den früheren Bischof der französischen Diözese Evreux denken: Jacques Gaillot. Er hat einmal gesagt: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ Das war denn auch sein Lebensgrundsatz. So hat er persönlich gelebt, und so hat er auch sein Bischofsamt verstanden. Das konnte nicht gut gehen. Nach fast 13 Bischofsjahren wurde ihm am 12. Januar 1995 in Rom eröffnet: „Morgen, Freitag, den 13. Januar um 12 Uhr mittags sind Sie nicht mehr Bischof von Evreux“. Dieser Machtspruch wurde in Frankreich und im Ausland als große Ungerechtigkeit empfunden und hat bei Christen und vielen Nichtchristen tiefe Wunden geschlagen. Die Art und Weise, wie sich Bischof Gaillot für Einzelne, für Randgruppen oder für politisch Unerwünschte eingesetzt hat, ist ihm in seiner eigenen Kirche zum Verhängnis geworden. Es waren keine Häresien, die er verbreitet hätte, sondern sein Dienst gemäß dem Evangelium.

Manchmal denke ich, dass die Krise der heutigen Kirche eher eine Krise des Amtes ist als eine Krise der Gläubigen. Wie sagt Jesus in der Bergpredigt: „Nicht jeder, der zu mir sagt Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt!“ (Mt, 7,21). Der Wille des himmlischen Vaters aber ist, dass wir einander dienen.

Amen.
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