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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Die ärgerliche Liebe des Vaters Moderatoren: Weber
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Die ärgerliche Liebe des Vaters  Dieses Thema wurde bisher 2.796 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
07 März 2010, 21:59 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Die ärgerliche Liebe des Vaters (Lk 15, 1-3. 11-32)

Liebe Christen!

Das Evangelium ist uns seit Kindestagen bekannt als das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es ist uns so vertraut und geläufig, dass wir die Problematik der Liebe und Barmherzigkeit des Vaters gar nicht mehr wahrnehmen. Und meist wird das Ärgernis, das der ältere Sohn nimmt, ganz ausgeblendet.

Was sagt das Gleichnis?
Am Anfang steht der Wahnsinn des jüngeren Sohnes. Er fordert vom Vater das Geld, was ihm angeblich zusteht, und zieht in die Welt. Er vergeudet das Geld wie auch immer bis nichts mehr da ist. Dann denkt er an den Vater, bei dem es die Tagelöhner viel besser haben als er, der Sohn in der Fremde. Nicht die Einsicht in seine Schuld lässt ihn umkehren, sondern die Aussicht auf ein besseres Leben daheim. Gewissermaßen als Türöffner soll der Satz dienen: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.“ Ein Schlitzohr ohne gleichen.

Doch in grenzenloser Liebe geht der Vater dem Sohn entgegen, umarmt und küsst ihn, und erst dann sagt der Sohn seinen Spruch auf, den er sich vorher zurecht gelegt hat. Doch der Vater will keine Erklärung, keine Entschuldigung. In der Freude über die Heimkehr seines Sohnes lässt er gleich ein großes Fest vorbereiten. Alles Frühere ist vergeben und vergessen.

Der ältere Sohn, der von der Feldarbeit heimkommt und sieht, was sich da abspielt, ärgert sich maßlos. Hatte er jemals für seine Treue, seinen Fleiß, für seine Beständigkeit und Pflichterfüllung ein Fest ausgerichtet bekommen? Der Vorwurf trifft: „Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.“

Schön an der Geschichte ist, dass der, der sich im Leben verfehlt hat, nicht für immer verstoßen wird, sondern bei Gott (und so soll es ja auch unter den Menschen sein) eine Chance behält.

Eine ärgerliche Praxis in der Kirche
Eine ganz andere Färbung erhält diese Geschichte jedoch, wenn man mit ihr die frühere kirchliche Praxis rechtfertigen will in Sachen Kindesmissbrauch durch Priester oder andere kirchliche Bedienstete. Praxis war, dass die Täter, wenn sie einsichtig waren, relativ glimpflich davon kamen. Sie wurden versetzt, die Tat wurde totgeschwiegen und damit der Verfolgung durch die Justizbehörden entzogen. Noch schlimmer: die Opfer wurden unter Androhung der Exkommunikation dazu verpflichtet, auf immer über das Geschehene zu schweigen.

Ist diese Praxis durch das Gleichnis vom barmherzigen Vater gedeckt? Keineswegs! Denn in dieser Geschichte gibt es eigentlich kein Opfer, und darum wird die Frage nach dem Opfer im Gleichnis auch nicht verhandelt. Aber zwei Kapitel weiter findet Lukas im Hinblick auf Kindesmissbrauch sehr deutliche Worte: „Es ist unvermeidlich, dass Verführungen kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet. Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als dass er einen von diesen Kleinen verführt. Seht euch vor!“ (17,1-3a). Das sind harte Worte. Sie zeigen, wie wichtig Jesus der Schutz der Kinder ist.

Im Nachhinein müssen wir feststellen, dass die kirchliche Praxis in Sachen Kindesmissbrauch falsch, ja fatal war. Hier hat die Kirche schwere Schuld auf sich geladen, nicht nur durch ihre Täter, sondern auch durch die Obrigkeiten im Umgang mit Tätern und Opfern. Hier gibt es vieles aufzuarbeiten und wieder gutzumachen. Wir haben allen Grund, jenen Kräften innerhalb und außerhalb der Kirche dankbar zu sein, die durch ihren Druck auf die Hierarchie dazu beigetragen haben, dass jetzt endlich ein Sinneswandel eingetreten ist. Der Schutz der Opfer muss höher stehen als der allzu gnädige Umgang mit den Tätern. Die müssen zur Rechenschaft gezogen werden für das, was sie getan haben; und die Opfer haben ein Recht auf Hilfe in ihrer psychischen Beschädigung wie auch ein Recht auf Wiedergutmachung.

Auf das Gleichnis vom barmherzigen Vater bezogen darf man wohl feststellen: so Unrecht hat der ältere Sohn nicht, wenn er dem Fest der Versöhnung fern bleibt. Es ist immer schwer, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zusammen zu bringen. Und doch gehören sie zusammen: für die Kirche und genau so für die Gesellschaft, die human sein will.

Amen.

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