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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Die Opfer der Erwählung (Ex 12, 1-8.11-14) Moderatoren: Weber
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Die Opfer der Erwählung (Ex 12, 1-8.11-14)  Dieses Thema wurde bisher 1.429 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
24 März 2010, 21:03 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Gründonnerstag ist der Tag des heiligen Abendmahls: wir erinnern uns der Einsetzung der Eucharistie. Gleichzeitig denken wir zurück an jenes erste Passahmahl beim Auszug aus Ägypten. Wir hörten den Text als Lesung. Nach biblischem Verständnis nimmt Jesus diese Tradition auf, um am Abend vor seinem Leiden im Rahmen dieses jährlich stattfindenden Gedächtnismahles Eucharistie zu stiften. Mit Würde und Hochachtung sprechen wir gewöhnlich von diesem Ereignis – und verschweigen die Kehrseite.

Die Kehrseite des Passah
Ich meine die Kehrseite des ersten Passah. Das, was für Israel als Mahl der Befreiung, als Mahl der Errettung, als Mahl der Verschonung vor dem tödlichen Vorübergang des Herrn gefeiert wurde, machte eine schreckliche Wirklichkeit vergessen: nämlich die Tötung von Tausenden von Erstgeborenen in Ägypten. Keine Aufregung in der Bibel über die Schreie der Angst und der Verzweiflung der Opfer, über die ohnmächtige Wut der Mütter, die ihre Kinder verloren, über die Trauer eines ganzen Volkes; stattdessen die fast zynische Schilderung des Untergangs derer, die sich wehrten in den Fluten des Roten Meeres. Alles scheint so in Ordnung zu sein, gottgewollt und gottgefügt, Erfüllung einer göttlichen Verheißung, die nur des einen Volkes Wohl und aller anderer Völker Wehe will. Geschichte des Heils nur für die einen um den Preis des Untergangs der anderen.

Das unglaubliche Problem
Von Zeiten der Verirrung wie der des Dritten Reiches abgesehen, sind wir geneigt, die alte Perspektive der Bibel beizubehalten: Heil für das Volk der göttlichen Erwählung – so versteht sich Israel heute noch, während die Heimat- und Rechtlosigkeit der anderen außerhalb des Blickfeldes bleiben. Ich denke an die Palästinenserfrage heute. Sie ist auch für die meisten von uns im Bewusstsein eher von sekundärer Wichtigkeit im Vergleich zu Israel, dem erwählten Volk Gottes, mit seinem Recht auf das Land der Väter und dem Lebensrecht in gesicherten Grenzen. Ich will dem Israel unserer Tage nichts streitig machen: weder Land noch Lebensrecht, weder die religiöse Überzeugung der Auserwählung noch die messianische Hoffnung, die zur Identität dieses Volkes gehört. Doch ich frage mich, ob es ausreicht, ausschließlich das Existenzrecht Israels zu beteuern und sein Wohl zu fördern, während die Palästinenser mit ihren Ansprüchen auf Land und Lebensrecht unbeachtet bleiben. Mit anderen Worten: Was ist – damals wie heute – gottgewollte Erwählung und was ist menschliche Überheblichkeit? Oder: Was will Gott wirklich und was wird von uns falsch gesehen und falsch interpretiert?

Das letzte Abendmahl Jesu
Zurück zum Abendmahl Jesu. Für ihn selber ist das Mahl, das er mit seinen Jüngern feiert, kein Mahl der Befreiung, kein Mahl der Verschonung vor dem tödlichen Willen des Vaters. Im Gegenteil: Für Jesus bedeutet das Abendmahl: letzte Gemeinschaft mit den Seinen vor der Kreuzigung, vor der totalen Zerstörung seiner selbst. Über alle Zeiten hinweg gesehen ist das letzte Mahl für Jesus nicht Befreiung von der Knechtschaft, nicht Bewahrung vor dem Tod, sondern Eingliederung in das Schicksal der getöteten ägyptischen Erstgeburt; oder in heutiger Perspektive: Einordnung in das Lager derer ohne Land und ohne göttliche Erwählung. Jesus ist, solange er lebt, nicht Repräsentant der Geretteten, sondern einer der Verworfenen. Jesu Auferstehung und Verherrlichung kommt erst nach dem Tod und nicht – wie die Kirche in der Nachfolge Christi immer wieder für sich fehl interpretiert – vor dem Tod.

Und wir?
Und wir? Auf welcher Seite sehen wir Jesus? Er ist der auserwählte Sohn des Vaters, an dem dieser sein Wohlgefallen hat. Und dann stirbt dieser Jesus den Tod des Nicht-Erwählten. Damit ist er die große Klammer zwischen den Berufenen und den Nicht-Berufenen, zwischen den Israeliten und den Heiden, den Erwählten und Verworfenen, den so genannten Frommen und den so genannten Gottlosen. Jesus gehört allen. Und niemals kann mit seinem Namen Unrecht begründet oder gar gerechtfertigt werden. Doch alle dürfen auf ihn ihre Hoffnung setzen.

Wenn wir Eucharistie feiern, dann kann keiner aus der Gemeinschaft mit Jesus ausgeschlossen sein. Alle gehören wir seinetwegen zusammen – ob Jude oder Christ, ob Muslim oder Buddhist, ob Sünder oder Gerechter, ob Mann oder Frau, ob Jung oder Alt. Kommt und esst! Kommt und trinkt! Das Mahl ist bereitet. Ihr braucht die Kraft dieser Speise – zur Versöhnung der Menschen.

Amen.

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