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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Friede auch dem Zweifler (Joh 20, 24-29) Moderatoren: Weber
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Friede auch dem Zweifler (Joh 20, 24-29)  Dieses Thema wurde bisher 1.506 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
24 März 2010, 21:03 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Im Johannesevangelium gibt es unter den nachösterlichen Erscheinungen zwei besonders bemerkenswerte: einmal die Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern, wo Thomas nicht dabei war, und dann die Erscheinung vor den Jüngern in Anwesenheit des Thomas. Letztere haben wir grade im Evangelium gehört. Sie gilt fast ausschließlich dem Thomas. Auch ihm sagt Jesus: Friede sei mit euch! Und dann geht er auf dessen Problem ein und sagt: hier sind meine Hände, die durchbohrten, und hier ist meine Seite mit der Wunde. Wenn du magst, kannst du sie berühren. Thomas, der Zweifler, sollte haben, was er zuvor wollte, aber er nimmt es nicht in Anspruch. Überwältigt von der Erscheinung des Auferstandenen bekennt er seinen Glauben: „Mein Herr und mein Gott!“ – Dazu nun drei Gedanken:

1.     Friede auch dem Zweifler
Thomas gehört zum engsten Kreis der Vertrauten Jesu: zu den Aposteln. Er ist der einzige, der sich zu den Schwierigkeiten, die er mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu hat, bekennt. Das hindert Jesus nicht, ihn mit dem Friedensgruß zu grüßen. Einen solchen Umgang mit Zweiflern und Ungläubigen (früher nannte man den Thomas ja den Ungläubigen) kennt man in unserer Kirche nicht. Jesus wäre es im Traum nicht eingefallen, den Thomas etwa von der Eucharistie auszuschließen, nur weil der Schwierigkeiten hat mit dem Glauben an die Auferstehung. Wir werden uns wundern, welches Theater in der Kirche wieder veranstaltet wird, wenn in ein paar Wochen beim nächsten ökumenischen Kirchentag in München tiefgläubige evangelische Christen in einer katholischen Messe zur Kommunion eingeladen werden oder Katholiken am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Jesus würde wahrscheinlich auf die Menschen zugehen, so wie er auch auf Thomas zugegangen ist, und allen den Frieden anbieten.

2.     Glaubensschwierigkeiten ernst nehmen
Es ist erstaunlich, dass Jesus ein zweites Mal erscheint, um unbedingt den Thomas zu treffen, von dem er weiß, dass er Schwierigkeiten hat mit dem Verständnis einer zentralen Glaubenswahrheit. Der Thomas ist es ihm wert, dass er auf dessen Forderung eingeht. Er soll die Wunden Jesu berühren. Zwar weiß Jesus, dass das nichts bringt, aber Thomas soll selber diese Erfahrung machen. Glaube kann nämlich nicht durch Abtasten, oder sagen wir durch Messen oder überhaupt durch physikalische Methoden verifiziert (bewiesen) werden. Zum Glauben kommt man, weil man von Gott einfach überwältigt ist, wie sich das ja auch bei Thomas gezeigt hat.

Die Glaubensschwierigkeiten der Menschen heute sehen anders aus als die des Thomas. Die Menschen erleben heute, dass die Welt und ihre Gesetze erklärbar sind ohne Gott, sogar die Entstehung des Lebens. Wer ab und zu im Fernsehen mal anspruchsvolle Sendungen zu diesem Thema sieht, muss staunen, wie gottlos es da zugeht. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache; denn die Forschung geht davon aus, dass alles, was es gibt, nach einer inneren Gesetzlichkeit entstanden ist und sich erhält und weiter entwickelt. Das, was wir Schöpfung nennen, ist noch lange nicht am Ende und wird niemals zu einem Ende kommen. Man könnte sagen: Gott ist überflüssig geworden. Wäre es nicht notwendig, auf diese neue Situation der Gottesfrage in Predigten oder in der Bildungsarbeit einzugehen, mit den Menschen über diese neue Gottlosigkeit zu sprechen und in einen Dialog einzutreten? Was wir in den Kirchen über Gott bisweilen zu hören bekommen, ist nicht von gestern, sondern eher von vorgestern. Wir erleben zur Zeit eine sakramentale Notversorgung, und die Gläubigen verhungern geistlich wie geistig.

3.     Kritik zulassen
Wenn sich der derzeitige Zustand unserer Kirche zum Besseren wenden soll, dann bedarf es der ständigen kritischen Begleitung durch möglichst viele Gemeindemitglieder. Das ist eine höchst prophetische Aufgabe. Auch Jesus hat sich Kritik gefallen lassen, sogar von einer heidnischen Frau. Sie sagt zu Jesus: Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus gibt keine Antwort. Die Frau aber lässt nicht locker und schreit: Herr, hilf mir! Darauf Jesus: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Die Frau kontert: Du hast recht. Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Da sieht Jesus ein, dass diese hartnäckige Kritik aus Glauben und einem unsäglichen Vertrauen geschieht. Und Jesus heilt die Tochter. (Nachzulesen unter Matthäus 15, 21-28)

Kritik ist für jede Gemeinde und die Kirche insgesamt etwas Unverzichtbares. Zwar habe ich selbst erlebt, dass meine kritischen Predigten gewertet wurden als Hass gegen die Kirche, doch war die Zustimmung in den Gemeinden um ein Vielfaches größer. Die Kirche kann mit Kritik nicht umgehen. Das hat der Missbrauchsskandal gezeigt. Die m. E. zynischste Reaktion auf die Aufdeckung der sexuellen Missbrauchsfälle durch katholische Priester kam vom Regensburger Bischof Gerhard Müller, der den Medien Hetze gegen die Kirche vorgeworfen hatte; sie wollten nur den guten Ruf der Kirche zerstören. Glauben Sie, dass in Regensburg wirkliche Aufklärung betrieben wird?

Kritik ist grundsätzlich nichts Böses. Sie mag unbequem sein für die jeweils Verantwortlichen, aber sie ist für die Kirche so wichtig wie für die Politik eine gute Opposition. Die Verantwortlichen der Kirche müssen noch viel lernen, und jeder einzelne Gläubige kann durch seine öffentliche Kritik dazu beitragen, dass dieser Lernprozess in Gang kommt. Hoffentlich erkennen alle, was das Gebot der Stunde ist. Denn es geht um den Bestand und um das Wohl der Kirche.

Amen.

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