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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Du darfst sein. (Mt 3, 13-17) Moderatoren: Weber
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Du darfst sein. (Mt 3, 13-17)  Dieses Thema wurde bisher 1.818 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
09 Dezember 2010, 22:36 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Die drei ersten Evangelien berichten übereinstimmend, dass Jesus von Johannes getauft wurde. Wir erfahren nicht, wie diese Taufe vonstatten ging. Offensichtlich gab es ein Taufritual der Täuferbewegung, der sich Jesus unterwarf. Es war auf keinen Fall eine Taufe auf den Namen des dreifaltigen Gottes. Das Ritual erfährt im Text dann aber eine einzigartige Deutung durch das nachträgliche Sich-Öffnen des Himmels, durch das Herabschweben der Taube (sie ist ein Symbol des Geistes Gottes) und durch die Stimme, die Jesus als Gottes geliebten Sohn bezeichnet, an dem Gott Gefallen gefunden hat. Das ganze Geschehen hat eine große symbolische Aussagekraft, die ich – gerade auch im Hinblick auf unser eigenes Taufverständnis – ein wenig aufschließen möchte.

Du darfst sein.
Gottes Stimme aus dem Himmel – man konnte sie sicher nicht mit den Ohren hören, sondern nur mit dem Herzen wahrnehmen – bezeichnet Jesus als den geliebten Sohn, auf dem Gottes Wohlgefallen ruht. Die Theologie sieht darin die Offenbarung der Gottessohnschaft Jesu. Diese wird auf späteren Konzilien weiter präzisiert und damit aber auch für einfache Gläubige leider etwas unverständlicher. Jesus, der Sohn Gottes, verliert an Nähe und Unmittelbarkeit. Ich stelle mir etwa vor, dass diese Stimme Gottes bei der Taufe eines jeden Täuflings sagt: „Du bist mein geliebtes Kind (Sohn oder Tochter), an dem ich Wohlgefallen habe.“ Kind Gottes zu sein mit dem Wohlgefallen Gottes ausgezeichnet spricht eine Daseinsberechtigung aus, wie sie fundamentaler und pauschaler gar nicht ausgedrückt werden kann. „Du darfst sein“, mehr noch: „es ist gut, dass es dich gibt“ und „ich, dein Gott und Schöpfer, habe Freude und Wohlgefallen an dir“ ist die höchste Auszeichnung, die man sich überhaupt vorstellen kann. Das beruhigt jede Daseinsangst. Dass der Mensch (Sammelbegriff für alle Menschen), dass also alle Menschen Geschöpfe Gottes sind, ist im Alten Testament die erste grundlegende Aussage über das Gott / Mensch-Verhältnis. Und im Ritual der Taufe wird es jedem Einzelnen noch einmal persönlich zugesprochen.

Man beachte, dass dieses Wohlgefallen Gottes nicht nur die Getauften meint, sondern eben alle Menschen, weil alle Geschöpfe Gottes sind. Die Getauften haben den Nicht-Getauften nicht die Liebe Gottes voraus, sondern nur, dass sie darum wissen dürfen. Die Taufe soll ja aus den Getauften keine Heilsegoisten machen, sondern Hoffnungsträger für alle.

Du darfst sein – auch als Sünder.
Die zweite Botschaft der Taufe leitet sich aus dem Ritual selbst ab. Tauchen und Taufen sind sprachverwandte Begriffe. Die Taufe wird oft durch Untertauchen gespendet oder ähnlich und ist in jedem Fall ein Reinigungsritus. In dieser Symbolhandlung wird die Reinigung von Schuld und Sünde anschaulich gemacht. Schon Johannes der Täufer sprach ja von der Taufe zur Vergebung der Sünden. Gottes Antwort auf unsere Schuld ist eben immer die Vergebung, nie die Vergeltung – wie manche fälschlich behaupten. Nicht erst durch die Spendung des Taufsakramentes wird die Schuld vergeben, vielmehr macht die Taufe sichtbar, wie wir uns als sündige Menschen vor Gott verstehen dürfen: als Begnadete, als Gerechtfertigte. Schuld mindert unsere Daseinsberechtigung nicht; denn Gott, der uns liebt, kennt keine Vergeltung.

Du hast heiligen Geist.
Die dritte Botschaft der Taufe ergibt sich aus der Herabkunft des heiligen Geistes. Die Taube ist ihr Symbol und weist Jesus als den in besonderer Weise Geistbegabten aus. Aber auch das gilt grundsätzlich von jedem Menschen, dass der Geist Gottes über ihn ausgegossen ist. Was übrigens Katholiken mit dem Sakrament der Firmung ausdrücken, ist längst seit der Taufe – und schon vorher – Wirklichkeit. Wenn aber über jeden Menschen der Geist Gottes ausgegossen ist, dann kann grundsätzlich auch durch jeden Menschen der Geist Gottes zur Sprache kommen.

Geistgewirkte Rede nennt man auch prophetische Rede. Sie ist nicht dazu da, die Gewissen der Menschen zu beruhigen, sondern wie ein Stachel im Fleisch zu beunruhigen, zur Umkehr zu motivieren oder die Navigation der Lebensführung neu zu programmieren. Prophetische Rede wird in der Regel als störend empfunden: das war im alten Israel so, das ist im heutigen Kirchenbetrieb nicht anders. Ein Beispiel dazu: Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Jesuitenpater Klaus Mertes vom Berliner Canisius-Kolleg eine große Aufklärungskampagne der dort geschehenen Missbrauchsfälle in Gang gesetzt. Sie alle wissen, in welchem Ausmaß bis dato Missbrauchsfälle vertuscht worden waren. Hätte es diesen Pater mit seinem Mut zur Wahrheit und zur öffentlichen Wahrhaftigkeit nicht gegeben, wäre bis heute wahrscheinlich noch nichts geschehen, d.h. es wäre weiter verheimlicht worden, um das Ansehen des Klerus und der Kirche zu schützen – auf Kosten der Missbrauchsopfer. Die Kirche braucht Propheten, die der Wahrheit mehr verpflichtet sind als der sog. Loyalität zur Obrigkeit.

Wer die Symbolik der Taufe theologisch aufschließt, kommt zu ganz erstaunlichen Ergebnissen: der Mensch, der sich als Geschöpf Gottes versteht, hat ein Daseinsrecht und hat Heimat in dieser Welt; er braucht sich nicht zu grämen, wenn ihm nicht alles zu Besten gereicht, wenn er Fehler hat und persönliche Niederlagen hinnehmen muss. Trotzdem ist er berufen, für Gott und seine Wahrheit öffentlich Zeugnis abzulegen, sogar da, wo geweihte Häupter die Wahrheit vertuschen oder die Botschaft des Evangeliums durch Machtmissbrauch oder Lieblosigkeit verdunkeln. Die Kirche braucht Propheten – heute dringender denn je.

Amen


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