Forum Einloggportal
Loginname: Einen Zugang registrieren
Passwort:     Passwort vergessen?

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Verklärung: ein Traum gegen die Wirklichkeit Moderatoren: Weber
Mitglied(er) im Forum
Keine Mitglieder und 1 Gäste

Verklärung: ein Traum gegen die Wirklichkeit  Dieses Thema wurde bisher 1.609 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Weber
10 März 2011, 19:56 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
Board Moderator
Beiträge: 210
Verklärung: ein Traum gegen die Wirklichkeit (Mt 17, 1-9)

Liebe Christen!

Das Evangelium von der Verklärung Jesu klingt wie ein Traum. Man stelle sich vor: Jesus, der Wundertäter und Freund der armen Leute, spricht zu seinen Jüngern vom bevorstehenden Leiden und von seinem Tod. Und auch denen, die ihm nachfolgen, also die so leben und sein wollen wie er, verspricht er genau dasselbe: Leid und Kreuz und Tod. Das ist der Rahmen, in den hinein die Verklärung Jesu gestellt wird. Sie ist wie ein Traum, der ins Bild setzt, wie man sich Jesus eigentlich wünscht: als Lichtgestalt, durch den Vater bestätigt als Gottessohn, in enger Gemeinschaft verbunden mit den beiden Großen des Alten bzw. Ersten Testaments: Mose und Elia. Und dabei sein dürfen die Säulen der frühen Kirche: Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes. Das ist heile Welt – kein Leiden, kein Kreuz, kein Tod. Kein Wunder, dass Petrus da Hütten bauen will für die Großen der Vergangenheit und für Jesus. Domestizieren möchte Petrus sie und festhalten für immer. Doch als Jesus sie anrührt, ist der Traum aus: kein Glanz mehr, kein Gloria, kein Licht, aber viel Schatten. Die harte Wirklichkeit hat sie wieder eingeholt. – Es gibt Augenblicke der Ahnung von einer heilen Welt, aber diese Augenblicke spiegeln nicht die Realität. Die ist immer anders: grausamer, brutaler.

Es gibt ähnliche Erfahrungen im privaten Leben oder auch in der Kirchengeschichte. Ich will zwei benennen:

1.     Beispiel.
1958 stand ich ein Jahr vor meinem Abitur und war voll damit beschäftigt, welchen Beruf ich einmal ergreifen sollte. In diesem Jahr wurde ein neuer Papst gewählt: Johannes XXIII. Ein Jahr später am 25. Januar 1959, das war einige Wochen vor meinem Abitur, kündigte dieser Papst an, er werde ein Konzil einberufen. Das sollte die Kirche pastoral und ökumenisch erneuern. „Aggiornamento“ (Heutigwerden) nannte er als Ziel. Allein schon diese Ankündigung fand in der ganzen Welt viel Beachtung. Nach dem Pontifikat Pius XII., der ein Aristokrat und Alleinherrscher war und eigentlich jeder Reform abgeneigt, wurde Kirche nun plötzlich interessant. Dieser neue Papst war wie eine Lichtgestalt: bescheiden, gütig, reformfreudig. Es kam zu einem weltweiten Dialog darüber, was in der Kirche wie geändert werden sollte. Als ihre Berater durften die Bischöfe Theologen mitbringen, sogar auch Laien. Andere christliche Konfessionen und andere Religionen waren als Beobachter geladen, mit denen auch geredet und diskutiert wurde. Es begann in der Kirche Frühling zu werden. Dieser kirchliche Aufbruch hat mich in der Wahl meines Berufes bestärkt. Es war eine Situation, ähnlich der, die im Evangelium als Verklärung geschildert wird. Hütten bauen wäre angesagt gewesen, um den Aufbruch in der Kirche zu domestizieren. – Heute wissen wir, wie es weiterging. Das Konzil hat vieles angestoßen und geändert. Aber die Nachfolger im Bischofs- und Papstamt haben die meisten Reformen wieder eingesammelt und den Traum von einer heutigen Kirche beendet. Hofiert werden jetzt wieder Gruppen, die das Konzil ganz ablehnen (wie die Piusbruderschaft) oder das Überwundene wieder einsetzen wollen. Küng und Ratzinger – fast gleich alt – waren hoffnungsvolle theologische Berater, mutig, weit blickend und reformfreudig. Küng ist es geblieben, Ratzinger hat sich während seiner steilen Karriere im vatikanischen Milieu ins Gegenteil verkehrt. Die Kirche ist heute in einem überaus bedauernswerten Zustand. Die „konziliare“ Verklärung ist schon lange beendet. Die Ernüchterung war für viele groß.

2.     Beispiel.
2010 war für die Kirche ein schmerzhaftes Jahr. Missbrauchsskandale, die jahre- und jahrzehntelang vertuscht worden waren, wurden aufgedeckt. Der Mut eines einzigen Pädagogen, jenes Jesuitenpaters Mertes im Canisianum in Berlin, hat den Stein ins Rollen gebracht. In der Eliteschule, die er leitet, hat er hin- und nicht weggeschaut und hat öffentlich gemacht, was dort in der Vergangenheit an sexuellem Missbrauch durch Priester und andere Pädagogen geschehen war. Und nun wurde überall nachgeforscht, übrigens auch in nichtkirchlichen Einrichtungen, und es kam Unglaubliches ans Tageslicht. Die Kirche verlor massiv an Ansehen, Autorität und Vertrauen. Es hat Kirchenaustritte gegeben wie seit der Nazizeit nicht mehr. Unser Trierer Bischof Ackermann wurde von der Bischofskonferenz beauftragt, alle kirchlichen Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und hat diese Mammutaufgabe gut bewältigt. (Dass er jetzt die einzelnen Missbrauchsopfer mit einer Geldsumme von höchstens 5000 € abspeisen will, finde ich nicht gut. Aber das ist eine andere Sache.) In dieser Notsituation der Kirche hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch einen tabulosen Dialog in der Kirche angekündigt. „Wir werden über den Zölibat reden, wie wir über alles andere reden. Jedes Thema darf angesprochen werde.“ Das klingt wie die Ankündigung einer Tabor-Zeit in der Kirche. Doch inzwischen verlautet aus allen Ecken der Diözesanleitungen, dass der Zölibat auf gar keinen Fall in Frage gestellt werden dürfe. Es scheint, dass mal wieder eine Chance abgewürgt wird, bevor ernsthaft der Versuch einer Kirchenreform angegangen wird.

Es gibt gelegentlich Sternstunden in der Kirche, und es hat sie immer mal gegeben. Sie halten die Hoffnung hoch, dass es doch noch zu einer wirklichen Reform kommen könnte. Doch werden wir nie aus der irdischen Kirche ein himmlisches Jerusalem machen. Wie der Leidens- und Kreuzweg Jesu erst im Nachhinein, also im Osterlicht, als notwendig und sinnvoll erkannt werden konnte, so mögen wir vielleicht in der Ewigkeit mal erkennen, wie diese Kirche von ihren menschenverachtenden Gesetzen, von ihrer reformresistenten Sturheit und dem veralteten Welt- und Menschenbild erlöst werden kann. Trotzdem hoffen wir zutiefst, noch einmal einen wirklichen Frühling der Kirche und Frühling in der Kirche zu erleben.

Amen.

geloggt Offline
PrivatnachrichtPrivatnachricht
1 Seiten 1 Thema empfehlen
Thema ausdrucken Thema ausdrucken

Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Verklärung: ein Traum gegen die Wirklichkeit

Thema Bewertung
Für dieses Thema existiert derzeit keine Wertung