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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Das Kamel und das Nadelöhr (Mk 10, 17-27) Moderatoren: Weber
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Das Kamel und das Nadelöhr (Mk 10, 17-27)  Dieses Thema wurde bisher 2.605 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
19 Oktober 2012, 21:46 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Das Evangelium, das wir soeben gehört haben, gehört zu den bekannteren Texten des Neuen Testaments. Warum? Weil es absurd ist, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht. Absurde Sprüche und Bilder bleiben eben eher im Gedächtnis hängen als etwa die einfache moralische Regel, dass der Reiche bitte schön mit dem Armen teilen möge. Was Jesus da betreibt, ist reine Satire. Er kontrastiert die so edel klingende Frage des reichen Jünglings mit dessen Geldgier, vor der dieser kapituliert. Der Fragesteller  gibt sich religiös ausgesprochen gebildet, weil er alle Gebote kennt, die man kennen muss, um in den Himmel zu kommen – mehr noch: er hat alle Gebote sogar gehalten. Das hat man ja selten. Doch Jesus weiß, wie weit der reiche Jüngling noch vom Wesentlichen, was Religion will, entfernt ist. Er soll sein Herz nicht an den Reichtum hängen, sondern sich davon trennen können zugunsten der Armen; das ist es, was Jesus ihm ans Herz legt. Und das schockiert  nicht nur den reichen jungen Mann, sondern selbst die Jünger. Die sagen später zu Jesus: „Das ist doch unmöglich.“ Und die Kirchengeschichte liefert den Beweis, dass das tatsächlich unmöglich ist – zumindest für die meisten Christen. Und da gibt selbst der Klerus bis in höchste Ämter kein nachahmenswertes Beispiel. Mir fällt da spontan ein der Name des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Sein Lebensstil, seine Immobiliengeschäfte und seine luxuriöse Restaurierung und Erweiterung der bischöflichen Residenz haben just in den letzten Monaten in der Presse viele negative Schlagzeilen hervorgebracht. – Und Jesus gibt zu: so sind die Menschen. Aber wenn sie wirklich auf der Seite Gottes stehen, muss das nicht so sein.

In diesem Zusammenhang kann ich nicht verschweigen, dass schon in vorkonziliarer Zeit in Südamerika ein gewaltiger pastoraler und theologischer Aufbruch stattgefundet hatte. Die sog. Befreiungstheologie verstand die Kirche, insbesondere die Laien, als Volk Gottes, als mündige Menschen, die um ihre Befreiung aus jeglicher Bevormundung und Unterdrückung kämpften. Mit ihren geistlichen Führern einschließlich der Bischöfe verstand sich die die südamerikanische Kirche als Kirche der Armen. Eine großartige Bewegung! Doch die Idee dieser Bewegung wurde auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gar nicht zur Kenntnis genommen; im Gegenteil: man sah mit Argwohn auf dieses neue Kirchenverständnis und witterte Revolution. Jahrzehnte später hat der Vorsitzende der Glaubenskongregation Kardinal Josef Ratzinger viele führende Theologen dieser Bewegung kaltgestellt, ihre Bischöfe abgelöst und die Befreiungstheologie insgesamt verurteilt. Der Kirche der Armen hat man keine Chance gegeben. Ob sich Papst Benedikt noch daran erinnert?

Mit dem absurden Bild vom Kamel, das nicht durchs Nadelöhr passt, hat Jesus sehr realistisch ausgedrückt, dass, wer immer am Geld hängt, nicht fürs Reich Gottes taugt. Rabbi Mosche Löb hat das mal so auf den Punkt gebracht: „Wie leicht ist es für einen armen Menschen, sich auf Gott zu verlassen – worauf sonst könnte er sich verlassen? Und wie schwer ist es für einen reichen Mann, sich auf Gott zu verlassen – denn alle seine Güter rufen ihm zu: Verlass dich auf mich!“. Die Kirche heute hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, und das liegt nicht nur bei den einfachen Gläubigen und bei den Gemeinden, sondern vor allem ist es ein Problem der Kirchenleiter. Wir müssen den Reichtum der Armut wieder entdecken, wie etwa Franziskus in seiner Zeit und nach ihm viele Andere auch. Denn „mehr als der Reiche dem Armen, gibt der Arme dem Reichen. Und mehr als der Arme den Reichen braucht, braucht der Reiche den Armen.“ Dieses tiefsinnige Wort wird Rabbi Schmelke zugeschrieben.

Noch eine letzte Bemerkung: Ich war in meiner früheren Laufbahn mal drei Jahre Pastor an einer  Laurentiuskirche in Wuppertal. Da hat mich am Patrozinium (10. August) immer die Legende beeindruckt, die sich um Laurentius, einem Diakon der Kirche in 3. Jahrhundert in Rom rankt. Der war für die Armen der Stadt Rom wie für die päpstlichen Finanzen zuständig. Zu der Zeit verfolgte der römische Kaiser Valerian die Christen. Er nahm Papst Sixtus II. gefangen und ließ ihn enthaupten. Dann sollte Laurentius dem Kaiser die Kirchenschätze zeigen und aushändigen. Laurentius erbat sich drei Tage Bedenkzeit. Dann werde er dem Kaiser die Schätze zeigen. Doch in diesen drei Tagen verteilte Laurentius heimlich das Kirchenvermögen an die Ärmsten der Armen in der Stadt. Dann rief er die Armen zusammen und präsentierte sie dem Kaiser mit den Worten: „Siehe, diese Armen sind die eigentlichen Schätze der Kirche.“ – Klar, dass Kaiser Valerian sich von Laurentius getäuscht und vera..... fühlte, weshalb er ihn auf einem glühenden Rost zu Tode quälen ließ. Gut, es ist „nur“ eine Legende, aber ein eindrücklicher Hinweis darauf, was man mit Geld alles tun kann. Ich darf noch einmal betonen: Laurentius hat das Geld nicht der Kirche gegeben, sondern das Geld der Kirche an die Armen verschenkt. Vielleicht ist das ein Gebrauchsmuster auch für uns.

Amen.

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