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Geschrieben von: Weber, 29 Mai 2005, 23:22
Jörns, Klaus Peter: Notwendige Abschiede - Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum

Woher hat der Verfasser K.P. Jörns die Kompetenz, ein solches Riesenthema anzugehen? Als langjähriger Gemeindepfarrer kannte er die Denkweise der "einfachen Gläubigen", als Professor am Predigerseminar stand er in der Auseinandersetzung mit den Studierenden, die einmal Verkünder des Glaubens werden wollten, und schliesslich war es die Religionssoziologie, die ihn dazu brachte, über den Tellerrand der jahrhundertealten christlichen Denkweise hinauszublicken.

Das ist das Anliegen von Jörns: Das Christentum muss sich wandeln, wie sich die Raupe in den Schmetterling verwandelt, damit es zu seiner Vollgestalt heranreift. Auf diesem Weg gibt es notwendige Abschiede, die weh tun, aber unabdingbar sind. "Diese Abschiede zu vollziehen hat also nichts mit Destruktion zu tun, sondern damit, den notwendigen Gestaltwandel von selbst gewählten Fesseln zu befreien. Ich hoffe, dass dadurch viele, die jetzt dem christlichen Glauben eher fernstehen, sich (wieder) einbeziehen lassen in das Reden über Gott und die Welt" (S. 13).

Nach einer rund 45 Seiten langen Lagebeschreibung der gegenwärtigen Situation benennt, beschreibt und begründet Jörns jene acht notwendigen Abschiede, die dem Christentum beim heutigen Menschen zu mehr Akzeptanz verhelfen sollen. Dabei sagt der Verfasser nicht nur Neues, sondern oft Altes neu in einer Weise, die dem Leser die Zustimmung leicht macht.

Das sind die wichtigsten Abschiede: "Abschied von der Vorstellung, die Bibel sei unabhängig von den Regeln menschlicher Wahrnehmung entstanden" (S. 102-155). Was hier gesagt wird, ist zum größten Teil seit langem gesicherte Erkenntnis biblischer Form- und Überlieferungsgeschichte, doch die damit konsequent durchgeführte Einordnung des Christlichen in eine universale Wahrnehmungsgeschichte Gottes in dieser Welt fasziniert (S. 154-187). "Die bisherige Annahme der Kirchen, durch Anziehen der dogmatischen und disziplinarischen Zügel halten zu wollen, was sich löst, ist ein Irrtum - nicht zuletzt deswegen, weil der Geist selbst die Wahrnehmungsgeschichte Gottes weitertreibt" (S. 169). Ebenso müssen Erwählungs- und Verwerfungsvorstellungen aufgegeben werden. Denn: "Die Erwählung der einen bedeutet eine Zurückweisung oder zumindest Nicht-Beachtung derjenigen, die nicht erwählt worden sind" (S. 189). "Wenn das Gottesverhältnis nach Art einer menschlichen Liebes- und Ehebeziehung geglaubt wird, wird Gott in der (theologischen) Vorstellung ganz und gar in diese Beziehung eingebunden. Und das heißt - um im Bild zu bleiben - auch, dass er zu anderen Partnern (Gruppen, Völkern, Religionsgemeinschaften) keine Liebesbeziehung unterhalten darf, weil er sich ja sonst selbst des Treuebruchs schuldig machen würde. Kurzum: Gott wird zum Gefangenen der Erwählungsvorstellungen derer, die sich für erwählt halten" (S. 202). Der zweifellos schwierigste und kirchlich kaum nachvollziehbare Abschied ist der "Abschied von der Vorstellung, der Tod sei der Sünde Sold" (S. 266-285) mit der praktischen Konsequenz "Abschied vom Verständnis der Hinrichtung Jesu als Sühnopfer und von dessen sakramentaler Nutzung in einer Opfermahlfeier" (S. 286-341). Immerhin, der Gedankengang fasziniert, obwohl einem bange wird vor den Konsequenzen.

Der dritte Teil des Buches "Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum" (ca 35 S.) wirkt nicht mehr so überzeugend. Trotzdem: Lassen Sie sich gefangen nehmen von den Gedankengängen dieses Buches! Auch wenn es nicht 1:1 umzusetzen ist, weitet es den Horizont doch ungeheuer.

Autor(en): Jörns, Klaus Peter
Titel: Notwendige Abschiede - Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum
Verlag: Gütersloher Verlagshaus
ISBN Nr.: 3-579-06408-8
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