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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de  /  Bibelstellen  /  Werde du selber! (Mt 13,44-46)
Geschrieben von: Weber, 19 Juli 2005, 16:06
Liebe Christen!

Zwei Gleichnisse haben wir gerade gehört: das vom Schatz im Acker, den einer auf kluge Weise in seinen Besitz holt, und das von der kostbaren Perle, die ein Kaufmann entdeckt und für sich selber einkauft. Die Bildhälften sind anschaulich und verständlich. Doch als Gleichnisse meinen sie eine andere Wirklichkeit, nämlich das Reich Gottes. Und da beginnen die Verständnisschwierigkeiten.

Das Reich Gottes bzw. die Herrschaft Gottes ist nicht ein Reich irgendwo über den Wolken, auch nicht ein Reich, das erst nach diesem Leben eine Rolle spielt, sondern es meint das, was Gott jetzt will, in dieser Zeit, mit diesen oder diesem Menschen. Gemeint ist das, was wir in den Vaterunserbitten aussprechen, wenn wir beten: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“

Was nun der Wille Gottes ist, das ist gar nicht so leicht herauszufinden. Wir haben uns in der Vergangenheit gerne auf das Lehr- und Hirtenamt der Kirche verlassen, um uns sagen zu lassen, was der Wille Gottes ist. Das ist manchmal gut so, aber eben nur manchmal. Denn die Kirche ist nicht identisch mit dem Reich Gottes und was sie anordnet, ist nicht gleichzusetzen mit dem Willen Gottes. Jeder Mensch hat in sich ein zwar nicht unfehlbares, aber verpflichtendes Gespür dafür, was er in seinem Leben als Wille Gottes umzusetzen hat. Wir können das auch Berufung nennen. Wenn einer seiner Berufung folgt, erfüllt er den Willen Gottes und wird dadurch er selber. Denn nur wer tut, wovon er überzeugt ist und wozu er sich innerlich verpflichtet fühlt, lebt und handelt identisch: nicht fern gesteuert durch vorgegebene Verbote und Gebote, sondern selbstbestimmt aus eigener Überzeugung.

Beim Wort Berufung denken wir gleich an geistliche Berufung und freuen uns, dass sich endlich mal wieder ein Mann oder eine Frau zum geistlichen Stand als Priester oder Ordensfrau hingezogen fühlt. Auf diese Berufungen warten wir jedoch zunehmend vergeblich. Indes gibt es Berufungen, für die in der Kirche kein Platz ist  -  wenn z.B. eine Frau dafür kämpft, dass auch sie etwa priesterliche Dienste übernehmen dürfe, oder wenn Verheiratete um ebendieses Recht kämpfen. Sie würden in ihren Bestrebungen voll diesen Gleichnissen entsprechen. Denn Berufungen gehen nicht immer konform mit dem in der Kirche Bestehenden, sondern Berufungen können das Bestehende durchaus auch stören und für Aufregung sorgen. Es gibt übrigens viele Fragen im kirchlichen Leben, wo tiefgläubige und kirchlich engagierte Leute für menschlichere und fortschrittlichere Lösungen kämpfen, also für Veränderungen. Nicht selten ist durch solche „Störenfriede“ gesamtkirchliches Umdenken eingeleitet worden.

Fazit: Nicht Ruhe ist die erste Christenpflicht, sondern die leidenschaftliche Umsetzung des Evangeliums, wie der Geist Gottes es uns eingibt.

Amen.
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