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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de  /  Ehe und Scheidung  /  Ehe: Mut zum zweiten Schritt
Geschrieben von: Dickers, 28 Juli 2005, 16:25
Die Liebe gleicht einem Ring und der Ring hat kein Ende, sagt ein russisches Sprichwort. Das gilt wahrscheinlich auch dann, wenn sie am Ende ist vor dem „Bis dass der Tod euch scheidet“. Soll man einen Neuanfang wagen, auch wenn dies nach röm.- kath. Kirchenrecht Christen verwehrt ist, solange der geschiedene Partner noch lebt?

Es geht nicht um ein neues Probieren. Erwachsene Menschen sind in der Regel über das Probierstadium hinaus. Es geht darum, mit einem neuen Partner wieder in Frieden leben zu können. Wenn das bisherige Haus der Beziehung nicht mehr bewohnbar ist und die Bewohnbarkeit nicht wiederherstellbar ist, warum sollen dann die Betroffenen nicht das Recht auf eine neue Liebe haben?

Warum dürfen nicht auch katholische Christen auf einen gnädigen, vergebenden Gott hoffen? Mit dem Scheitern einer Beziehung ist doch ihr Leben nicht zu Ende.

Die Orthodoxe Kirche des Ostens sagt zwar auch, dass eine zweite Ehe mit der christlichen Norm eigentlich unvereinbar ist. Im Unterschied zur katholischen Kirche toleriert sie nach einer Ehescheidung eine Zweit- bzw. Dritt-Ehe. Die Scheidung wird verurteilt, nicht die Geschiedenen und Wiederverheirateten.

Viele würden die kath. Kirche nach einer standesamtlichen Zweitehe um den kirchlichen Segen bitten. Aus meiner Erfahrung im Dienst der Kirche weiß ich, dass es Pfarreien gibt, die das tun, während andere dies ablehnen. In der einen Pfarre muss jemand ein langwieriges, belastendes Eheverfahren auf sich nehmen, um eine erneute Ehe eingehen zu können. In der anderen findet er neben dem „gnädigen Gott“ auch einen „gnädigen Pfarrer“ und erhält gleichsam zum Nulltarif eine liturgische Feier. Man könnte den Eindruck haben, dass Pfarrer gegen Pfarrer ausgespielt werden, wenn es darum geht, kirchliche Normen zu „interpretieren“. Macht sich unsere Kirche nicht unglaubwürdig, wenn sie nicht offen auf jeden zugeht, der sie um ihren Segen bittet?

Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat 1980 erklärt, dass die Kirche „diejenigen nicht sich selbst überlassen kann, die eine neue Verbindung gesucht haben, obwohl sie durch das sakramentale Eheband schon mit einem Partner verbunden sind". Wann wird das umgesetzt?

Ich unterstütze den „Mut zum Neubeginn“, zum zweiten Schritt. Jeder darf aus Fehlern lernen. Das gelingt allerdings wahrscheinlich nur, wenn man dem ehemaligen Partner die Vergangenheit vergibt, auf Vorwürfe verzichtet und keine Selbstrechtfertigung übt.

Ein mongolisches Sprichwort sagt: „In einem guten Wort ist Wärme für drei Winter.“ Das müsste auch für eine neue Ehe reichen.
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