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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de  /  Ökumene  /  Stehen wir vor einem ökumenischen Aufbruch?
Geschrieben von: Weber, 22 November 2015, 13:35
Liebe Christen!

Zu Beginn der heiligen Messe habe ich Ihnen angekündigt, etwas Erfreuliches, also echte frohe Botschaft zu sagen. Schließlich haben wir den dritten Adventssonntag, dessen Eingangsvers zur Freude im Herrn einlädt.
Vor gut sechs Wochen, genau am Vorabend des 1. November dieses Jahres (2015), besuchte Papst Franziskus in Rom die evangelisch-lutherische Christus-Kirche in Rom. Begleitet wurde er von Kardinal Kurt Koch schweizerischer Herkunft, der dem päpstlichen Einheitsrat vorsteht, und von dessen Vorgänger im Amt Kardinal Walter Kasper deutscher Herkunft, der aber inzwischen emeritiert ist. Der Papst predigte in jener Kirche während eines Abendgottesdienstes. Den vom Einheitssekretariat vorbereiteten Predigt-Text legte er beiseite und sprach frei. Außerdem stellte er sich einigen Fragen aus der Gemeinde und antwortete ebenso frei. Und nun zitiere ich aus der „Frankfurter Allgemeinen“: „In Beantwortung einer Frage sagte der Papst, es sei nicht seine Kompetenz, gemischten Ehen die gemeinsame Kommunion zu erlauben. Die Betreffenden sollten selber im Gebet zu einer gemeinsamen Haltung dazu finden, wie für sie das Abendmahl eine Stärkung auf dem gemeinsamen Glaubensweg sein könne.“ Und dann der Papst wörtlich: „Sprecht mit dem Herrn und geht weiter!“ „Mehr wage er nicht zu sagen, meinte der Papst mit einem lächelnden Blick auf die anwesenden Kardinäle.“ Als Gastgeschenk überreichte Franziskus der Gemeinde einen Abendmahlskelch mit der Patene für die Hostie in einem Holzkasten mit dem Wappen des Papstes. Ein starkes Zeichen! Am Ende des Artikels bewertet Pfarrer Kruse, der Pfarrer jener lutherischen Gemeinde, den Papstbesuch wie folgt: „Der Papst habe deutlich gemacht, dass es mehr Ökumene geben kann als es Bedenkenträgern lieb sein mag.“ – Das erinnert mich an eine Äußerung des Papstes , die er vor Monaten gemacht haben soll, so stand es jedenfalls in einer Zeitung und ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis: „Die Einheit der Kirche wird wohl erst am Tag nach dem Ende der Welt hergestellt, wenn wir auf die Theologen der Ökumene warten.“
Wie ist diese Begegnung zu bewerten?
1.     Der Papst fühlt sich nicht kompetent, die gegenseitige Abendmahlsgemeinschaft zu erlauben, stattdessen verweist er auf das Gewissen der Betroffenen. Was das Gewissen jedoch erlaubt, will der Papst nicht verbieten. Das Gewissen hat somit eine höhere Kompetenz als der Papst. Franziskus setzt Fakten, und zwar vor den Augen der Bedenkenträger. Mutig ist das allemal.
2.     Wo der Papst das Gewissen aufwertet, kann sich in Zukunft kein offizieller Bedenkenträger mehr über das Gewissen der Gläubigen stellen. Das kommt einer Entmachtung kurialer Verantwortungsträger gleich. Hier werden die vatikanischen Hoftheologen noch viel aufzuarbeiten haben. Für sie ist Franziskus ein anstrengender Papst.
3.     Was geschieht eigentlich mit den Opfern kurialer Gewaltherrschaft vergangener Jahre? Ich denke da an Prof. Gotthold Hasenhüttl, der von 1974 bis zu seiner Emeritierung 2002 Professor für Systematische Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes war. Ich rufe ins Gedächtnis: 2003, also ein Jahr nach seiner Emeritierung, zelebrierte Hasenhüttl beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin einen Gottesdienst nach römisch-katholischem Ritus, eine Messe also, und lud expliziert alle Anwesenden zur Kommunion ein. Deshalb wurde er im selben Jahr noch  als Priester suspendiert, und weil er sich dem Reueprotokoll verweigerte, wurde ihm 2006 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Williger Vollstrecker dieser Kirchenstrafen war der damalige Bischof von Trier Reinhard Marx. Seitdem gilt dieser in der Bischofskonferenz als starker Mann. Zwar ist Hasenhüttl 2010 aus der Katholischen Kirche, aus der Körperschaft des Öffentlichen Rechts, ausgetreten, betont aber, „selbstverständlich“ werde er weiterhin der Glaubensgemeinschaft der Katholischen Kirche angehören. – Wie es hier Hasenhüttl ergangen ist, so ist es hunderten ähnlich ergangen. Hasenhüttl ist kein Einzelfall.
Ich frage mich: Muss hier nicht etwas aufgearbeitet werden? Es handelt sich um Skandale, ähnlich den Missbrauchsfällen. Früher wagte man nicht, das Kind beim Namen zu nennen. Heute darf man das. Muss man es nicht sogar? Schließlich leben Täter und Geschädigte noch. Und es sind keine geheimen Angelegenheiten, sondern die Fälle gingen durch die Presse und sind seit langem bekannt.
So kann ein Papst ein Machtgefüge ganz schön ins Wanken bringen. Aber gerade das ist an Franziskus so hoffnungsvoll.

Amen.
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