Themen - Bibelstellen - Johannes

Bibelstellen

  • Joh 2, 1-11: Ne kleine Verzäll üvver de Ih [Karnevalsprädig 2018] Wilhelm Weber
  • Joh 3, 30: Er muss wachsen, ich muss kleiner werden
  • Joh 6,1-15: Brotvermehrung Wilhelm Weber
  • Joh 6, 48-51: Ich bin das Brot des Lebens Wilhelm Weber
  • Joh 6, 51-58: Ich bin das lebendige Brot Wilhelm Weber
  • Joh 6, 66-69: Wollt auch ihr weggehen? Wilhelm Weber
  • Joh 8, 1-11: Zum Jahr der Barmherzigkeit
  • Joh 13, 1-15: Ein Beispiel habe ich euch!
  • Joh 13, 34-35: Christen erkennt man an der Liebe Wilhelm Weber
  • Joh 14, 1-6: Wege zum Vater
  • Joh 14, 15-21: Der Paraklet
  • Joh 20, 19-31: Thomas und der Auferstandene
  • Joh 20, 24-29: Friede auch dem Zweifler Wilhelm Weber
  • Joh 21,15ff: Weide meine Lämmer Peter Josef Dickers

  • Jo 2, 1-11: Ne kleine Verzäll üvver de Ih [Karnevalsprädig 2018] Wilhelm Weber

    Leev Mädcher un Junge vun Maye!

    1. De Huzigg zo Kana: off gehoot, dismol op Kölsch.
    Wat muss dat för e Fess gewäs sin!
    Dat religiöse Ritual kütt üvverhaup nit zor Sproch.
    De Haupsach is de Party.
    Met dobei: der Jesus -
    dressig Johr jung, voll em Levvenssaff -
    un sing Mamm, dat Marie.
    Er weed gesoffe, bes nix mih do es.
    Dann gitt im sing Mooder ene kleine Wink
    un der leeve Jung weis, wat hä zo dun hätt.
    Hä deit sing eets Wunder em Fessrusch.
    Hä mäht Wasser zo Wing - e extra god Dröppche.
    Et Levve hätt in voll em Griff.
    Vun wäge: Asket un null Bock op Vergnöge!

    Han ich nit Rääch?

    2. Paps Franziskus hätt letzt Johr entschiede,
    dat Ihe en Zokunf flöcker annuleert weede künne.
    E kirchlich Ihgereech deit dann fassstelle,
    dat de besherige Ih nit gültig wor,
    weil domols jet verkeht gelaufe wor.
    Dann künne de Geschiedene noch ens
    en der Kirch hierode.
    Wat der Paps ävver nit gesaht hätt -
    un dat fingen ich unfair -
    wo mer die Kinder us der Ih, die kein wor,
    widder zorückgevve kann.

    Han ich nit Rääch?

    3. Die Scheidung vun ener Ih es för de Kirch e Rieseunglück.
    Et heiß: eimol Jo gesaat - immer Jo gesaat.
    Ich ben ävver der Meinung,
    dat e Unglöck off och en andere, en positiv Sigg hätt.
    Am Engk han die Geschiedene nämlich
    ene ganze Püngel üvver ehr Levve dazo gelehrt.
    Und dat es doch jet Godes.

    Han ich nit Rääch?

    Dovun künnten die unverhierote Kirchefunktionäre
    sich selvs och en Schiev vun avschnigge.
    Dann bröten se am Engk nit alle
    dumm zo sterve.

    Han ich nit Rääch?

    Kirchliche Vörschrifte sin off am Levve vobei geschrivve.
    Un warum?
    Weil die Berufsmoraliste en denne Ampsstüffcher
    all dieselve Krankheit han,
    un die heiß: Realitätsverloss.

    Han ich nit Rääch?

    4. Et es noch nit lang her,
    do dät et op eimol heiße,
    der Bundesdag soll drüvver avstemme,
    ov et künftig Hierod för se all gevve soll.
    Och, denk ich, dat is ävver schön,
    dat der Bundedag darüvver avstemmp,
    ov de Pastürsch jetz hierode dürfe.
    Dat woodt ävver och langsam Zigg!

    Han ich nit Rääch?

    5. No god, mer wore övverhaup nit gemeint.
    Ävver die Schwule und die Lesbe,
    die dürfe jetz gleichgeschlechtlich hierode.
    Domet wör de Ih neu definiert, sagen die Moraliste.
    Na und?
    Et es doch ärg einfach:
    Wat denne Heteros rääch un hellig es,
    dat es denne Homos jetz zomindes och rääch,
    op dat "hellich" - also der hellige Sähn -
    müsse se noch jet waade -
    ich schätz: höchstens zwei- bis dreihundert Johr.

    Han ich nit Rääch?

    6. Ich han ene Vörschlag:
    De Kirch sollte sich nit in alles enmische,
    vör allem nit en die ganz intime Aangelegenheite.
    Ov en Ih geiht ov nit,
    ov mer noch zosamme levve well ov nit,
    ov Pänz krigge / Pänz han god es ov nit,
    dat künne et bess die Zwei entscheide,
    die et och angeiht.
    Do soll sich de Kirch ganz erushalde
    un nit in allem erömschnüffele.
    Dann bruch sei och weniger Bodenpersonal.

    Han ich nit Rääch?

    7. Un jetz - zom Schluss - noch ene Wetz:
    Säht der evangelische Pastur för singe katholische Kolleg:
    Ov mer dat noch erlevve,
    dat katholische Priester hierode dürfe?
    Enä, säht der katholische, mer nit,
    ävver vielleich uns Enkelche.

    Ich dät wünsche, ich hätt Rääch.

    Leev Lück, dot god op üch oppasse!
    Blievt gesund un maht üch Freud,
    denn et Levve duurt kein Ewigkeit.

    Mayoh!

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    Joh 3, 30: Er muss wachsen, ich muss kleiner werden Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Johannes der Täufer, dessen Geburtsfest wir heute feiern, ist ein Heiliger mit vielen Facetten. Schon die Geburtsgeschichte - offensichtlich eine Legende - weist auf die Bedeutung dieser Persönlichkeit als "Vorgänger" Jesu hin. Er lebte asketisch, er predigte in einer Sprache, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, und nannte Unrecht auch vor den Großen dieser Welt beim Namen. Das brachte ihm schließlich die Enthauptung ein. Was mich aber am meisten an ihm fasziniert, ist dieses eine Wort: "Er muss wachsen (gemeint ist Jesus), ich muss abnehmen, kleiner werden." Das ist eine Haltung gegen den Trend in unserer Welt.

    Wir erleben zur Zeit die Fußballeuropameisterschaft. Da geht es ums Siegen. Wer siegt, wird groß. Der Sieger wird groß gemacht vor allem durch die Fans in den Stadien und all denen, die auf den Straßen jubeln und die Helden feiern. Stellen Sie sich vor: die spielen und keiner geht hin. Ich erinnere mich an ein Interview im Fernsehen in dieser Woche mit dem Nationalspieler Thomas Müller. Er beklagte sich über den für seine Begriffe zu geringen Fan-Rummel in Deutschland. Er verstieg sich sogar zu der Äußerung, die Nationalmannschaft müsse sich am Ende noch schämen, wenn sie den Sieg nach Hause brächte. Ich fand das schon sehr anmaßend. - Nun ist Thomas Müller Gott sei Dank nicht maßgebend für die Kirche. Aber leider Gottes finden wir in der Kirche auch keine grundlegend andere Haltung. Ein Besuch des Papstes wo auch immer auf der Welt ist genau so ein Auftritt in Luxus, Macht und Siegerpose. Und die Bischöfe des besuchten Landes heizen die Papst-Fans genau so an wie Thomas Müller aus dem fernen Polen oder der Ukraine die deutschen Fußballfans in der Heimal. Was im Fußball normal sein mag, steht der Kirche aber nun überhaupt nicht zu Gesicht.

    Stellen Sie sich vor, die Kirche würde sich in diesem einen Punkt Johannes den Täufer zum Vorbild nehmen. "Jesus muss wachsen, ich (=die Kirche) aber muss abnehmen." Dabei gibt es so viele Worte in der Bibel, die wahre Größe unter Christen definieren. Ich zitiere aus dem Matthäusevangelium: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele (Mt 20, 25b-28)." Oder denken Sie an die Fußwaschung, wo Jesus mitten beim Mahl aufsteht und den Jüngern die Füße wäscht. Und dann sagt er: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch getan habe. (Jo 13,15)." Die Beispiele ließen sich um viele weitere ergänzen.

    Eine Religion, die zur Institution erstarrt ist, hat es oft schwer mit sich selbst. Sie verwaltet die heiligen Geheimnisse und konserviert sie so, dass nichts verloren geht. Doch Konserviertes ist meist keimfrei, d. h. ohne Leben. Da bedarf es ab und zu einer wahrhaft charismatischen Gestalt, wie etwa in den sechziger Jahren des Papstes Johannes XXIII, um das Konservierte wieder an die frische Luft zu bringen und fruchtbar werden zu lassen. - Übrigens war Jesus zu seiner Zeit und für seine Zeit ein ähnlicher Charismatiker. - Wer heute Ausschau hält nach Leuten, die die Kirche voran bringen, muss sich in Geduld üben. Er kommt sich vor wie in einer Telefonschleife: Bitte warten - please hold the line - bitte warten…

    Amen

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    Joh 6, 48-51: Ich bin das Brot des Lebens Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Wir haben gehört, was Jesus gesagt hat: "Ich bin das Brot des Lebens." Das kann nur in einem übertragenen Sinn gemeint sein. Wir können ihn ja nicht essen, es sei denn, wir interpretieren diese Worte im eucharistischen Sinn. Das haben wir alle irgendwann mal gelernt. Im eucharistischen Brot essen wir gewissermaßen Jesus. Aber auch das ist übertragener Sinn. Wir kauen ja nicht auf Jesu Leib herum. Wenn wir Jesus in uns aufnehmen, geistig und geistlich, dann stärkt er uns, gibt uns Kraft und Leben. Das alles stimmt. Aber der übertragene Sinn darf auch nicht so weit aus dem alltäglichen Leben weg führen, dass wir die konkrete Lebenswirklichkeit aus dem Blick verlieren. - Was meine ich damit?
    Gegenwärtige Lebenswirklichkeit ist, dass viele Flüchtlinge in unser Land kommen. Unsere Sorge ist, dass die uns das Brot, das wir täglich zum Leben brauchen, aufessen. Wir befürchten, dass wir für uns nicht mehr genug Wohnraum haben, wenn alle Flüchtlinge hier eine Wohnung bekommen; wir bangen um unsere Arbeitsplätze, wenn so viele junge Menschen hier einen Job annehmen. Schließlich sind wir besorgt um unsere kulturelle Identität, wenn so viel Fremdes sich um uns und in unserer Mitte niederlässt. Das Brot zum Leben könnte knapp werden, so fürchten viele.
    In diese Situation hinein sagt Jesus: "Ich bin das Brot des Lebens." Damit ist nicht das Brot gemeint, das wir beim Bäcker kaufen. Brot des Lebens ist eine Person, eine Person, die von Gott kommt und uns sagt, wie man das wahre Leben sichert. Das wahre Leben ist nicht das augenblickliche, das wir hüten und behüten und behätscheln und betätscheln, als würde es bis in alle Ewigkeit dauern. Nein, das gegenwärtige Leben ist brüchig und anfällig gegen alles, was zum Tode führt - mit Sicherheit zum Tode führt. Das wahre Leben ist das Leben bei Gott, das ewige Leben. Und Jesus versteht sich als das Brot dieses ewigen Lebens. Wer tut, was er sagt hat das Leben schlechthin.
    Und was sagt Jesus? Er sagt: "Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt." "Hingabe für das Leben der Welt" ist das entscheidende Stichwort. Hingabe oder Hergabe des Lebensnotwendigen für die Menschen in Not, für die Flüchtlinge, muss unsere Losung sein. So helfen wir nicht nur den Flüchtlingen zu einem menschenwürdigen Leben im Hier und Heute, sondern wir tun auch für uns was, für unser Leben über den Tod hinaus.
    Konkret: Stimmen Sie nie in den Jammer derer ein, die über den Flüchtlingszustrom klagen. Lassen Sie sich lieber etwas einfallen, wie Sie helfen können: finanziell über Spenden, über persönliche Kontakte mit Neubürgern, vielleicht auch über Patenschaften oder andere Möglichkeiten, die Ihnen liegen oder über die Sie in besonderer Weise verfügen. Gastfreundschaft, besonders dem Fremden gegenüber, ist eine eminent christliche Tugend. Wenn Sie sie üben, macht das nicht nur den Fremden glücklich, sondern auch Sie selber. Probieren Sie es mal aus!

    Amen

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    Joh 6, 51-58: Ich bin das lebendige Brot Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Der Text, den wir soeben gehört haben, ist fast 2000 Jahre alt. Er bedarf der Auslegung, um in unserer Zeit verstanden zu werden. - Drei kurze Gedanken:

    1. Fleisch und Blut sind die Chiffren, die man gebraucht, um einen Menschen in seiner Gesamtheit zu bezeichnen: seine Menschlichkeit, seine Eigenarten, seinen Charakter, sein Verhalten, seine Bedeutung für andere. Jeder Mensch ist für andere wie Brot, von dem eben diese Anderen leben; ein Lebensmittel in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Das gilt für alle Menschen: einer lebt vom Anderen, einer lebt durch den Anderen, keiner kommt ohne den Anderen aus, kann ohne andere existieren. Wir sind wie ein Netzwerk, das seine Stabilität bezieht aus den gegenseitigen Abhängigkeiten und aus dem solidarischen Verhalten aller. Und zwar geht es nicht nur um einzelne Gaben oder Dienstleistungen, sondern um die Gesamtheit dessen, was den Menschen ausmacht: eben den Menschen aus Fleisch und Blut. Dieses gegenseitige Geben und Nehmen, dieses Verwiesensein aufeinander schaffen Vertrauen, Sicherheit, manchmal auch Dankbarkeit, in jedem Fall Lebensmut und Lebensfreude. So wird Leben ermöglicht. - Was für alle Menschen gilt, reklamiert Jesus auch für sich selbst. Er mit Leib und Seele, Fleisch und Blut hat für die Menschen eine Bedeutung. Als Menschensohn und Gottessohn hat er sogar eine Bedeutung par excellence. Seine ganze Persönlichkeit ist damit gemeint mit allen Facetten seines Lebenswerkes: seine Verkündigung in Wort und Tat, sein Leiden und Tod, seine Auferstehung. Jesus meint, dass alles das für uns wichtig ist.

    2. Essen und Trinken meinen in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: einverleiben, sich zu eigen machen, in sich aufnehmen. Jesus ähnlich werden, was die Bibel als Nachfolge Christi bezeichnet, besagt, dass der Gläubige in seinem Glauben die Person Jesu und sein ganzes Lebenswerk verinnerlicht. Wer wird wie Jesus, hat teil am Leben, und zwar am ewigen Leben, am Leben der Auferstehung. Aber nicht nur um dieses ewige Leben geht es, sondern um eine Lebensführung, die zu Recht christlich genannt wird. Wer christlich lebt, gibt sein Leben hin. (Ich vermeide bewusst den Begriff des Opfers, weil er missverständlich ist. Gott will keine Opfer.) Christliches Leben ist ein Leben der Hingabe, ein Leben für andere, für die Armen, die Kranken, die Notleidenden; ein Leben eben, wie Jesus es gelebt hat.

    3. Die große Schwierigkeit im Verständnis dieses Textes ist jetzt die Aussage, dass der Gläubige Jesu Fleisch essen und Jesu Blut trinken soll und dass durch dieses Essen und Trinken die Gemeinschaft mit Jesus erst hergestellt wird. Sie merken schon, dass dieser Text offensichtlich in der Geschichte als eucharistischer Text verstanden worden ist; denn so verstehen wir ja die Eucharistie. Die Kirche hat an der Ausdrucksweise von Leib und Blut Christi immer festgehalten; doch bin ich davon überzeugt, dass die Gläubigen, die die hl. Kommunion empfangen, das meist nicht im wörtlichen, sondern in einem tiefen geistlichen Sinn verstehen. Und das ist auch in Ordnung so. Aber die Frage, ob durch den Empfang der Kommunion erst die Gemeinschaft mit Christus begründet wird oder ob durch die Kommunion die längst bestehende Gemeinschaft dargestellt wird, scheint mir nicht eindeutig geklärt zu sein. Wer als Christ lebt - ob innerhalb oder außerhalb einer Kirche - lebt bereits in Gemeinschaft mit Christus. Ein Frommtuer, der weder gläubig ist noch als Christ lebt, wird durch den Empfang der hl. Kommunion nicht zum Christenmenschen, wer aber glaubt und seinen Glauben lebt, der befindet sich längst in der Gemeinschaft mit Christus. Ich sage das denen zum Trost, denen in der Kirche die Teilnahme an der Eucharistie verweigert wird. Und ich sage es denen zur Bestätigung, deren Abendmahlsfeier nach katholischem Urteil keine Eucharistie sein soll, also allen nicht-katholischen Christen. Glaube und Liebe begründen die Gemeinschaft mit Christus, nicht erst der Empfang der Eucharistie.

    Amen

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    Joh 6, 66-69: Wollt auch ihr weggehen? Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Johannes, der Evangelist, hatte ausführlich über Jesu Brot-Rede berichtet. Die Reaktion bei den Zuhörern war: "Es ist unerträglich, was Jesus sagt." "Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher." Bislang waren Jesu Auftritte in der Öffentlichkeit top, ab jetzt offenbar flopp. Er fragt darum seine Apostel, ob auch sie weggehen wollen? Er lässt ihnen die Freiheit zu gehen oder zu bleiben. Keine Beschwörung des heiligen Restes, keine eindringliche Bitte zu bleiben, kein Druck und kein Zwang, sondern Freiheit pur. Denn bei Jesus bleiben kann man nur ganz freiwillig. Jesus legt größten Wert darauf. Sie kennen die Antwort des Petrus. "Herr, zu wem sollen wir dann gehen?" Eine Gegenfrage, keine Alternative, die besser wäre.
    Wir haben heute eine ähnliche Situation in der Kirche. Die Menschen wandern in Scharen aus der Kirche aus. Was sie dort in der Vergangenheit erlebt haben, ist unerträglich: Skandale des sexuellen Missbrauchs, Finanzskandale, Diskriminierung von Minderheiten und Menschen, die nicht nach den Vorstellungen der Kirche leben. Und der Rest steht vor der Frage: "Wollt auch ihr gehen?" Wer bleibt, bleibt nicht, weil er eine überzeugende Antwort hätte, nein, er bleibt, weil ihm eine Alternative fehlt. Wohin denn sonst?
    Allein Petrus antwortet auf die Frage Jesu: "Du hast Worte des ewigen Lebens." Ob die anderen Elf auch hinter dieser Antwort stehen, wie immer behauptet wird, bleibt offen. Genau so offen bleibt die Frage heute an die, die in der Kirche bleiben. Jeder muss da seine eigene Antwort finden und geben. Eine echte Alternative sieht wohl keiner. Und die Zeit, wo einer für alle antwortet, ist heute auch nicht mehr.
    Ich will versuchen, in wenigen Worten meine eigene Antwort zu geben auf die Frage, warum ich in der Kirche bleibe.
    1. Auch mir fehlt die Alternative. Wohin sollte ich gehen? Ich kenne keine Glaubensgemeinschaft, die ohne Fehler, ohne Versagen oder Diskriminierung wäre. Am Ende würde ich mir selbst im Wege stehen.
    2. Es gibt Glaubenswahrheiten, die ärgerlich sind, zumindest unverständlich oder sagen wir im höchsten Maße gestrig (in der Formulierung). Ich nenne einige: Auferstehung, ewiges Leben, Himmel und Hölle, Vergeltung, und andere Begriffe. Ich tue mich schwer, diese alten Überlieferungen wörtlich zu nehmen, weil ich sie nicht begreife. Auf der anderen Seite wage ich nicht, etwas für nicht existent zu erklären, nur weil mein Verstand zu klein ist, alles zu begreifen. Deshalb halte ich bewusst Fragen offen und erkläre sie nicht einfach für erledigt. Was mich ärgert: dass Theologen, die neue Antworten auf uralte Fragen des Glaubens entwerfen, bei den kirchlichen Obrigkeiten zu schnell in Ungnade fallen. Das macht mich wütend, ist aber kein Grund zu gehen.
    3. Glaube ohne Kirche ist für mich auch keine Alternative. So sehr ich die Freiheit liebe, so sehr braucht mein Individualismus, der schnell ausufert, seine Zügel. Und die tun immer weh. Es ist ein echtes Dilemma. Ich bleibe in der Kirche, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass ich auf meine Weise und mit meinen bescheidenen Mitteln Kirche - wenn auch kritisch - mitgestalten kann. Ich gehe der Verantwortung nicht aus dem Weg. Und es ist mir klar, dass solche Aussagen, wie ich sie heute mache, immer vorläufigen Charakter behalten.
    Ich ermutige Sie, ebenfalls vor sich selbst Rechenschaft abzulegen, warum sie bleiben und nicht gehen.

    Amen

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    Joh 8, 1-11: Zum Jahr der Barmherzigkeit Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Das Gleichnis von der Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, hat viele Aspekte, unter denen man diese Geschichte betrachten kann. Sie ist in jedem Fall ein Paradebeispiel für Gottes Barmherzigkeit. Nun hat Papst Franziskus am 8. Dezember vergangenen Jahres ein Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Er hat 1000 Missionare der Barmherzigkeit ausgesandt, deren Aufgabe jedoch nicht genau umschrieben wurde. Heilige Pforten wurden in vielen Kirchen weltweit geöffnet, deren Durchschreiten mit einem Ablass verbunden ist. Sicher sollen die Missionare Gottes Barmherzigkeit bekannt machen, so auch das Bußsakrament wiederbeleben und vor allem die Menschen zu Werken der Barmherzigkeit anhalten. Wenn der Heilige Vater sich und der Kirche ein Jahr der Barmherzigkeit verordnet, dann darf man sicher mal eine Vorstellung äußern, wie sich das innerkirchlich zum Segen der Menschen auswirken könnte.
    1. Barmherzig wäre es, wenn Geschiedene wieder kirchlich heiraten dürften.
    Als eine große Unbarmherzigkeit wird es in der Kirche empfunden, wenn Geschiedene, die kirchlich verheiratet waren, nicht erneut eine kirchliche Ehe schließen können. Eine Scheidung ist oft der letzte Ausweg aus einer unerträglichen Lebenssituation und schenkt den Ehepartnern wie auch den Kindern eine gewisse Befreiung aus einer unzumutbar gewordenen Gemeinschaft. Dass Ehe misslingen kann, gehört nun mal zu den harten Schicksalen, denen Menschen ausgesetzt sind. Nie kann man einen allein schuldig sprechen für das Scheitern seiner Ehe, nie sollte man das Ende der Ehe als ein Desaster werten, nie darf man Geschiedene als Gescheiterte disqualifizieren. Es wäre von Seiten der Kirche ein gewaltiger Schritt in Richtung Barmherzigkeit, wenn ein erneuter Eheversuch mit einem neuen Partner nicht mehr als schwere Sünde gebrandmarkt würde, sondern mit kirchlichem Segen begleitet würde. Nach dem heutigen Kirchenrecht sind Geschiedene verpflichtet, den Rest ihres Lebens ohne ehelichen Partner zu verbringen. Dagegen spricht die Einsicht, die schon im Schöpfungsbericht mitgeliefert wird, dass es nicht gut ist für den Menschen, dass er allein ist. Wer barmherzig denkt, stellt keineswegs die Moral auf den Kopf oder setzt sie außer Kraft, sondern ermöglicht einen Neuanfang, der neuen Lebensmut und neues Glück verheißt.
    2. Barmherzig wäre es auch, wenn schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften ein kirchlicher Segen nicht länger vorenthalten würde.
    Keiner sucht sich seine sexuelle Orientierung aus. Keiner hat Kenntnis davon, woher Homosexualität kommt. Wer schwule und lesbische Lebensgemeinschaften als schwer sündhaft qualifiziert, diskriminiert solche Menschen aufs Schwerste. Das kann sich die Kirche nicht länger leisten. Jeder Mensch ist von Gott mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet. Dazu gehört auch das Recht, dass jeder sein Leben nach der ihm eigenen sexuellen Orientierung gestalten darf. Ich halte es für einen längst fälligen Akt der Barmherzigkeit, schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften einen kirchlichen Segen zuzugestehen.
    3. Barmherzig ist es, wenn man armen und verfolgten Menschen hilft und Zuflucht gewährt, auch wenn sie zu Tausenden als Flüchtlinge zu uns kommen.
    Das Jahr der Barmherzigkeit ist gerade für uns Deutsche von höchster Aktualität. Kein europäischer Staat hat so viele Flüchtlinge aufgenommen wie die Bundesrepublik Deutschland. Tausende von freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern haben durch ihren Einsatz dafür gesorgt, dass das große Chaos ausgeblieben ist und Flüchtlingen ganz praktisch geholfen wurde. Dieses persönliche Engagement ist es, was in der ganzen Welt bewundert wird. Zwar gibt es auch ausländerfeindliche Gruppen, sie halten sich aber im Verhältnis zu den Hilfsbereiten in Grenzen. Helfen ist Christenpflicht, und helfen tun nicht nur die Christen. Es ist ein unglaubliches Zusammenwirken von Hilfsorganisationen und Einzelhelfern, von Menschen der unterschiedlichsten Motivationen. Barmherzigkeit macht die Welt menschlicher. Und auch die institutionelle Kirche könnte ihren Beitrag dazu leisten.

    Amen

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    Joh 6,1-15: Brotvermehrung Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind, sagt man. Selbst heute im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt bedarf es noch der Wunder, wenn jemand selig- oder heiliggesprochen wird. Dabei wissen auch heidnische Religionen von Wundern zu berichten. Das Wunder ist also keineswegs ein typisch christliches Phänomen. Es ist auch gar nicht die Frage, ob es Wunder gibt, sondern eher wozu Wundergeschichten erzählt werden. Hier geht es also um die Erzählung der wunderbaren Brotvermehrung nach dem Johannesevangelium.

    Alttestamentliche Vorlagen von Speisungswundern

    Bereits im Alten Testament gibt es Speisungswunder. Von Mose wird z.B. berichtet, dass er die Israeliten auf dem Wüstenzug mit Manna (Ex 16) und Wachteln (Nm 11) speist. Und vom Profeten Elischa wird eine Brotvermehrung berichtet (2 Kg 4,42-44), die ganz deutlich in den neutestamentlichen Brotvermehrungen wiederzuerkennen ist. Die Brotwunder des Neuen Testaments sollen zeigen, dass Jesus noch größer ist als Mose und Elischa. Denn Elischa hatte mit 20 Broten 100 Leute gespeist, während Jesus mit 5 Broten 5000 Männer speist. Damit überbietet er die größten Gottesmänner des Alten Testaments - ein anschaulicher Beweis, dass Jesus der Größte ist.

    Der heutige Evangelientext ist der Anfang der großen Brotrede (Kap 6) des Johannesevangeliums, in der Jesus selber sein Tun interpretiert und sich selber als das Brot des Lebens offenbart. So stellt es jedenfalls der Verfasser dar. Fünf Sonntage hintereinander wird nun in der Messe aus dieser Brotrede vorgelesen.

    Johannes: nicht Historiker, sondern Theologe

    Johannes, aus dessen Evangelium wir die Brotvermehrung gehört haben, hat Jesus aber gar nicht persönlich gekannt. Wie man seit langem weiß, hat er sein Evangelium erst 70 Jahre nach Jesu Tod verfasst. Es ist also völlig unklar, woher Johannes die Selbstoffenbarungen Jesu weiß, die er ja als wörtliche Rede niederschreibt. Es müssen Visionen oder ähnliches gewesen sein, die ihm die Erkenntnis gebracht haben, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Johannes ist wohl Zeuge einer bestimmten Glaubensrichtung oder theologischen Schule um die Jahrhundertwende. Deren Anliegen war es, Jesus als Sohn Gottes auf den Sockel der Verehrung zu heben. Auf diese Weise ist ein ganz neues Jesusbild entstanden.

    Markus dagegen denkt anders von Jesus: da ist er der Freund der Armen und Kranken; er hat Mitleid, fühlt mit den Menschen, ist wie ein Bruder für alle. Von Jesu Gottessohnschaft weiß er nichts.

    Allerdings hat die frühe Kirche das johanneische Jesusbild auf den ersten Konzilien legitimiert, hat ihm eine Berechtigung gegeben. Damit hat sie aber zugleich auch zugestanden, dass es nicht verkehrt ist, dieses oder jenes Jesusbild zu haben.

    Toleranz im Neuen Testament

    Ist das alles nur theoretischer Kram von Schriftgelehrsamkeit? Nein. Ich finde es großartig, dass im Neuen Testament Jesus- und Gottesbilder, die sich gegenseitig fast ausschließen, gleichberechtigt nebeneinander stehen. Gut, es hat damals noch keine römische Glaubenskongregation gegeben, sonst wäre das Markusevangelium wahrscheinlich aus dem Kanon der heiligen Schriften herausgeflogen. Das Johannesevangelium, das erst sehr spät und auf ziemlich obskure Weise entstanden ist und ein völlig anderes Jesusbild als das bis dahin gültige zeichnet, wird schon bald für alle verbindlich.

    In der Entstehung des Neuen Testaments ist eigentlich sehr viel Toleranz für Glaubensvielfalt grundgelegt. Erst im Laufe der Kirchengeschichte wurde das Jesusbild einseitig festgezurrt und verbindlich gemacht. Und jeder, der etwas anderes sagte, wurde mit dem Bann belegt. Würde man heute die Toleranz, die im Neuen Testament selbst zu finden ist, wirklich leben, dann wären fast alle ökumenischen Probleme gelöst - zumindest käme man einen ganzen Schritt weiter. Wir betrachten die Bibel zu sehr als eine Theologie aus einem Guss. Das ist falsch. Sie ist eine Sammlung von Glaubenszeugnissen der unterschiedlichsten Art, und alle sind für wert befunden worden, an die Nachwelt überliefert zu werden. Theologie und Glaube im Gleichschritt, das geht nicht und das braucht nicht. Die Wahrnehmungen Gottes sind in jedem Menschen anders, und keiner kann darauf verpflichtet werden, wie er gefälligst über Gott zu denken hat oder wie er an Gott glauben muss.

    Amen

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    Joh 13, 1-15: Ein Beispiel habe ich euch! Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Was einer in Erwartung seines eigenen Todes tut, hat besonderes Gewicht, ist von außerordentlicher Dichte. So muss man die Fußwaschung verstehen, die am heutigen Gründonnerstag vorgelesen wird. Sie ist eine Schlüsselbotschaft Jesu an seine Jünger, gewissermaßen ein Vermächtnis. Jesus unterbricht sogar das Mahl, um dieses Zeichen zu setzen. - Was ist gemeint?

    1. Die Abhängigkeit
    Den Leuten die Füße zu waschen, war damals eine Dienstleistung, die Sklaven zu erbringen hatten. Sie lebten in totaler Abhängigkeit von den Herrschaften, deren Eigentum sie waren. In diese Abhängigkeit begibt sich Jesus zeichenhaft. Er will der Sklave sein, der Geringste von allen und macht damit seine Jünger groß, lässt sie die Herrschaften sein. Das ist eine Umkehrung der herkömmlichen Rollen. Er, der Offenbarer der Herrlichkeit Gottes, macht sich zum Sklaven seiner Gefolgschaft. Damit wächst das Selbstwertgefühl der Jünger ins Unermessliche. Protest, wie Petrus ihn vorbringt, nützt da nichts. Im niedrigsten Dienst wird die göttliche Herrlichkeit offenbar.

    2. Die Not-wendigkeit
    Was Jesus tut, ist nicht beliebig, sondern not-wendig. Im Zeichen der Fußwaschung wendet er die Not, die darin besteht, dass Menschen Herrschaft über Menschen ausüben. Das ist das uralte Gesetz der Unterdrückung: die einen haben die Macht, das Sagen, die Herrschaft; die anderen bekommen den Druck zu spüren, sind abhängig, unfrei. Jesus wendet die Not auf sich, macht sich zum Sklaven, freiwillig, beispielhaft. Er will damit sagen: nur so kann man der Herrschaft der Menschen über Menschen begegnen. Jesus kennt keine Machtstrategien. Er entmachtet die Macht.

    3. Die Beispielhaftigkeit
    Ein letzter Gedanke. Das Beispiel, das Jesus gibt, soll Schule machen. Wer Jünger Jesu sein will, soll dasselbe tun. Er soll dienen, den untersten Weg gehen, nicht gezwungen, sondern freiwillig. Diese Gesinnung ist für die Jüngerschaft Jesu so entscheidend, so wichtig, dass Jesus ihrer Demonstration wegen sogar das Mahl unterbricht. War es ein Abendmahl? Vielleicht. Auf jeden Fall ist für das Christsein die innere Dienstbereitschaft noch wichtiger als der korrekte Vollzug des rituellen Mahls. Für den Evangelisten Johannes ist die Wahrhaftigkeit der Gesinnung das eigentlich Wesentliche des Christseins. Im Angesicht des Todes geht es um das Wesentliche. Und wir sind eingeladen, unser Leben auch so zu sehen und -- wenn nötig -- entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

    Amen

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    Joh 13, 34-35: Christen erkennt man an der Liebe Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Liebe ist das Erkennungszeichen der Christen. "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (13,35). Das schreibt der Evangelist Johannes, kurz nachdem er die Fußwaschung Jesu berichtet hat. Dort hatte Jesus gesagt: "Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe" (13,15). Die Liebe ist der Ausweis des Christlichen schlechthin. - Zu diesem Riesenthema nun drei Gedanken:

    1. Nicht der Glaube ist Ausweis der Jüngerschaft.
    In der Kirche sind wir eigentlich gewohnt, den Glauben als das Wichtigste anzusehen. Wer in die Kirche aufgenommen oder wieder aufgenommen wird, muss das Glaubensbekenntnis aufsagen. Bei der Kindertaufe tun es die Eltern und Paten stellvertretend für das Kind. Obwohl - das ist meine Überzeugung - kaum jemand mit den einzelnen Glaubensformeln innerlich das verbindet, was einst zu dieser Formulierung geführt hat, wird diesem gebetsmühlenhaften Aufsagen größte Bedeutung beigemessen. Um der Reinerhaltung dieses Glaubens wurden Theologen suspendiert, exkommuniziert und im Mittelalter sogar gefoltert und getötet. Für die Ausbreitung des Glaubens wurden Kreuzzüge unternommen von Leuten, die heute noch als Heilige verehrt werden. Um des Glaubens willen wurden und werden Kriege geführt - übrigens nicht nur von Christen. Jeder religiöse Glaube ohne Liebe führt unweigerlich in den Fanatismus. Ist es da nicht wohltuend, dass Johannes aus seiner Sicht des Christlichen nicht den Glauben, sondern die Liebe an die erste Stelle setzt? An der Liebe soll man erkennen, wer Jünger Jesu ist. Und nun stellen Sie sich vor, das würde man zum entscheidenden Kriterium machen im ökumenischen Miteinander.

    2. Was kann die Liebe verändern?
    Die Liebe als das entscheidende Kriterium in der Ökumene würde an erster Stelle den Andersgläubigen in seinem Anderssein achten und wertschätzen und ihm nicht, wie erst in jüngster Zeit von Rom geschehen, absprechen, wahre Kirche Jesu Christi zu sein. Die Liebe würde ganz selbstverständlich eucharistische Gastfreundschaft zulassen, ja pflegen. Der nächste ökumenische Kirchentag, der in München stattfindet, wird die Ökumene keinen Schritt weiter bringen. Haben doch der evangelische Kirchentagspräsident Eckhard Nagel und sein katholischer Kollege Alois Glück bereits im Vorfeld darum gebeten, "die in den Kirchen gültigen Regeln zu achten und in Bezug auf Eucharistie und Abendmahl in ökumenischer Sensibilität miteinander umzugehen". Im Klartext heißt das: keine gemeinsame Eucharistie, kein gemeinsames Abendmahl. Was da Sensibilität bedeuten soll, ist klar: Liebe hat hier nichts zu suchen. Der Kirchentag wird eine Farce sein, weil schon jetzt fest steht, dass es keinen Fortschritt geben darf.

    Natürlich geht es nicht nur um die Ökumene. Wenn zwei Menschen sich lieben, dann akzeptieren sie die Unterschiede und das Anderssein nicht nur, sondern wollen es und sehen darin eine Bereicherung der Partnerschaft. Respekt vor der Eigenart der Persönlichkeit und Annahme der individuellen Prägung und Entfaltung des Partners / der Partnerin sind ganz selbstverständliche Merkmale wirklicher Liebe. Liebe, die dem geliebten Gegenüber keine Freiheit zum Atmen lässt, ist in Wahrheit keine Liebe. Freiheit und Liebe sind Geschwister, keine Feinde.

    3. Gott ist die Liebe.
    Das ist die Definition Gottes in den johanneischen Schriften. Sie entspricht dem Gottesnamen des Ersten (Alten) Testaments, wo Gott der "Ich-bin-der-ich-bin" genannt wird. Und dieser "Ich-bin-der-ich-bin" sagt zu seinem Ebenbild Mensch: Auch du darfst sein, der du bist. Das ist seine Liebe. Sie schenkt Freiheit und eröffnet alle Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Gott liebt aus dem Menschen heraus, was an Größe und Einmaligkeit in ihm angelegt ist. Gottes Liebe klammert nicht, sie ergreift nicht Besitz, sie beherrscht nicht und engt nicht ein. Nein. Genau das Gegenteil ist der Fall. Gott traut dem Menschen zu, dass er seinen ureigensten Weg findet, dass er seinem Wesen Gestalt gibt, dass er er selbst wird.

    Aber auch umgekehrt gilt: der Mensch, der Gott wirklich liebt, lässt auch Gott Gott sein. Wer Gott liebt, schreibt ihm nicht ständig vor, was er zu tun und zu lassen hat, versucht nicht, auf Gottes Wege Einfluss zu nehmen. Wer Gott liebt, nimmt aus seiner Hand an, was er schenkt und was er zumutet und akzeptiert auch seine dunklen Seiten. Die Liebe erträgt alles.

    Amen

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    Joh 14, 1-6: Wege zum Vater Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Was wir soeben gehört haben, ist ein Abschnitt aus dem Johannesevangelium gewesen. Für die meisten Kirchenbesucher ist das Johannesevangelium einfach eines von den insgesamt vier Evangelien, ohne dessen besondere Eigenart zu kennen. Und so möchte ich Ihre Aufmerksamkeit für kurze Zeit mal lenken auf den grundlegenden Unterschied zwischen dem Johannesevangelium einerseits und den anderen drei Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) andererseits, den sog. Synoptikern.

    1. Der Unterschied zwischen dem Jesus des Johannesevangeliums und dem der synoptischen Evangelien
    Das Johannesevangelium ist erst rund 80 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu geschrieben worden. Dazwischen liegen also mindestens zwei oder mehr Generationen. Da kann sich Vieles ändern im Denken und Reden über Jesus. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass das Johannesevangelium den Jesusglauben der griechisch sprechenden Christen in Jerusalem zur Sprache bringt, der sog. Hellenisten, das sind die Christen, die vorher Heiden waren. Und die denken anders als die Judenchristen.v
    Markus, Matthäus und Lukas sind Judenchristen. Sie stellen in ihren Evangelien Jesus als den im Alten Testament angekündigten und erwarteten Messias dar. Der steht also in der Tradition der jüdischen Heilsgeschichte. Danach hat Jesus in besonderer Weise den Geist Gottes empfangen, und zwar in der Taufe, bei Lukas sogar schon seit der Empfängnis. Dieser Geist Gottes begründet und bewirkt die Sendung Jesu. Er predigt, er heilt, wirkt Wunder, hat Mitleid mit den Menschen und sammelt Freunde um sich. Er spricht vom nahen Reich Gottes und meint damit die unendliche Liebe Gottes, die uns näher ist als wir uns selber. Damit macht er sich jedoch unbeliebt bei denen, die auf die Einhaltung des Gesetzes pochen; denn die Menschen sollen sich erst mal das Wohlwollen Gottes verdienen. Es kommt zum Konflikt, der Jesus ans Kreuz bringt. Doch der Vater rettet seinen Sohn aus dem Tod und erhöht und verherrlicht ihn zu seiner Rechten. Jesus: ein wirklicher Menschensohn.

    Wie anders ist dagegen das Jesusbild des Johannesevangeliums. Da ist bereits im Prolog Jesus der Christus . der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht. Er hat Kunde gebracht. (1,18). Es ist ein Jesusbild, das . aus der Perspektive Gottes . sich selber erklärt: . Ich bin das Licht der Welt.. . Ich bin das Brot des Lebens.. . Ich bin die Tür.. . Ich bin der Weinstock.. . Ich bin die Auferstehung und das Leben.. . Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.. . Wer mich sieht, sieht den Vater.. Sicherlich sind das alles keine Originalzitate aus dem Munde Jesu, sondern es handelt sich um ein kreatives Jesusbild philosophisch-spekulativ denkender Hellenisten.

    2. Einheit in der Unterschiedenheit
    Es gibt also bereits innerhalb des Neuen Testaments zwei ganz unterschiedliche Jesusbilder, geformt aus unterschiedlichen Denktraditionen und dem Verstehenshorizont einer nicht-jüdischen Menschengruppe angepasst. Die frühe Kirche sieht darin keine Bedrohung der Einheit, sondern eine Bereicherung des Zeugnisses. Beide Traditionen werden gleichermaßen wertgeschätzt, indem sie beide in den Kanon der heiligen Schriften verbindlich für alle Zeiten aufgenommen werden. Auf diese Weise wird deutlich, dass das Christentum keine jüdische Sekte werden oder bleiben wird, sondern die Kraft hat, sich in kulturellem Neuland auszudrücken und zu bewähren. Die zentrale Rolle auf dem Weg zum Vater bleibt in jedem Fall Jesus vorbehalten. Das haben die jüdische und die hellenistische Sichtweisen gemeinsam.

    Im heutigen Evangelium geht es ja ganz einfach um den Abschied Jesu aus dieser Welt. Jesus geht zum Vater und will uns am Ende eben dorthin bringen. Für diesen einfachen Vorgang gibt es unterschiedliche Bilder . im jüdisch-christlichen Denken wie in den hellenistischen Vorstellungen. Und das ist berechtigt.

    3. Bleibende Aufgabe
    Was im Neuen Testament zu beobachten und m. E. vorbildlich gelungen ist, nämlich die Neudefinition des Glaubens in einer anderen als der jüdischen Kultur, das muss immer wieder versucht werden: in jeder Zeit neu, in jeder Kultur neu, in jeder Ortskirche neu. Kirche darf sich nicht abschotten und mit dem Argument der Reinerhaltung des Glaubens Blockaden aufbauen, die den Zugang zu Gott durch Jesus erschweren. Die Menschen haben ein Recht darauf, ihr eigenes Denken, ihr Lebensgefühl, ihre spezifischen Sorgen und Lebensprobleme, ihre veränderten Denkansätze und Lebensbedürfnisse in den Glauben einzubringen. Die Religion ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.

    In diesem Zusammenhang erlaube ich mir noch eine ökumenische Anmerkung. Die Vielzahl der christlichen Kirchen kann nicht nur Ärgernis sein, sondern darf auch positiv gesehen werden als Versuch, auf vielerlei Weise Menschen an Jesus heran zu führen. Ein Ärgernis ist das Gerangel um Macht und Einfluss und Herrschaft, was dem Geist Jesu widerspricht. In der Ökumene . will sie nicht weiter auf der Stelle treten wie seit Jahren . sind jetzt endlich mutige Schritte nötig. Dass sie möglich sind, dafür haben viele Theologen seit langem die Vorarbeit geleistet. Jetzt ist das kirchliche Amt gefordert, die geebneten Wege nun endlich zu beschreiten.

    Amen

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    Joh 14, 15-21: Der Paraklet Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Liturgisch stehen wir unmittelbar vor dem Fest Christi Himmelfahrt. Dass sich Jesus auf diese Weise den Blicken der Jünger nach Ostern für immer entzogen hat, geht auf eine Vision des Evangelisten Lukas zurück. Nur er erzählt von Christi Himmelfahrt. Aber auch der Evangelist Johannes macht den Abschied Jesu zum Thema. Danach hat Jesus vor seinem Tod eine Abschiedsrede gehalten. Wir hörten vorhin einige Verse daraus. Es lohnt sich, diesen Text etwas genauer zu betrachten.

    1. Der Paraklet (Beistand)
    Jesus sagt: "Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen." "Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit ... Ihr kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird." Jesus verspricht also, dass es nach seinem Weggang für die Jünger eine Kontinuität geben wird durch den Beistand, den heiligen Geist. Er wird an die Taten Jesu erinnern. Wie Jesus lehrt der Beistand die Wahrheit und führt in die ganze Wahrheit ein. Außerdem wird er die Gemeinde in Zeiten der Verfolgung ermutigen und stärken. So kann man zusammenfassend sagen: Wenn Jesus zum Vater geht, bleibt Jesus doch im heiligen Geist in der Gemeinde gegenwärtig. Dieser Geist ist der Garant, dass die Gemeinde in der Wahrheit gehalten wird. - Es ist eine wunderbare Botschaft, die aus diesem Text spricht.

    2. Mögliche Missverständnisse
    Es ist so menschlich, dass auch gute Botschaften missverstanden werden können. Zwei grundlegende Missverständnisse sind im Zusammenhang dieser Geistzusage denkbar.:

    Zum einen ist das Leiten durch den Geist nicht so zu verstehen, als würde das zu neuen Wahrheiten und Inhalten führen. Mit anderen Worten: der Beistand des Geistes ist keine Ermächtigung dafür, möglichst viele und neue Dogmen zu definieren. Vielmehr weist der Geist in alle Wahrheit, indem er immer tiefer verstehen lehrt, dass Jesus (und er allein) der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Jesus bleibt der Maßstab, an dem sich der Geist von den Geistern scheidet.

    Zum anderen wäre es ein Missverständnis dieses Textes aus dem Johannesevangelium, wenn man daraus die Unfehlbarkeit des Papstes begründen wollte. Denn das Verbleiben in der Wahrheit ist hier der ganzen Jüngergemeinde zugesprochen und nicht einem einzelnen Amtsträger. In Wahrheit kennt die johanneische Gemeinde überhaupt keine Ämterstruktur. Der heilige Paulus kennt so etwas, und auch in den anderen Evangelien kennen wir Ämter, aber eben nicht im Johannesevangelium. Den einzigen Dienstauftrag, den Jesus seinen Jüngern im Johannesevangelium erteilt, geschieht im Zusammenhang der Fußwaschung. Da sagt Jesus: "Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe." (13,13f.). Das ist nicht die Einsetzung eines Dienstamtes, sondern ist Forderung an alle, so gesinnt zu sein wie Jesus Christus.

    3. Konsequenzen
    Wir haben in unserer Kirche oft das trügerische Gefühl, dass alles, wie es ist, seine Richtigkeit hat. Wer sich in diesem Gefühl durch die Zusage des Beistandes, des heiligen Geistes, auch noch bestätigt fühlt, der hat den Text gründlich missverstanden. Der heilige Geist, der die Kirche in der Wahrheit hält, hat seine liebe Last, diese Kirche immer wieder an ihre Ursprünge zu erinnern und ihr klar zu machen, wie weit sie sich in manchen Dingen von ihren Wurzeln entfernt hat. Dabei wäre es auch für die Kirche keine Schande zuzugeben, dass sie mal was falsch gemacht hat.

    Amen

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    Joh 20, 19-31: Thomas und der Auferstandene Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    "Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht." So reagiert der Apostel Thomas auf die Behauptung der Jünger: "Wir haben den Herrn gesehen." Thomas ist skeptisch. Er will die Male des Todes nicht nur sehen, sondern berühren, um glauben zu können, dass Jesus lebt. Wenn das nicht möglich ist, dann will er nicht glauben, dass Jesus lebt.

    Die Geschichte des Thomas, den man früher immer als den Ungläubigen bezeichnete, ist eng verknüpft mit dem Wort Jesu von der Vergebung der Sünden. "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert." - Wir sind gewohnt, dieses Wort zu verstehen als Bevollmächtigung der Kirche, durch ihre Amtsträger im Sakrament der Buße den Sündern ihre Sünden zu vergeben oder die Vergebung zu verweigern. Das Recht auf die Verweigerung der Vergebung glaubte man aus diesem Jesus-Wort herleiten zu können. Die Verweigerung der Vergebung kam dann zum Tragen, wenn die von der Kirche gestellten Bedingungen nicht erfüllt waren. Sie kennen diese Problematik bei Geschiedenen, die wieder geheiratet hatten. Ihnen wurde keine Vergebung zugesprochen.

    Man kann indes dieses Evangelium auch ganz anders interpretieren. Jesus unterweist hier nämlich ganz allgemein die Jünger. Es handelt sich also nicht um eine Klerikerbelehrung, unter welchen Umständen die Vergebung nicht gewährt werden dürfe. Jesus beginnt mit der Mahnung "Friede sei mit euch!" Kirche hat also die Aufgabe, Frieden unter die Menschen zu bringen. Das ist nicht nur Aufgabe der beamteten Glaubensverkünder, sondern Mahnung an alle, für Frieden unter den Menschen zu sorgen. Denn so versteht Jesus auch seine eigene Sendung. ("Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.") Dann haucht Jesus die Seinen an, er haucht ihnen den Atem des Geistes Gottes entgegen. "Empfanget den Heiligen Geist!" Und dann kommt das bekannte Wort von der Vergebung. Es will sagen: Wer vergibt, gibt dem Geist Gottes Raum. Wer das nicht tut, verweigert sich dem Heiligen Geist. Wenn Jesus in dem Zusammenhang auf seine Wundmale verweist, will er klar machen, dass das Werk der Versöhnung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Es kann das Leben kosten. Aber der Tod vernichtet das Leben nicht für immer, sondern bringt neues Leben in die Welt und zu den Menschen. Das ist österliche Botschaft.

    "Wir haben den Herrn gesehen" dürfte Ausruf der Begeisterung und Zustimmung derer sein, die die Belehrung Jesu verstanden haben. Thomas, der Skeptiker, beharrt nicht in seiner Skepsis. Er braucht nur etwas länger und einen eigenen Termin bei Jesus, um zur selben Erkenntnis zu kommen wie seine Brüder. Das ist im Leben öfter so, dass die Schafe nicht alle im Gleichschritt laufen.

    Papst Franziskus hat bisher viel von Versöhnung gesprochen. Ich bin davon überzeugt, dass er über die Versöhnung mehr Frieden in die Kirche bringen möchte. Ich bin gespannt, wie er das schafft und wie viel Zustimmung und Ablehnung er dabei erfahren wird. Es könnte in der Kirche zu einem neuen Ostern kommen. Wer hätte das unter seinem Vorgänger noch für möglich gehalten?

    Amen

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    Joh 20, 24-29: Friede auch dem Zweifler Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Im Johannesevangelium gibt es unter den nachösterlichen Erscheinungen zwei besonders bemerkenswerte: einmal die Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern, wo Thomas nicht dabei war, und dann die Erscheinung vor den Jüngern in Anwesenheit des Thomas. Letztere haben wir grade im Evangelium gehört. Sie gilt fast ausschließlich dem Thomas. Auch ihm sagt Jesus: Friede sei mit euch! Und dann geht er auf dessen Problem ein und sagt: hier sind meine Hände, die durchbohrten, und hier ist meine Seite mit der Wunde. Wenn du magst, kannst du sie berühren. Thomas, der Zweifler, sollte haben, was er zuvor wollte, aber er nimmt es nicht in Anspruch. Überwältigt von der Erscheinung des Auferstandenen bekennt er seinen Glauben: "Mein Herr und mein Gott!" - Dazu nun drei Gedanken:

    1. Friede auch dem Zweifler
    Thomas gehört zum engsten Kreis der Vertrauten Jesu: zu den Aposteln. Er ist der einzige, der sich zu den Schwierigkeiten, die er mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu hat, bekennt. Das hindert Jesus nicht, ihn mit dem Friedensgruß zu grüßen. Einen solchen Umgang mit Zweiflern und Ungläubigen (früher nannte man den Thomas ja den Ungläubigen) kennt man in unserer Kirche nicht. Jesus wäre es im Traum nicht eingefallen, den Thomas etwa von der Eucharistie auszuschließen, nur weil der Schwierigkeiten hat mit dem Glauben an die Auferstehung. Wir werden uns wundern, welches Theater in der Kirche wieder veranstaltet wird, wenn in ein paar Wochen beim nächsten ökumenischen Kirchentag in München tiefgläubige evangelische Christen in einer katholischen Messe zur Kommunion eingeladen werden oder Katholiken am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Jesus würde wahrscheinlich auf die Menschen zugehen, so wie er auch auf Thomas zugegangen ist, und allen den Frieden anbieten.

    2. Glaubensschwierigkeiten ernst nehmen
    Es ist erstaunlich, dass Jesus ein zweites Mal erscheint, um unbedingt den Thomas zu treffen, von dem er weiß, dass er Schwierigkeiten hat mit dem Verständnis einer zentralen Glaubenswahrheit. Der Thomas ist es ihm wert, dass er auf dessen Forderung eingeht. Er soll die Wunden Jesu berühren. Zwar weiß Jesus, dass das nichts bringt, aber Thomas soll selber diese Erfahrung machen. Glaube kann nämlich nicht durch Abtasten, oder sagen wir durch Messen oder überhaupt durch physikalische Methoden verifiziert (bewiesen) werden. Zum Glauben kommt man, weil man von Gott einfach überwältigt ist, wie sich das ja auch bei Thomas gezeigt hat.

    Die Glaubensschwierigkeiten der Menschen heute sehen anders aus als die des Thomas. Die Menschen erleben heute, dass die Welt und ihre Gesetze erklärbar sind ohne Gott, sogar die Entstehung des Lebens. Wer ab und zu im Fernsehen mal anspruchsvolle Sendungen zu diesem Thema sieht, muss staunen, wie gottlos es da zugeht. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache; denn die Forschung geht davon aus, dass alles, was es gibt, nach einer inneren Gesetzlichkeit entstanden ist und sich erhält und weiter entwickelt. Das, was wir Schöpfung nennen, ist noch lange nicht am Ende und wird niemals zu einem Ende kommen. Man könnte sagen: Gott ist überflüssig geworden. Wäre es nicht notwendig, auf diese neue Situation der Gottesfrage in Predigten oder in der Bildungsarbeit einzugehen, mit den Menschen über diese neue Gottlosigkeit zu sprechen und in einen Dialog einzutreten? Was wir in den Kirchen über Gott bisweilen zu hören bekommen, ist nicht von gestern, sondern eher von vorgestern. Wir erleben zur Zeit eine sakramentale Notversorgung, und die Gläubigen verhungern geistlich wie geistig.

    3. Kritik zulassen
    Wenn sich der derzeitige Zustand unserer Kirche zum Besseren wenden soll, dann bedarf es der ständigen kritischen Begleitung durch möglichst viele Gemeindemitglieder. Das ist eine höchst prophetische Aufgabe. Auch Jesus hat sich Kritik gefallen lassen, sogar von einer heidnischen Frau. Sie sagt zu Jesus: Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus gibt keine Antwort. Die Frau aber lässt nicht locker und schreit: Herr, hilf mir! Darauf Jesus: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Die Frau kontert: Du hast recht. Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Da sieht Jesus ein, dass diese hartnäckige Kritik aus Glauben und einem unsäglichen Vertrauen geschieht. Und Jesus heilt die Tochter. (Nachzulesen unter Matthäus 15, 21-28)

    Kritik ist für jede Gemeinde und die Kirche insgesamt etwas Unverzichtbares. Zwar habe ich selbst erlebt, dass meine kritischen Predigten gewertet wurden als Hass gegen die Kirche, doch war die Zustimmung in den Gemeinden um ein Vielfaches größer. Die Kirche kann mit Kritik nicht umgehen. Das hat der Missbrauchsskandal gezeigt. Die m. E. zynischste Reaktion auf die Aufdeckung der sexuellen Missbrauchsfälle durch katholische Priester kam vom Regensburger Bischof Gerhard Müller, der den Medien Hetze gegen die Kirche vorgeworfen hatte; sie wollten nur den guten Ruf der Kirche zerstören. Glauben Sie, dass in Regensburg wirkliche Aufklärung betrieben wird?

    Kritik ist grundsätzlich nichts Böses. Sie mag unbequem sein für die jeweils Verantwortlichen, aber sie ist für die Kirche so wichtig wie für die Politik eine gute Opposition. Die Verantwortlichen der Kirche müssen noch viel lernen, und jeder einzelne Gläubige kann durch seine öffentliche Kritik dazu beitragen, dass dieser Lernprozess in Gang kommt. Hoffentlich erkennen alle, was das Gebot der Stunde ist. Denn es geht um den Bestand und um das Wohl der Kirche.

    Amen

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    Joh 2,11-15ff: Weide meine Lämmer Peter Josef Dickers

    In den vergangenen Wochen waren die Medien geprägt vom Bild des Papstes: zuerst vom sterbenden, dann vom neuen Papst. Hohe Einschaltquoten schienen zu signalisieren: Kirche, Religion und Glaube sind wieder "in" . Zum Weltjugendtag werden mehrere hunderdtausend - meist junge - Menschen erwartet. Ein Zeichen für "Alles-wird-wieder gut"?

    Ich bin da skeptisch und erinnere mich an das naive Gespräch zweier kleiner Mädchen. Meint die eine: "Der Papst ist gegen die Antibaby-Pille." Fragt die andere: "Was ist Papst?" Damit will ich sagen: von Papst, Kirche, Religion mögen sie gehört bzw. gesehen haben. Aber sind auch die damit verbundenen Lebensinhalte bei ihnen "angekommen"?

    Zwar behaupten viele: "Wie ich lebe, das geht keinen etwas an!" Dass aber dennoch Menschen nach Orientierung suchen - auch in der Kirche, auch in den Religionen - davon bin ich überzeugt. Was nützt es allerdings, wenn diejenigen, an die sie sich wenden wollen, "weit weg" sind, sozusagen "auf einem anderen Stern" leben?

    "Weide meine Lämmer, weide meine Schafe." (Joh 21,15ff) Das Wort Jesu an Simon Petrus heißt nicht: Sag ihnen, was sie zu tun haben, und dann zieh dich auf die Parkbank zurück, um die nächsten Anordnungen vorbereiten zu können. Petrus, seine Nachfolger und alle Obrigkeiten, die im Namen von Religion auf Menschen zugehen, müssen nahe bei den Menschen sein, damit sie gegenseitig ihre Stimmen hören können. Die gegenseitige Nähe von oben und unten, das wirkliche "Aufeinander-Hören" scheint mir weithin abhanden gekommen zu sein. Wenn Religion eine Liebesgeschichte zwischen Gott - welche Gestalt der auch immer haben mag - und Mensch begründen soll, dann reicht es nicht, im "Papamobil" durch die Menge zu fahren, um Nähe zu signalisieren. "Aussteigen", "der Zug endet hier" - heißt es auf manchen Bahnhöfen. Wer wirklich ankommen will, muss zu Fuß weiter und das Bad in der Menge nehmen.

    Das gilt in besonderem Maße für die Kirche, für alle Kirchen. Wir erleben, wie kritisch die meisten Menschen ihnen gegenüber stehen. Oft haben sie allen Grund zu der Annahme, dass Liebe und gegenseitiges Verstehen, das in ihnen verkündet wird, von ihnen selbst nicht gelebt wird. Und dann wird die Frage schon berechtigt: "Warum bleibe ich noch in dieser Kirche?" Noch haben viele den Traum nicht ausgeträumt, dass sie sich weiter entwickeln und entfalten wird.

    Oder ist das ein leerer Traum?

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