Themen - Christentum

Christentum

  • Buchempfehlung: Spong, John Shelby: Was sich im Christentum ändern muß

  • "Eine feste Burg ist unser Gott" - vom menschlichen Sicherheitsbedürfnis Wilhelm Weber

    Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer!

    Der gute alte Pater Dr. Martin Luther hat das bekannte evangelische Kirchenlied geschrieben, "Ein feste Burg ist unser Gott". Den Text hat Luther in Anlehnung an Psalm 46 gedichtet. Und damit erinnert er daran, dass Sicherheit bereits im Alten Testament ein menschliches Grundbedürfnis war, Es bestimmte das Verhältnis zwischen Mensch und Gott nicht unwesentlich. Und heute ist das Thema Sicherheit in der Gesellschaft brandaktuell und allgegenwärtig. Es geht heute weniger darum, wie sich der Staat vor anderen Staaten schützen und verteidigen muss oder darf, sondern heute ist Sicherheit ein Thema des einzelnen Bürgers. Die Ankunft der Flüchtlinge in den letzten Jahren hat viele bei uns verunsichert. Die Fremdheit der Ankömmlinge weckt Ängste bei den Einheimischen. Und terroristische Anschläge, wie wir sie im europäischen Raum und auch bei uns in Deutschland erlebt haben, lässt die Frage der Sicherheit des einzelnen Bürgers zu einem richtigen Problem werden. Darum die Frage: Welchen Stellenwert darf oder muss die Sicherheit in unserem Leben haben. Was sagt unsere Religion dazu?
    1. Das Sicherheitsbedürfnis ist ein legitimes Bedürfnis.
    Religiöse Menschen haben immer und in allen Religionen Schutz und Sicherheit gesucht bei ihren Gottheiten. Das Alte Testament enthält vor allem in den Psalmen Klagen und Ängste vor Feinden und flehentliche Rufe zu Gott um Schutz und Hilfe. In der Kirche gibt es Traditionen, die Gottes Hilfe geradezu beschwören: Bittprozessionen, Wallfahrten, Novenen Wettersegen und dergleichen. Sie kennen die Verehrung der Schutzmantelmadonna; das ist die Madonna mit dem weiten Mantel, unter den sich die Menschen flüchten und Schutz und Hilfe suchen.
    Vergessen wir jedoch nicht, dass das Sicherheitsbedürfnis jedes Menschen legitim ist, also nicht nur der Christen im Westen. Es ist nur zu verständlich, dass Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit, dass die fliehen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen zu überleben. So können auch Hunger und Krieg / Bürgerkrieg Gründe sein für Flucht in ein Land, wo es den Menschen besser geht. Als Flüchtling in einem anderen Land um Asyl zu bitten, ist immer erniedrigend. Wohl dem, der auf Menschen trifft, die es gut mit ihm meinen, die helfen und teilen und sich kümmern. Ich bin stolz auf unsere Regierung, die vor zwei Jahren die Flüchtlinge nicht abgewiesen hat, sondern sich der Herausforderung gestellt hat.
    Allerdings - das will ich nicht verschweigen - bin ich traurig und manchmal wütend, dass in der Regierung ausgerechnet eine Minipartei, die die Bezeichnung "christlich" und "sozial" im Namen führt, derzeit den Innenminister stellt, der den Flüchtlingen alles andere als christlich und sozial begegnet.
    2. Sicherheit kann nie absolut sein und muss begrenzt werden.
    Wer Sicherheit absolut setzt, muss sich in einer Gummizelle verschanzen, muss den Polizeistaat wollen, der alles kontrolliert, muss alle Freiheiten aufgeben und jegliche Selbstbestimmung. Das ist dann kein Leben mehr, das lebenswert wäre. Sicherheit hat immer einen Preis, einen Preis, der die Freiheit und Selbstbestimmung einschränkt. Das erlebt heutzutage jeder, der von A nach B fliegt: Sicherheitskontrollen bis zur Leibesvisitation, Datenabgleich mit Gefährderlisten, Meldung an geheime Datenbanken in Amerika usw. Übertriebene Sicherheitskontrollen gehen davon aus, dass jeder Passagier ein Sicherheitsrisiko sein kann. Das entspricht nicht dem christlichen Menschenbild.
    Erich Kästner hat einmal gesagt: "Leben ist immer lebensgefährlich." In der Tat können wir Leben nicht anders verstehen als Leben in Freiheit. Und Freiheit bedeutet nun immer auch Verunsicherung. Doch ist diese Verunsicherung nötig, damit wir Leben gestalten, damit wir auf Menschen zugehen, helfen, Menschlichkeit umsetzen. Wie wir aus der Überzeugung leben, von Gott angenommen zu sein, unter seinem Schutz zu stehen, so ist es uns möglich, auch andere anzunehmen und ihnen Schutz und Sicherheit zu bieten. Das ist nicht ohne Risiko. Gott hat mit der Schöpfung der Welt kein Haus der Sicherheit gemacht, sondern er hat sie mit allen Risiken geschaffen, die denkbar sind. Uns aber hat er aufgetragen, mit den Waffen der Liebe die Probleme anzugehen, indem wir den Armen Brot zu essen geben, den Obdachlosen ein Dach über dem Kopf geben, den Vertriebenen eine Bleibe und den Kranken eine Versorgung beschaffen. Das geht nicht, wenn man sich einigelt, wenn man sein Vermögen sichert und sein Herz verschließt. Das Christentum ist eine Religion der Liebe und nicht der Abschottung.
    Sicherheit ist nichts, was durch militärische Stärke oder durch Investitionen in Programme der inneren Sicherheit zu erreichen ist; Sicherheit wird gestärkt, wenn für Gerechtigkeit, Wohlstand und Frieden für alle gesorgt wird.

    Amen.

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