Themen - Pfingsten

Pfingsten

  • Pfingsten
  • Der Geist weht, wo er will (Pfingsten)
  • Sympathische Kirche (Pfingsten)

  • Pfingsten Matthias Petersen

    pfingsten (genesis 11, 1-9)

    am besten
    vergessen sie alles
    was sie bisher gehört haben
    über die alte geschichte vom "turmbau zu babel"
    für ein uraltes märchen hat man sie gehalten
    versuch einer erklärung der entstehung der verschiedenen sprachen
    irgendwann in grauer vorzeit

    aber in wirklichkeit war alles ganz anders
    neue archäologische forschungen zeigen
    kein märchen
    sondern
    tatsächlich
    eine ganz konkrete stadt
    ein tatsächliches geschichtliches ereignis

    der assyrerkönig sargon II. plant viele jahre
    "tag und nacht" schreibt er
    den bau einer stadt
    dur-scharrukin ("haus des sargon") wollte er sie nennen
    zur verherrlichung und erinnerung seines eigenen namens

    aus allen unterworfenen völkern
    auch aus dem gerade besiegten nordreich israel
    werden zwangsarbeiter nach dur-scharrukin transportiert
    unter unvorstellbaren bedingungen treiben sie den bau voran
    sargon befiehlt den zwangsarbeitern
    wie er schreibt
    "eine rede"
    er unterstellt sie einem befehl
    ausschließlich in der sprache assurs dürfen sie sich verständigen
    nicht in ihrer muttersprache
    eine zusätzliche demütigung der unterworfenen.

    sargon findet bald darauf den tod in der schlacht
    zwei jahre nach einweihung seiner neuen stadt
    sein nachfolger
    sanherib
    er fürchtet das als böses omen
    er läßt die stadt unvollendet
    die deportierten kehren in die freiheit zurück
    finden ihre eigene sprache wieder
    die himmelstürmende stadt dur-scharrukin zerfällt
    gott jahwe selbst
    so deuten es die zur zwangsarbeit gepreßten israelischen sklaven
    war herniedergefahren
    um seinem volk die freiheit wiederzugeben

    so geschehen im jahre 703 vor christus

    sprache
    herrschaftsinstrument zur unterwerfung und ausbeutung von menschen
    eine uralte erfahrung
    wo immer der mensch eine unterworfene kultur vernichten will
    da unterdrückt er
    als erstes
    den gebrauch der muttersprache der besiegten
    da gibt es viele beispiele auch aus unserer zeit
    aus rußland und kurdistan
    aus südtirol und dem baskenland
    aus wales und so vielen anderen
    mit sprache wird herrschaft ausgeübt
    der weltweite siegeszug des englischen
    symbol für den "american way of life"
    ist da eine weitere illustration

    sprache schafft jeweils auch eine neue wirklichkeit
    die älteren unter uns erinnern sich
    im dritten reich wurde
    mit sprache
    wirklichkeit geschaffen im sinne der machthaber

    menschen werden als "ungeziefer" benannt
    das setzt die tötungshemmung herab
    menschen darf man nicht töten
    ungeziefer schon.

    oder die parole "ein volk, ein reich, ein führer"
    die sprache trimmt den menschen
    auf vereinheitlichung des denkens und des wollens
    im keim erstickt werden geistige vielfalt und kontroverses argumentieren

    das war immer so
    das wird immer so sein
    sprache schafft wirklichkeit
    und die versuchung ist groß
    sich dies zunutze zu machen
    und menschen im sinn der eigenen ziele zu manipulieren

    einige beispiele aus der gegenwart mögen das belegen

    • die müllhalde wird zum "entsorgungspark".
    • der arbeiter wird nicht entlassen, er wird "freigesetzt".
    • fußballspieler werden "verkauft".
    • der krieg im irak war kein krieg sondern eine "chirurgische operation".
    • menschen, die an den anforderungen unserer gesellschaft scheitern, sind "wohlstandsmüll"
    • und die krebskranke patientin, eine junge mutter von drei kindern vielleicht mit großer angst und verzweifelten fragen, wird im jargon mancher krankenhäuser reduziert auf "den tumor von zimmer 13"
    • nach wie vor ist sprache ein indikator der geschlechtergerechtigkeit in einem land

    sprache schafft wirklichkeit
    und sprache ist herrschaft
    insofern
    ich habe viel verständnis für alle
    die hier den finger in die wunde legen
    die sprache immer wieder befragen
    auf ihre nationalistischen
    rassistischen
    sexistischen komponenten
    auch wenn dieser sprachliche purismus
    manchmal
    durchaus seltsame blüten treiben mag

    es ist darum wohl nicht der turm
    es ist auch nicht die stadt
    die gott
    in der biblischen erzählung
    sorgen bereiten
    die sind ja
    obwohl sie doch "bis an den himmel" reichen sollten
    so winzig
    daß er sie
    offensichtlich
    von oben gar nicht richtig begutachten kann
    da muß er "herniederfahren"
    da muß er ganz runter und auf die knie gehen
    vielleicht braucht er sogar eine brille
    um dieses türmchen sich anzuschauen
    nein
    die entscheidende herausforderung der gottheit gottes
    das ist die "eine sprache"
    von der in der biblischen erzählung die rede ist
    diese anmaßung des menschen
    neue wirklichkeiten an gott vorbei schaffen zu wollen
    da wird gottes liebevoller plan für diese welt
    für eine bunte fröhliche vielgestaltige
    immer wieder
    furchtbar pervertiert und auf den kopf gestellt

    • wo die große bunte vielfalt des menschlichen lebens, männer und frauen mit hoffnungen und träumen und ängsten und geschichten, in volkswirtschaftlicher diktion reduziert wird auf den begriff "arbeitskräfte, da werden diese menschen in ihrer ebenbildlichkeit gottes zutiefst entwürdigt.
    • wo krieg nicht mehr als krieg bezeichnet und als sünde begriffen werden darf, sondern kleingelogen wird zum "konflikt" oder zur "operation" (was ja das verständnis von "heilung" nahelegt), da wird die prophetische verheißung vom "shalom", vom frieden gottes, mit füßen getreten.
    • wo schließlich, um ein letztes beispiel aus einem schier unerschöpflichen vorrat zu bemü-hen, das wort "liebe" mißbraucht wird, um die käufliche sexualität des menschen zu be-schreiben, da wird damit gleichzeitig die liebe als lebenskraft, als göttliches wirken in die-ser welt verhöhnt.

    es geht
    auch hier wieder
    um das selbe uralte lied von allem anfang an

    martin luther sagt
    "der mensch kann
    weil er mensch ist
    nicht wollen, daß gott gott ist
    er würde sogar am liebsten wollen, daß er gott ist
    und daß gott nicht gott ist."

    der mensch wird zum sklaven seiner eigenen überheblichkeit
    gefangener einer selbst geschaffenen wirklichkeit ohne gott
    über die folgen dieser wirklichkeit brauchen wir hier nicht zu diskutieren
    sie sind allgegenwärtig
    so bleibt nur die verzweifelte frage
    wer
    um gottes willen! (buchstäblich!)
    befreit den menschen aus seiner selbstgeschaffenen sklaverei

    die alten israels hatten gott erfahren als den
    der "herniederfährt"
    der seinem volk die freiheit bringt
    gott kommt herunter auf die ebene des menschen
    die ganze bibel ist voll von erinnerungen an einen gott
    der immer wieder "herniederfährt"
    um seinem volk nahe zu sein
    die ganze geschichte des jesus von nazareth
    es ist die geschichte des "heruntergekommenen" gottes
    buchstäblich
    "das wort ward fleisch und wohnte unter uns"
    man kann die geschichte jesu nicht anders erzählen
    denn als die geschichte gottes
    der herabkommt an die seite des menschen
    um diesen menschen aus seiner
    selbstverschuldeten
    sklaverei seiner selbst zu erlösen

    natürlich
    das sind alles uralte geschichten
    niemand von uns hat ihn zu gesicht bekommen
    den niedergefahrenen gott
    und jesus ist auch nicht mehr unter uns
    seine tage auf dieser erde sind auch schon 2000 jahre her

    und doch
    unbestreitbar
    sein geist ist unter uns lebendig
    immer noch und immer wieder
    was sonst denn sollte menschen treiben
    sich
    um der liebe und der wahrheit willen
    mund und finger zu verbrennen
    was sonst denn sollte mut machen,
    auch aussichtslose verhältnisse nicht einfach hinzunehmen
    sondern dem leiden der menschen die stirn zu bieten
    die unfreiheit und unterdrückung
    folter und haß nicht zu tolerieren
    was sonst denn sollte menschen bewegen
    der gewalt eben nicht mit gewalt zu begegnen
    und dem haß nicht mit haß
    die bibel hat
    auf ihren ersten seiten
    die geschichte vom turmbau erzählt
    und von der diktatur der "einen" sprache
    ganz am ende
    in der apostelgeschichte
    beschreibt sie eine ganz andere erfahrung
    wie der geist gottes
    brausend und feurig
    "herniederfährt"
    und mitten unter das verängstigte häuflein der jünger fährt
    und wie mit einem mal in jerusalem menschen aus aller herren länder parther und meder und elamiter
    wir haben es gerade gehört
    die sprache der liebe gottes verstehen
    wie sie einander als geschwister begreifen
    einander neu schenken
    die vorenthaltene würde und gegenseitige achtung
    und sich geliebt wissen als kinder des einen befreienden gottes
    da ist sie
    die machtvolle gegenbewegung
    der anbruch einer neuen zeit

    wie hatte der prophet sacharja verheißen?
    "es soll nicht geschehen durch heer oder kraft
    sondern durch meinen geist
    spricht der herr."
    ein neuer geist,
    der dem leben eine bahn öffnet
    der den menschen aus seiner selbstversklavung erlöst.
    der mensch findet die sprache wieder
    in vielstimmigem jubel das lob seines schöpfers zu singen
    der mensch weiß sich geliebt von gott
    und er wird so frei
    auch sich selbst und seinen nächsten zu lieben
    der mensch weiß sich getragen und geborgen
    und wird so befähigt
    voller vertrauen in die zukunft zu gehen

    der unfreie mensch begegnet dem leben voller mißtrauen
    er muß die dinge unter kontrolle halten
    er muß alles planen
    er muß alles selber steuern
    er kann nur einen einzigen weg
    nämlich seinen eigenen
    als richtig und wahr zulassen
    wo aber gottes geist "herniederfährt"
    wo seine liebe unter uns gestalt annimmt
    da können wir uniforme sprache
    und uniformes denken
    getrost vergessen
    da verstehen sich die menschen
    auch über die schranken ihrer unterschiedlichen traditionen und glaubensvorstellungen hinaus
    und da können wir dann die türme und mauern menschlicher selbstverherrlichung getrost einem gnädigen verfall überlassen
    es wird genau sein wie vor urzeiten
    beim verfall von dur-scharukkin
    dem hat auch niemand eine träne hinterhergeweint

    amen!

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    Der Geist weht, wo er will (Pfingsten) Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Wir feiern Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, jenes Geistes, dessen Wirken die Bibel hundertfach bezeugt und dessen Anwesenheit auch für unsere Zeit verheißen ist. Die Kirche beansprucht, Mittlerin dieses Geistes zu sein, Dass sie es oft gewesen ist, hat sie in den 2000 Jahren ihres Bestehens bewiesen, dass sie es jedoch nicht immer war, ist ebenso eine Erkenntnis dieser langen Kirchengeschichte. Das ist nicht verwunderlich, denn Jesus selber hat im Gespräch mit Nikodemus den Geist mit dem Wind verglichen. "Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist." In Wahrheit gibt es keinen Anspruch, alleiniger Windkanal des Heiligen Geistes zu sein. Er lässt sich nicht kanalisieren, will sagen: er lässt sich nicht institutionalisieren, lässt sich nicht von einzelnen Menschen, Ämtern oder Institutionen vereinnahmen. - Was heißt das für die Kirche? Sie muss sich mehr als bisher dem Heiligen Geist öffnen, und zwar in dreifacher Hinsicht.

    1. Öffnung für den Geist der Zeit
    Der Zeitgeist hat einen schlechten Ruf, gilt er doch als Modetrend, der einfach das Alte in Frage stellt und Neues zur Norm macht. Insofern ist der Zeitgeist ein Störenfried in allen eingefahrenen Systemen. Der Zeitgeist macht auch die Kirche verrückt. Und darum ist es eigentlich üblich, in Predigten über den Heiligen Geist zuerst vor dem Zeitgeist zu warnen und ihn dann als dem Heiligen Geist entgegengesetzt zu entlarven. Das aber tue ich nicht. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Heilige Geist sich in jeder Zeit zeit-spezifisch bemerkbar macht. Ein solcher Geist stört immer den gewohnten Betriebsablauf, weshalb die auf Kontinuität bedachten Kirchenmänner von ihm nichts wissen wollen.

    Konkret: In unserer Zeit braucht die Kirche zeitgemäße Strukturen. Tatsächlich wird derzeit in allen deutschen Diözesen fleißig am Umbau der Strukturen gebastelt. Allerdings geht es den Bastlern nur darum, mit den weniger werdenden finanziellen Mitteln in Zukunft auszukommen. Andere Reformen, die das theologische Denken betreffen, haben noch keine Chancen. Dabei wären hier ein Umdenken und eine Neuinterpretation des Glaubens genau so dringlich. Denn was früher vielleicht richtig war, reicht heute nicht mehr aus, um den Aufgaben gerecht zu werden. So ist die hierarchische Struktur der Kirche z.B. nicht von Gott für alle Zeiten vorgegeben. Sie ist veränderbar, wenn die Zeit es erfordert. Oder der Ausschluss der Frauen von allen kirchlichen Ämtern ist entgegen päpstlichen Behauptungen nicht göttlichen Rechts und könnte jederzeit aufgehoben werden. Dann hätten wir nicht nur den Priestermangel behoben, sondern auch ein Stück Menschenrechtsverletzung in der Kirche beseitigt. Der Priesterzölibat ist kein göttliches Gebot und daher grundsätzlich änderbar, wenn die seelsorgliche Situation es erfordert. Der Heilige Geist redet nicht zu allen Zeiten mit gleicher Zunge, sondern er sagt, was die jeweilige Zeit braucht. Daher ist die Öffnung für den Geist der Zeit eine unumgängliche Gehorsamspflicht kirchlicher Verantwortungsträger.

    2. Öffnung für die Charismen der Laien
    Die Unterscheidung der Gläubigen in Kleriker und Laien ist schon verhängnisvoll. Das, was alle vor Gott als Christen ausweist, ist ihr gemeinsamer Glaube. Und das grundlegende Sakrament, das das gemeinsame Priestertum aller begründet, ist die Taufe. Taufe und Firmung sind Ausdruck der Vermittlung des Heiligen Geistes. Es ist nicht richtig, dass Papst und Bischöfe grundsätzlich mehr Heiligen Geist empfangen hätten als die sogenannten Laien. Der Geist weht ohnehin, wo er will. Er privilegiert die Amtsträger nicht. (Sonst müsste man das doch merken.)

    Das bedeutet für die Kirche, dass sie sich den Charismen (Geistesgaben) der Laien öffnen muss. Ihre Aufgaben erschöpfen sich nicht nur im Weltdienst. Es gibt Begabungen und Fähigkeiten, die segensreich z.B. für die Verkündigung sein könnten. Wenn Laien sich mit der Bibel beschäftigen, dann muss das gar nicht laienhaft zugehen. So erlebt vor Jahren mit Erstkommunionkatechetinnen, die sich auf einer Tagung mit einem Evangelientext beschäftigten und dabei zu ganz erstaunlichen Einsichten kamen. Nicht jede Predigt eines dazu Geweihten und Beauftragten hat so viel Theologie-Gehalt, wie da zu Tage gefördert wurde. Die Beispiele kann man beliebig ausdehnen. Funktionen, die dem Klerus vorbehalten sind, könnten von Laien, ergänzt, bereichert, verbessert werden - wäre da nicht die klerikale Überheblichkeit, die alles besser machen zu können glaubt.

    3. Öffnung für den guten Geist anderer Religionen
    Der Heilige Geist weht, wo er will. Diese Einsicht, die ja eine biblische ist, schließt ein, dass auch in anderen Konfessionen, Religionen und sogar in Menschen, die nichts mit Religion zu tun haben, der Heilige Geist am Werk sein kann. Eine solche Erkenntnis mag im Einzelfall bitter sein; aber wenn es der Kirche nicht nur um Prestige und eigenes Ansehen geht, sondern um wirkliche Wahrheit und um das Wohl der Menschen, dann müsste es eine über alle Grenzen hinausgehende Zusammenarbeit geben aller Menschen guten Willens. Pfingsten ist ein geeignetes Datum, an all diese Dinge zu erinnern und die Öffnung für den Geist einzufordern. Der Heilige Geist lässt sich sicher nicht zwingen, aber man könnte ihm ja schon mal die Tür öffnen.

    Amen

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    Sympathische Kirche (Pfingsten) Wilhelm Weber

    Liebe Christen!

    Pfingsten - so sagt man - ist der Geburtstag der Kirche. Eindrucksvoll hat Lukas in der Apostelgeschichte beschrieben, wie der heilige Geist den Jüngern damals Rückenwind gegeben hat auf dem Weg in eine gute Zukunft. Mit Freude und Begeisterung legten sie Zeugnis ab vor allen Menschen in Jerusalem von dem Grund ihrer Hoffnung und Zuversicht. In der Apostelgeschichte heißt es (2,47): "Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten." Muss das ein sympathischer Verein gewesen sein!  Heute erleben wir eher das Gegenteil: die Kirche verliert immer mehr an Sympathie, und die Menschen laufen ihr nicht mehr zu, sondern davon. Ich möchte am heutigen Pfingstfest von drei Aspekten sprechen, die der Kirche wieder Sympathien einbringen könnten, und zwar sowohl bei ihren Mitgliedern als auch bei Außenstehenden.

    1. Offenheit statt Abgrenzung
    Die Kirche braucht wieder mehr Offenheit: Offenheit z. B. für Geschiedene und Wiederverheiratete, Offenheit für alternative Formen des Zusammenlebens, Offenheit für Frauen in kirchlichen Ämtern, Offenheit für Christen anderer Konfessionen, Offenheit für einen echten Dialog mit den Weltreligionen, Offenheit für Forschung und Wissenschaft - um nur ein paar Gebiete zu nennen. Denn die Kirche ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Sie muss den Wandel der Zeit zur Kenntnis nehmen (sie kann ihn ohnehin nicht aufhalten) und positiv mitgestalten. Eine Kirche, die ihre Identität dadurch zu bewahren sucht, dass sie sich permanent abgrenzt von der Moderne, Entwicklungen in der Gesellschaft und im Lifestyle nicht zur Kenntnis nimmt oder verteufelt, verbaut sich ihre Zukunft. Offenheit bedeutet ja nicht Identitätsverlust, im Gegenteil: Offenheit für die Menschen und die Zeit müsste zum Qualitätsmerkmal der Kirche werden. Das würde ihr neue Sympathien einbringen.

    Die Jerusalemer Christen damals hatten keine Angst, etwas zu verlieren. Mit großer Offenheit traten sie den Weltmenschen entgegen und siehe da: die kamen in Scharen gelaufen und schlossen sich ihnen an.

    2. Anerkennung der Menschenrechte
    Die Kirche würde mit Sicherheit auch dadurch an Sympathie gewinnen, wenn sie die Charta der Menschenrechte auch für sich selber als verbindlich anerkennen würde. Wir haben zur Zeit die paradoxe Situation, dass der Vatikan im politischen Alltag von totalitären Staaten lautstark die Einhaltung der Menschenrechte fordert, selber aber die Unterschrift unter das Dokument verweigert. Natürlich beinhalten die Menschenrechte mehr als nur das Recht auf freie Religionsausübung, worum es der Kirche vor allem geht.

    Würde die Kirche selber die Menschenrechte voll akzeptieren und auch umsetzen, dann müsste sie auf viele Privilegien verzichten, die bei uns gegen geltendes Zivilrecht verstoßen: zum Beispiel im Arbeits- und Sozialrecht, zum Beispiel im Gleichstellungsrecht von Mann und Frau, im Antidiskriminierungsrecht, im Prozessrecht und vieles mehr. Es müssten zudem demokratische Strukturen eingeführt werden. Damit würde institutionelle Macht grundsätzlich kontrolliert und begrenzt. Sympathisch wäre daran für das Kirchenvolk, dass es in solchen Strukturen auf wichtige kirchenpolitische Richtungsentscheidungen Einfluss nehmen und Kirche mitgestalten könnte. Schließlich ist nach dem Zeugnis der Bibel allen getauften gleichermaßen der heilige Geist gegeben und nicht nur den Inhabern höherer Ämter.

    3. Kirche der Armen
    Ein letzter Gedanke: Kirche muss von ihrem Selbstverständnis her Kirche der Armen sein. Längst lebt die Mehrheit der Christen in Ländern der Dritten Welt; sie leben zumeist in ungerechten politischen und sozialen Strukturen und in bitterer Armut. Strukturelle Armut bedeutet zugleich Abhängigkeit, Ausbeutung, Erniedrigung. Aber nicht nur um die Kirchenmitglieder geht es, sondern generell um die Armen in dieser Welt. Denn die Armen sind die eigentliche Legitimation der Kirche. Da reicht nicht ein bisschen Wohltätigkeit der Reichen aus, da muss es um Befreiung aus der Knechtschaft ungerechter und unmenschlicher Strukturen gehen. Ist das Aufgabe der Kirche? Die südamerikanischen Befreiungstheologen beantworten diese Frage mit einem klaren "Ja", während der Vatikan diese Option nicht teilt. Natürlich geht es nicht um Revolution und bewaffneten Kampf, wohl aber um die Solidarisierung mit den Armen und Rechtlosen und um die strukturelle Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitssituation.

    Ist es nicht so, dass auch wir gegenwärtig in unseren Breiten erleben, wie die Reichen immer reicher werden und die Armen ärmer? Das müsste die Kirche aufhorchen lassen. Zeichen der Solidarität mit den Armen sucht man indes vergeblich.

    Sympathisch wird die Kirche nicht durch Anzeigenkampagnen, sondern indem sie sich auf ihren Ursprung besinnt und den Geist Jesu Christi in dieser Zeit lebendig werden lässt. Das würde auch heute die Menschen beeindrucken und ihnen Lust auf Kirche machen.

    Möge die Feier des Pfingstfestes dazu beitragen, dass es bald auch in der Kirche wieder Frühling wird. In diesem Sinne: frohe und gesegnete Pfingsten!

    Amen

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