Themen - Ehe
Wenn die Ehe an ihre Grenze stößt - Muss unsere Kirche nicht barmherziger werden? Peter Josef Dickers
Wir machen Grenzerfahrungen im Leben. Dabei kann es zu Verletzungen kommen, die wir selbst erleiden oder anderen zufügen.
Manchmal fühlen wir uns dann schuldig - so wie zwei Ehepartner, die den schmerzlichen Prozess ihrer Trennung und Scheidung
durchlebt und sich in gegenseitigem Schuldgefühl getrennt haben. Sie möchten zwar nicht zurück, aber sie würden sich wohler
fühlen, wenn ein versöhnlicher Schluss-Strich unter ihre bisherige Beziehung gezogen werden könnte.
Wer hilft ihnen dabei? Die Kirche? Eheleute, deren Ehe zerbrochen ist und die wieder geheiratet haben, halten die Kirche,
vornehmlich die kath. Kirche, für unbarmherzig, unversöhnlich und hart. Sie fühlen sich kalt ausgesperrt, wie "Katholiken zweiter Klasse".
Die kirchlichen Regelungen können sie meistens nicht verstehen, und sie sehen sich mit ihrem Problem nicht ernst genommen.
Schadet der Kirche nicht dieser Mangel an Lebensnähe, an Toleranz und an Barmherzigkeit? Macht er es ihr nicht schwer,
glaubwürdig die befreiende Botschaft Jesu von einem Gott zu bezeugen, der den Menschen zugewandt ist? Wenn die Ehe an ihre
Grenze stößt, darf die Kirche dann diejenigen, die sie um Rat bitten, allein lassen?
In Deutschland scheitern jedes Jahr ca. 150.000 Paare am lebenslangen Projekt Treue. Die meisten davon haben kirchlich geheiratet.
Wenn sich die Kirche als heilsame Gemeinschaft erweisen will, dann muss sie nicht nur für den Schutz der Ehe eintreten, sondern
sollte den Menschen auch dann zur Seite stehen, wenn ihre Beziehung an ein Ende kommt. Vielleicht kann sie dann deutlich machen,
dass Gott auch mit geht in das Zerbrechen einer Ehe. Vielleicht kann sie ihnen die Hoffnung vermitteln: die vergangene Ehe war
nicht sinnlos. Sie behält ihr Gewicht; das Ja dazu bleibt, es muss nicht widerrufen werden. Vielleicht kann so deutlich werden,
dass Scheidung nicht Endstation sein muss, sondern Durchgang und Übergang zu einem neuen Leben sein kann.
Menschen brauchen zum Überleben ein Obdach für die Seele, hat jemand gesagt. Manchmal brauchen sie ein neues Obdach, weil das
Haus unbewohnbar geworden ist. Wiederheirat ist in der Regel kein Zeichen für einen Mangel an Moral, sondern Hinweis
auf Überlebenswillen. Zugleich zeigt sie, dass Menschen auch dann nicht vom Traum einer dauerhaften, verlässlichen Bindung
ablassen, wenn sie einmal Schiffbruch erlitten haben.
"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet." Ein Wort Jesu. Gilt es nicht auch für die Kirche? Muss Kirche nicht
daran mit wirken, dass Ehe ein Dach für die Seele bleibt auch für diejenigen, die es von neuem versuchen?
Und außerdem: gibt es im Leben nicht heilsame Abschiede?
Abschied tut zwar weh. Aber kann es nicht je nach Situation hilfreich sein, Abschied zu nehmen - von Gewohnheiten, von Lebensabschnitten?
Abschied tut weh: von der Freundin, vom Freund, vom Ehepartner - von Menschen, mit denen man ein Leben lang zusammen sein wollte.
Da kann eine Ehe nicht mehr fortgesetzt werden, weil man sich gegenseitig nur noch verletzt und sich das Leben zur Hölle macht.
Abschied nehmen würde bedeuten: sich von Enttäuschungen verabschieden. Ideale, die man verwirklichen wollte, haben sich als
Illusionen herausgestellt.
Natürlich kommt es vor, dass sich Menschen zu schnell aneinander gebunden haben oder zu schnell vor Konflikten davon laufen.
Aber soll dann, wenn kein Lösungsweg in Sicht ist, der Rest des Lebens einem gemeinsamen Straflager gleichen?
"Was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein." Das steht in der Bibel. "Was ihr auf Erden lösen werdet,
wird auch im Himmel gelöst sein." Auch das steht in der Bibel. Kann bzw. soll die Kirche nicht beide Aspekte in
ihrem Handlungsspielraum berücksichtigen?"
Ehe: Mut zum zweiten Schritt Peter Josef Dickers
Die Liebe gleicht einem Ring und der Ring hat kein Ende, sagt ein russisches Sprichwort. Das gilt wahrscheinlich auch dann, wenn sie am Ende ist vor dem "Bis dass der Tod euch scheidet". Soll man einen Neuanfang wagen, auch wenn dies nach röm.- kath. Kirchenrecht Christen verwehrt ist, solange der geschiedene Partner noch lebt?
Es geht nicht um ein neues Probieren. Erwachsene Menschen sind in der Regel über das Probierstadium hinaus.
Es geht darum, mit einem neuen Partner wieder in Frieden leben zu können. Wenn das bisherige Haus der Beziehung
nicht mehr bewohnbar ist und die Bewohnbarkeit nicht wiederherstellbar ist, warum sollen dann die Betroffenen
nicht das Recht auf eine neue Liebe haben?
Warum dürfen nicht auch katholische Christen auf einen gnädigen, vergebenden Gott hoffen? Mit dem Scheitern
einer Beziehung ist doch ihr Leben nicht zu Ende.
Die Orthodoxe Kirche des Ostens sagt zwar auch, dass eine zweite Ehe mit der christlichen Norm eigentlich
unvereinbar ist. Im Unterschied zur katholischen Kirche toleriert sie nach einer Ehescheidung eine Zweit- bzw.
Dritt-Ehe. Die Scheidung wird verurteilt, nicht die Geschiedenen und Wiederverheirateten.
Viele würden die kath. Kirche nach einer standesamtlichen Zweitehe um den kirchlichen Segen bitten. Aus meiner Erfahrung im Dienst der Kirche weiß ich, dass es Pfarreien gibt, die das tun, während andere dies ablehnen. In der einen Pfarre muss jemand ein langwieriges, belastendes Eheverfahren auf sich nehmen, um eine erneute Ehe eingehen zu können. In der anderen findet er neben dem "gnädigen Gott auch einen "gnädigen Pfarrer" und erhält gleichsam zum Nulltarif eine liturgische Feier. Man könnte den Eindruck haben, dass Pfarrer gegen Pfarrer ausgespielt werden, wenn es darum geht, kirchliche Normen zu "interpretieren". Macht sich unsere Kirche nicht unglaubwürdig, wenn sie nicht offen auf jeden zugeht, der sie um ihren Segen bittet?
Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat 1980 erklärt, dass die Kirche "diejenigen nicht sich selbst überlassen kann, die eine neue Verbindung gesucht haben, obwohl sie durch das sakramentale Eheband schon mit einem Partner verbunden sind". Wann wird das umgesetzt?
Ich unterstütze den "Mut zum Neubeginn", zum zweiten Schritt. Jeder darf aus Fehlern lernen. Das gelingt allerdings wahrscheinlich nur, wenn man dem ehemaligen Partner die Vergangenheit vergibt, auf Vorwürfe verzichtet und keine Selbstrechtfertigung übt.
Ein mongolisches Sprichwort sagt: "In einem guten Wort ist Wärme für drei Winter." Das müsste auch für eine neue Ehe reichen.
Et bliev nix wie et wor, z.B. "Ehe für alle" Wilhelm Weber
Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer!
Wir leben in einer interessanten Zeit. Der fünfte Paragraph des Kölschen Grundgesetzes sagt: "Et bliev nix wie et wor." (Es bleibt nichts, wie es war.) Wie richtig diese Feststellung ist, ha-ben wir vor einigen Wochen in der Politik erleben können. Die Linke, die Grünen und die SPD hatten im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht unter dem Stichwort "Ehe für alle". Nach diesem Gesetzentwurf sollten künftig auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen. Noch vor dem Ende der Legislaturperiode sollte dieser Gesetzentwurf auch noch im Bundestag verabschiedet werden. Es gab eine zum Teil emotionale Debatte im Deutschen Bundestag. Alle Fraktionsführungen gaben die Abstimmung frei, so dass die Abgeordneten nicht der Fraktionslinie, sondern nur ihrem Gewissen folgen sollten. Und dann kam die Ab-stimmung: Die SPD, die Linke, und die Grünen stimmten geschlossen für das Gesetz, die CDU / CSU zu einem Viertel. Damit heißt es künftig im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Damit ist die Ehe neu definiert. Was hat sich geändert mit dem Gesetz vom 20. Juli 2017? Am 1. Oktober dieses Jahres endet das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001, und es gibt nur noch die Heirat für alle. -
Geht jetzt die Welt unter? Nein, sie geht nicht unter. Es ist interessant, dass seit diesem neuen Gesetz konservative Gruppen, zu denen auch die katholische Kirche zählt, nicht mehr über gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften lamentieren, sondern über die Neudefinition der Ehe und die Möglichkeit, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren dürfen. Die Konservativen haben ein neues Fressen gefunden. So sagt der Berliner Erzbischof Heiner Koch, zuständig in der Deutschen Bischofskonferenz für Familienfragen, in einem Interview mit Spiegel online: "Dass der Staat auch andere Beziehungen stärken, schützen und klären muss, ist mir klar. Warum man das aber Ehe nennen muss, verstehe ich nicht." Die Diskussion hat sich verlagert.
Warum behandele ich das so ausführlich? Dass dieses Thema zum jetzigen Zeitpunkt so öf-fentlich verhandelt wird, ist sicher auch Wahlkampfgetöse (gewesen). Aber vom Wahlkampf mal abgesehen, stecken doch Anliegen dahinter, die die Menschen heute bewegen:
1. In den letzten Jahrzehnten hat sich mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt, dass es nicht gerecht ist, dass der Mann im öffentlichen Leben immer die Hauptrolle spielt. Man spricht hier von Genderungerechtigkeit. Das wird zum Beispiel in der Sprache deutlich, indem oft die männliche Sprachform gebraucht und die weibliche Variante unterschlagen wird. Z. B.: "die Schüler", "die Lehrer", "die Touristen", "die Arbeiter". Nachdem man nun entdeckt hat, dass die Menschheit nicht nur aus Männern, sondern auch aus Frauen besteht, bemüht man sich, auch sprachlich zu differenzieren. Z. B. sagt man: "liebe Zuhörerinnen und Zuhörer". Es sind nicht nur Frauenrechtlerinnen, die auf die Gleichberechtigung der Geschlechter dringen, sondern alle jene, die mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern einfordern. Z. B. die Gewerkschaften und Politiker und Politikerinnen, die gleichen Lohn für Männer und Frauen fordern.
2. Nun gibt es Dinge, die Männer und Frauen gemeinsam tun: z. B. heiraten, Kinder krie-gen, Kinder erziehen. Als größte Gruppe in der Gesellschaft haben Ehepaare eine Machtposition. Sie meinen nämlich, alle Menschen müssten so leben wie sie. Wer nicht nach diesem Muster lebt, wird verachtet, diskriminiert. Die Kirche hat´s vorgemacht. und wer´s nachmacht, gilt als gut katholisch. Minderheiten haben´s immer schwer, an-erkannt zu werden.
3. Nun gibt es aber Männer, die Männer lieben, und Frauen, die Frauen lieben: also Schwule und Lesben. Noch im Jahre 1957 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass gleichgeschlechtliche Betätigung eindeutig gegen das Sittengesetz verstößt. Erst 1973 wurde Homosexualität entkriminalisiert, und 1994 wurde der berühmte § 175 des Strafgesetzbuches endgültig gestrichen. Seit 2001 dürfen gleichgeschlechtliche Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen, und nun ab 1. Oktober dieses Jahres heira-ten. "Ehe für alle" heißt nun, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren können. - Die Kirche argumentiert immer, dass Kinder Vater und Mutter brauchen. Gut so. Aber was geschieht, wenn der liebe Gott einen Ehepartner aus dem Spiel nimmt, also sterben lässt oder wenn ein Elternteil die Familie freiwillig verlässt? Dann gibt es nur noch den Vater oder nur noch die Mutter, und die müssen dann allein er-ziehen. Das geht, auch wenn die Bischöfe dagegen sind. Mütter sind dazu öfter ge-zwungen als Väter. - Warum sollten das Kümmern um Kinder nicht auch lesbische oder schwule Paare können? Oder steckt dahinter immer noch die Angst, diese sexuel-le Orientierung sei ansteckend? Das wäre ein archaischer Mythos.
4. Schwule und Lesben gelten als Abweichler gegenüber den heterosexuellen Paaren; immerhin sind sie die größten Gruppen der Abweichler. Es gibt auch Menschen, die sich anders definieren als Mann und Frau. Und auch die möchten nicht diskriminiert werden, sondern geachtet und sich nach ihrer Orientierung entfalten dürfen. Darauf haben sie sogar ein Recht.
Und was sagt die Kirche dazu? Die Kirche ist damit zurzeit wohl noch etwas überfordert. Aber wenn wir in die Bibel schauen, dann hat der liebe Gott jeden einzelnen Menschen er-schaffen, er hat ihn gewollt - so und nicht anders. Und der Schöpfergott hat sein Werk mit allen Einzelheiten als "sehr gut" bewertet. Haben wir das Recht, sein Werk anders zu beurtei-len?
Wenn ich ein Kind taufe, dann orientiere ich mich gern an der Taufe Jesu. Da sagt die Stimme aus dem Himmel: "Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe". Und dann sage ich den Eltern: "Genau dieselbe Botschaft gibt Gott ihrem Kind heute mit auf den Lebensweg. "Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich meine Freude habe." Diese Bot-schaft gilt ohne Einschränkung - für jeden Menschen(!) - egal welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Religion oder Weltanschauung. Wir in unserer christlichen Religion lesen diese Botschaft aus der Bibel, andere Religionen haben andere Quellen, aber die Liebe Gottes leugnet keine Religion.
Amen
Letzte Änderung: